Frieden für den Nahen Osten
Ein Bild sagt manchmal mehr als tausend Worte. das dürften sich Papst Franziskus und seine Diplomaten gedacht haben, als sie das Geschenk für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgesucht haben: eine Medaille mit einem Friedensengel. Der Pontifex fügte dann doch noch eine kurze Erklärung an: „Das ist ein Friedensengel, der den Dämon des Krieges besiegt. Er ist Symbol einer Welt, die auf Frieden und Gerechtigkeit basiert.“ Das Gespräch der beiden dauerte mit 50 Minuten viel länger als geplant. Allerdings hatten Papst und Präsident auch Einiges zu besprechen. Äußerer Anlass war die Sorge beider um den Status von Jerusalem nach der einseitigen Anerkennung der Heiligen Stadt als Hauptstadt Israels durch die USA Anfang Dezember. Doch es ging um mehr. An vielen Stellen vertreten die beiden sehr unterschiedliche Positionen. Und dem Vernehmen nach wurden auch einige kritische Punkte angesprochen.
Viel Dissens im Verhältnis zwischen Vatikan und Ankara
Es war der erste offizielle Besuch eines türkischen Präsidenten seit 59 Jahren. Allerdings hatte es dazwischen immer wieder Treffen der Päpste mit den türkischen Staatsoberhäuptern gegeben. Denn seit Paul VI. besuchten alle katholischen Kirchenoberhäupter die Türkei, also konkret den Ökumenischen Patriarchen mit Sitz in Istanbul, und in diesem Kontext gab es dann immer auch Kontakte zu den politischen Führern des Landes. Franziskus hatte Präsident Erdogan im November 2014 als erster Staatsgast in dessen neuen Amtssitz vor den Toren Ankaras besucht. Nun also der Gegenbesuch. Der hatte lange auf sich warten lassen, denn die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Vatikan sind von einem stetigen Auf und Ab gekennzeichnet – bis hinein in die Amtszeit von Papst Franziskus.
Als Franziskus bei einem Gottesdienst im April 2015 im Petersdom die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als „Völkermord“ bezeichnete, reagierte Ankara mit scharfem Protest und zog seinen Botschafter beim Heiligen Stuhl ab. Erst 2016 kehrte er wieder auf seinen Posten zurück. Wenn in der Türkei seit geraumer Zeit über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert wird, gibt es da einen großen Dissens mit dem Vatikan. Papst Franziskus hatte im Herbst vergangenen Jahres angekündigt, den Katechismus der Katholischen Kirche zu ändern, so dass die Todesstrafe fortan verboten sein soll. Wie der Vatikan überhaupt die Situation in der Türkei seit dem Putschversuch im Juli 2016 mit großer Zurückhaltung beobachtet. Mit scharfer Kritik hält man sich zurück, auch um die Situation der Christen im Land nicht noch weiter zu verschlechtern. Der Papst dürfte Erdogan allerdings klar gemacht haben, dass ihm die Sicherheit der Christen und deren Recht auf freie Religionsausübung wichtig sind. Will der türkische Präsident den Papst als Verbündeten in welcher Sache auch immer gewinnen, wird er sich hier bewegen müssen.
Dialog fördern
Franziskus lobte zwar wiederholt das Engagement der Türkei für die Flüchtlinge aus Syrien. Zugleich dürfte er allerdings die Militäroperationen im Nachbarland kritisch sehen. Immer wieder verurteilt er nationale Alleingänge scharf. Militärische Aktionen darf es aus Sicht des Vatikans nur mit UN-Mandat geben. Hier stehen Papst und Präsident angesichts der aktuellen militärischen Aktionen der Türkei in Syrien in einem klaren Dissens. Da das nur einer von vielen Punkten ist, an dem beide Seiten unterschiedliche Positionen vertreten, überraschte der Zeitpunkt des Besuchs Erdogans im Vatikan. Allerdings bot die gemeinsame Sorge um den Status Jerusalems nun seit langer Zeit wieder einmal einen Anknüpfungspunkt, um den Gesprächsfaden neu aufzugreifen. Der Vatikan sieht zudem, dass die Türkei ein Player im Syrienkrieg ist und eine wichtige Rolle unter den mehrheitlich islamischen Ländern – zumindest der Region – spielt. Rom lässt nichts unversucht, um einen neuen Dialog zwischen den Konfliktparteien in der Region zu initiieren, um endlich auf einen Weg des Friedens zu kommen. Es passt daher in die diplomatische Strategie des Papstes, solche Gelegenheiten nicht verstreichen zu lassen. Miteinander zu sprechen ist immer besser als übereinander zu sprechen, lautet seine Devise. Welche Früchte das Ganze trägt, bleibt abzuwarten.
Chile und Bischof Barros
Unterdessen gibt es Neues zum Missbrauchsskandal in Chile. Verschiedene Medien berichten über einen Brief an Papst Franziskus, in dem ein Opfer klar beschreibt, dass Bischof Barros vom Missbrauch Minderjähriger durch seinen geistlichen Mentor gewusst hat. Diesen Brief habe Kardinal Sean Patrick O’Malley 2015 persönlich dem Papst übergeben. Weder der Kardinal noch der Vatikan haben sich bisher zu diesen neuen Informationen geäußert. Es scheint aber, dass durch die konfrontative Haltung des Papstes in den vergangenen Wochen wider Bewegung in den Fall kommt. Wie das Ganze ausgeht, ist aus der Ferne aktuell schwer zu beurteilen. Entscheidend ist, dass es zu einer Klärung kommt. Wichtig wäre dabei auch, dass transparent gemacht wird, wer an welcher Stelle was entschieden hat, um dann auch das Verhalten des Papstes in der Angelegenheit klar beurteilen zu können.
2 Kommentare
Herr Erbacher:
– Frieden für den Nahen Osten, sicher lobenswert…
Absolut befremdlich aber, dass (religiöser) Frieden direkt und aktuell bei uns offenbar kein Thema wert ist. Dabei hat dieses ernsthafte Problem, was uns auf den Nägeln brennt, ursächlich mit den zu uns kommenden Flüchtlingen zu tun. Oder haben die Kirchen sich mit der kritiklosen Aufnahme von Muslimen etwa zu weit aus dem Fenster gelehnt, um die täglich schlimmen Übergriffe mit lediglich verschämtem Stillschweigen zu übergehen ?
– Nicht so der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick: er äusserte sich entsetzt über die christenfeindlichen Angriffe in Deutschland und ist bisher leider der einzige(!) Geistliche. Auch ein Skandal…
– Zugrunde liegt ein BKA-Bericht, wonach im Jahr 2017 in Deutschland allein über 100 christenfeindliche Angriffe registriert wurden, darunter ein Mord und etliche Körperverletzungen.
Das christliche Hilfswerk „Open doors“ in Kooperation mit dem Zentralrat für orientalische Christen in DEU (ZOCD) ud der Aktion für verfolgte Christen und Notleidende(AVC) meldeten für 2016 insgesamt 743(!) religiös motivierte Übergriffe gegen Christen und Jesiden in den deutschen Asylunterkünften, wobei die Dunkelzahl als noch höher eingeschätzt wird…
Sollte vielleicht, wenn auch unbequem, Thema werden und nicht aus falsch vestandener „political correctness“ unterschlagen werden…
Wanda
09.02.2018, 19:33 Uhr.
Dem habe ich nichts hinzu zu fügen außer: Volle Zustimmung!
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