Schavan und der Vatikan
Der Posten an der deutschen Vatikanbotschaft gehört zu den am besten dotierten Posten, den das Außenministerium im Ausland zu bieten hat. Zwar macht der Vatikan offiziell keine Politik. Doch als Austauschplatz für Informationen ist der kleine „Kirchenstaat“ schon immer sehr gefragt. Gerade unter Papst Franziskus, der die Themen soziale Gerechtigkeit und Frieden sowie die Bewahrung der Schöpfung (Er schreibt ja an einer Enzyklika zum Thema.) ganz groß schreibt, sind die Botschafterposten in Rom spannend und in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Sollte Schavan die Zustimmung aller notwendigen Instanzen in Berlin und im Vatikan erhalten, tritt sie im Sommer ihren Dienst in Rom an. Die 58-Jährige bringt zwar keine Erfahrung als Diplomatin mit; doch ist sie eine erfahrene Politikerin sowie eine profilierte Theologin und gute Kennerin der kirchlichen Szene in Deutschland und im Vatikan. Das bietet ihr sicherlich Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer neuen Aufgabe. Zudem braucht Deutschland am Vatikan einen starken Botschafter; denn nach dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. ist es nun eines unter 180 Ländern, zu denen der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen unterhält. Schon unter Johannes Paul II. waren die Beziehungen nach Deutschland eng. Im Pontifikat von Joseph Ratzinger spielte der deutsche Botschafter natürlich eine besondere Rolle.
Deutschland nur noch ein Land unter vielen
Das hat sich mit dem 13. März 2013 geändert. Zwar baut der Vatikan natürlich auf eine enge Zusammenarbeit mit den Deutschen. Das zeigte etwa auch die schnelle Audienz für Bundeskanzlerin Merkel im Mai letzten Jahres. Doch die Beziehungen wollen gepflegt werden. Deutschland hat in seiner internationalen Politik etwa ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Christen in Ländern, in denen sie in der Minderheit sind. Oft geht das einher mit einer mehr oder weniger offenen Diskriminierung oder gar Verfolgung. Deutschland nutzt seine diplomatischen Kanäle nicht nur bei Reisen der Bundeskanzlerin oder von Bundesministern, um sich für Menschenrechte und Religionsfreiheit einzusetzen. Meist geschieht das ohne große Öffentlichkeit. Mitunter werden aber auch ganz demonstrativ symbolische Akte gesetzt. So haben sich Bundeskanzler oder Minister immer wieder mit christlichen Würdenträgern getroffen, etwa bei Besuchen in der Türkei, in Ägypten oder auch in China.
Umgekehrt ist auch der Vatikan für die deutsche Politik von großem Interesse. Gerade in Krisengebieten ist das Informationsnetz der Kirche oft enger gestrickt als das der Politik. Kirchliche Hilfsorganisationen oder schlicht die Gemeinden vor Ort sind in der Regel gut vernetzt und kennen die Situation der Menschen gut. Hinter den Kulissen arbeitet der Heilige Stuhl intensiv mit, wenn es um Konfliktlösungen geht. Erst vor wenigen Tagen äußerte sich der amtierende deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Reinhard Schweppe, anerkennend über die vatikanischen Bemühungen im Syrienkonflikt.
Annette Schavan wäre die erste Botschafterin Deutschlands beim Heiligen Stuhl. Sie ist allerdings längst nicht alleine. Denn schon seit vielen Jahren gibt es Botschafterinnen. Das aktuelle Päpstliche Jahrbuch von 2013 führt rund 20 Botschafterinnen auf. Interessant ist, dass viele von ihnen aus „Südländern“ kommen, die Papst Franziskus besonders am Herzen liegen.
Papst mahnt Neokatechumenale
Apropos am Herzen liegen. Das tun Papst Franziskus auch die neuen geistlichen Bewegungen. Dazu gehört auch der so genannte „Neokatechumenale Weg“. Am Samstag hatte Franziskus im Vatikan rund 10.000 Mitglieder dieser in Spanien entstandenen Bewegung begrüßt. An anderer Stelle hier im Blog wurde im Vorfeld aus der Tatsache, dass er die Neokatechumenalen empfängt geschlossen, dass er sie auch unterstützt. Das war vielleicht etwas vorschnell. Natürlich begrüßt Franziskus das Wirken der neuen Bewegungen und damit auch der Neokatechumenalen. Doch in seiner Ansprache machte er auch klare Ansagen, die nicht nur schmeichelhaft waren. Sie müssten sich ganz klar der Führung der Ortskirchen unterordnen und in Kommunion/Gemeinschaft mit den Ortskirchen agieren. Hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Schwierigkeiten, weil neokatechumenale Gruppen in Pfarreien Parallelstrukturen aufbauten und es zu massiven Spannungen in Pfarreien und Bistümern kam. Franziskus forderte die Neokatechumenalen auf, im Ernstfall darauf zu verzichten, die Vorgaben ihrer Bewegung bis ins Detail zu befolgen, wenn es der Einheit in der Gemeinde dient. Schon in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (Abs. 29) hatte Franziskus in Bezug auf die neuen geistlichen Bewegungen neben einem Lob auch die Mahnung, sich in die bestehenden Pfarreistrukturen einzufügen.
Zweite Vorgabe: Die Mitglieder der Bewegung sollten bei ihren internationalen Einsätzen den jeweiligen kulturellen Kontext im Gastland ausreichend berücksichtigen. Sie sollten die Kultur „lernen“, in der sie dann lebten. Schließlich forderte er die Neokatechumenalen auf, die Entscheidung von Aussteigern, die die Bewegung verlassen wollten, zu respektieren. Mitgliedern, die Schwierigkeiten mit den Vorgaben der Bewegung hätten, sollten die anderen mit „Geduld und Barmherzigkeit“ begegnen. Schon Papst Benedikt XVI. hatte die Bewegung des Neokatechumenalen Wegs auf Herzen und Nieren prüfen lassen. Viele Jahre mussten sie um die endgültige Anerkennung ihrer Statuten ringen. Es ist also nicht so, dass der Vatikan die neuen geistlichen Bewegungen vorbehaltlos agieren lässt. Das war im Pontifikat von Papst Johannes Paul II. anders. Doch schon seit 2005 wird das Gebaren der meisten Bewegungen genau beobachtet.
P.S. Die Deutsche Bischofskonferenz hat die Ergebnisse der Umfrage zur Sondersynode zum Thema Familie im Internet veröffentlicht.