Schrei nach Frieden
Vier Stunden dauerte die Feier auf dem Petersplatz in Rom; rund um den Globus schlossen sich Katholiken dem Friedensgebet des Papstes an. Und wie auf dem Petersplatz, wo auch andere christliche Kirchen und Religionen vertreten waren, wurde die Initiative von Franziskus an vielen Orten zu einer ökumenischen und interreligiösen Sache. Die Feier auf dem Petersplatz war eindrucksvoll; etwa als die mehreren Zehntausend Menschen rund eine viertel Stunde in stillem Gebet vor dem Allerheiligsten verharrten. Solch lange Stille gab es mehrfach; das ist bisher einmalig auf dem Petersplatz.
Gleichsam mit der Autorität von sechs Päpsten erhob der Vatikan an diesem warmen Spätsommerabend seine Stimme. Pius XII., Johannes XXIII., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wurden mit Friedensgebeten zitiert. Die Worte Pauls VI. vor der UNO im Jahr 1965 machte sich Papst Franziskus dann in seiner Ansprache zu Eigen: „»Nicht mehr die einen gegen die anderen, nicht mehr, niemals! … niemals mehr Krieg, niemals mehr Krieg!“ sowie aus der Botschaft zum Weltfriedenstag 1976: „Den Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen – mit jenem Frieden, der nicht losgelöst ist von den Pflichten der Gerechtigkeit, aber genährt wird durch das persönliche Opfer, durch Milde, Barmherzigkeit und Liebe.“ Nach Franziskus sind Vergebung, Dialog und Versöhnung Worte und damit der Schlüssel zum Frieden. „Möge das Waffenrasseln aufhören! Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens. Er ist immer eine Niederlage für die Menschheit.“
Hinter Gewalt und Krieg sieht Franziskus Egoismus und Gleichgültigkeit als Wurzeln dieser Übel. „Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen! Gewalt und Krieg bringen nur Tod, sprechen vom Tod! Gewalt und Krieg sprechen die Sprache des Todes!“ Franziskus sprach jeden an „vom Kleinsten bis zum Größten“, auch die Regierenden. „Ich möchte heute Abend den Herrn bitten, dass wir Christen, die Brüder und Schwestern der anderen Religionen, alle Menschen guten Willens mit Nachdruck rufen: Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens! Möge ein jeder Mut fassen, auf den Grund seines Gewissens zu schauen und auf jene Stimme zu hören, die sagt: Komm heraus aus deinen Interessen, die dein Herz verengen, überwinde die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen, die das Herz gefühllos macht, besiege deine Todesargumente und öffne dich dem Dialog, der Versöhnung: Schau auf den Schmerz deines Bruders und füge nicht weiteren Schmerz hinzu, halte deine Hand zurück, baue die Harmonie wieder auf, die auseinander gebrochen ist – und das nicht mit dem Zusammenprall, sondern mit der Begegnung!“
Wenn man die zahlreichen Initiativen des Papstes und des Vatikans der letzten Tage sieht, wird der heutige Abend sicher nicht der letzte Akt im „Kampf“ von Franziskus gegen weiteres Blutvergießen und einen Militärschlag in Syrien und für den Frieden dort, im ganzen Nahen Osten und an anderen Konfliktorten gewesen sein. Aber es war sicherlich einer der eindrücklichsten Akzente, der durch seine weltweite Nachahmung durchaus zeigt, dass der Papst fähig ist, Menschen zu mobilisieren. Die Frage ist natürlich, welche konkreten Folgen wird diese Initiative haben?
P.S. Begegnung, Gespräch, Dialog. Diese Begriffe gehören zu den am meisten gebrauchten im Vokabular von Papst Franziskus. Das betrifft politische Zusammenhänge und Konflikte; das betrifft aber auch innerkirchliche Auseinandersetzungen. Im diesem Sinne dürfte jetzt auch die Initiative mit dem Besuch von Kardinal Lajolo im Bistum Limburg zu verstehen sein. Wie aus einem vom Bistum veröffentlichten Brief des Chefs der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, hervorgeht, hatte der Limburger Bischof Tebartz-van Elst den Vatikan mehrfach um eine Apostolische Visitation in seinem Bistum gebeten. Dazu sieht Papst Franziskus nach dem Schreiben keinen Anlass. Dennoch scheint man auch im Vatikan erkannt zu haben, dass die Situation im Bistum Limburg schwierig und verfahren ist. So wird Lajolo, der von 1995 bis 2003 Nuntius in Deutschland war, dem Bistum einen „brüderlichen Besuch“ abstatten. De jure handelt es sich also nicht um eine offizielle Visitation. De facto wird Lajolo aber Ähnliches tun: Er wird mit dem Bischof, dem Domkapitel sowie anderen wichtigen Vertretern aus Gremien und Verwaltung im Bistum sprechen. Laojolo soll laut dem vatikanischen Schreiben „wachen Auges auf die Gegebenheiten der Ortskirche schauen, die Geister zu unterscheiden helfen, gegebenenfalls brüderlich zu ermahnen, vor allem aber um Ihren bischöflichen Dienst zu stützen und zum Frieden und zur Einheit zu ermutigen.“ Lajolo wird bereits am Montag in Limburg erwartet.