Der Papst in Südostasien – Tag 7
Papst Franziskus ist auf seiner 45. Auslandsreise am Montagnachmittag Ortszeit in Osttimor angekommen. Zum Auftakt würdigte er die Leistung des Landes beim Kampf um Unabhängigkeit zwischen 1975 und 2002. „Danken wir dem Herrn dafür, dass Sie während einer so dramatischen Zeit Ihrer Geschichte die Hoffnung nicht verloren haben und dafür, dass nach dunklen und schwierigen Tagen endlich eine Morgendämmerung des Friedens und der Freiheit angebrochen ist“, erklärte der Pontifex beim Treffen mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft in Dili. Bei der Gelegenheit benannte er aber auch deutlich die Herausforderungen, vor denen Osttimor aus seiner Sicht aktuell steht: Auswanderung, übermäßiger Alkoholkonsum der Jugendlichen, ihre Organisation in Banden, sowie die Bildung. Das Thema Missbrauch sprach er allgemein an, ohne auf die Probleme innerhalb der Kirche einzugehen. Vor der Abreise aus Papua-Neuguinea traf Franziskus am Morgen mit Jugendlichen zusammen. Dabei forderte er sie einmal mehr auf, die Harmonie untereinander zu suchen. Nur so könne eine Zukunft für alle gestaltet werden.
Beziehung, nicht Verwirrung stiften
Wenn Franziskus improvisiert, ist das meist ein gutes Zeichen. Beim Treffen mit den Jugendlichen Papua-Neuguineas gestaltete er seine Ansprache weitestgehend frei. Dabei ging es ihm vor allem um ein Thema – und das ließ er die rund 10.000 Anwesenden in einem Sportstadion der Hauptstadt Port Moresby immer wieder in Sprechchören wiederholen: „Wenn jemand fällt, hilft man ihm auf.“ Das sei der einzige Moment, in dem man auf eine andere Person herunterschauen dürfe. Um ihn wahrzunehmen und ihm aufzuhelfen. Mit Verweis auf die Geschichte vom Turmbau zu Babel erklärte das Kirchenoberhaupt, dass dort zwei Lebensmodelle und zwei Weisen, eine Gesellschaft aufzubauen, aufeinanderprallten: „Die eine führt zu Verwirrung und Zerstreuung, die andere führt zur Harmonie der Begegnung mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern“, so der Papst. Gott habe die Menschen als Person geschaffen, die in Beziehung zueinander stünden. Deshalb bräuchten sie auch eine Sprache, die helfe, mit anderen in Verbindung zu treten. Gott habe den Menschen so geschaffen, dass er gute Beziehungen zu anderen habe.
„Seid vorsichtig: Er hat uns nicht geschaffen, um Verwirrung zu stiften, sondern um gute Beziehungen zu haben“, mahnte Franziskus. In einer Gesellschaft ohne Gott fehle diese gemeinsame Sprache, erklärte Franziskus, wie auch Babel zeige. „Angesichts dieser Unterschiede in der Sprache, die uns trennen und zerstreuen, brauchen wir eine Sprache, die uns hilft, vereint zu sein“, stellte Franziskus mit Verweis auf die über 800 Sprachen fest, die es in dem Inselstaat gibt. Die Sprache, die alle verstünden, sei die Liebe, so der Pontifex. Gegen die Liebe stünden Hass und Gleichgültigkeit, erklärte er weiter. Die Gleichgültigkeit wiederum habe ihre Wurzeln im Egoismus. „Ihr, die ihr jung seid, müsst die Unruhe des Herzens haben, um euch um andere zu kümmern. Ihr müsst die Unruhe des Herzens haben, um Freunde unter euch zu finden“, rief er ihnen zu. Sie sollten sich gegenseitig helfen, wenn jemand einen Fehler macht oder fällt. Denn, so Franziskus in Anspielung auf ein Wanderlied: Wichtig sei nicht, nicht zu fallen, sondern nicht wieder aufzustehen. Dabei sollten sich die jungen Menschen gegenseitig helfen.
Jugend Perspektive bieten
Mit Osttimor ist Papst Franziskus im katholischsten Land der Welt eingetroffen. Knapp 98 Prozent der 1,5 Millionen Einwohner sind katholisch. Die Kirche wird von einem prominenten Missbrauchsskandal erschüttert. Der Vatikan hatte 2020 und 2021 Disziplinarmaßnahmen gegen den langjährigen Bischof von Dili und Friedensnobelpreisträger von 1996, Carlos Ximenes Belo, verhängt. Ihm wird zur Last gelegt, Jungen missbraucht zu haben. 2002 trat er überraschend von seinem Amt zurück, nannte gesundheitliche Gründe. Mittlerweile lebt er zurückgezogen in Portugal. In Osttimor spaltet sein Schicksal die Kirche; denn es gibt viele Katholiken, die die Anschuldigungen für nicht wahr halten und in Belo aufgrund seiner Rolle in der Zeit der Unabhängigkeitskämpfe weiter einen Nationalhelden sehen. Die Betroffenen von sexualisierter Gewalt erwarten, dass Franziskus während seines gut zweitägigen Aufenthalts in dem Land das Thema klar anspricht. Beim Treffen mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft am Abend forderte er lediglich dazu auf, „die vielen Kinder und Heranwachsenden nicht zu vergessen, die in ihrer Würde verletzt werden.“ Alle seien aufgerufen, verantwortungsvoll zu handeln, „um jeder Art von Missbrauch vorzubeugen und zu gewährleisten, dass unsere Kinder und Jugendlichen unbeschwert heranwachsen können“.
Ein großes Thema für Franziskus ist die Bildung. Gerade weil 65 Prozent der Bevölkerung Osttimors unter 30 Jahre alt seien, müsse die Bildung der erste Bereich sein, in den investiert werde. Für den Papst ist es deshalb so wichtig, weil das Land sein Schicksal perspektivisch dann noch besser in die Hand nehmen könne. „Für die optimale Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen des Landes – vor allem der Öl- und Gasreserven, die nie dagewesene Entwicklungsmöglichkeiten bieten könnten – ist es unerlässlich, diejenigen, die in nicht allzu ferner Zukunft die Führungsriege des Landes bilden werden, durch die entsprechende Ausbildung angemessen vorzubereiten“. Aus Sicht von Franziskus kann die katholische Soziallehre dabei hilfreich sein, zu bewerten, ob neue Errungenschaften „wirklich der ganzheitlichen Entwicklung zugutekommen oder ob sie sich stattdessen als Hindernis erweisen, weil sie zu unannehmbaren Ungleichgewichten und einem erhöhten Anteil an Ausgestoßenen führen, die am Rand zurückgelassen werden“.
Große Freude und Schatten
Zehntausende bereiteten Franziskus am Montagnachmittag einen begeisterten Empfang in Dili. Die Bilder sind ganz andere als die der bisherigen Stationen der 45. Auslandsreise. Doch auch hier in Osttimor liegen Schatten über der Freude. Das ist die Armut, die Auswanderung, die aus Sicht des Papstes ein Anzeichen dafür ist, „dass man nicht in der Lage sei, allen einen Arbeitsplatz anzubieten, der einen gerechten Ertrag bringt und den Familien Einkommen sichert, das ihren Grundbedürfnissen entspricht“, und schließlich der Missbrauch.
Ein Kommentar
Man merkt unserem Papst an, dass ihn wirkliche Probleme von Menschen und nicht virtuelle wie die pseudoästhetischen Weihrauchwolken von Liturgiefetischisten interessieren. Peinlicherweise (für mich) sind mir die wohl leider zutreffenden Missbrauchsvorwürfe gegen Bischof Belo bislang entgangen. Danke @Herr Erbacher, dass Sie das thematisieren.
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