Bischöfe: Missbrauch Erwachsener strenger ahnden

Null-Toleranz bei geistlichem und sexuellem Missbrauch von Erwachsenen im Kontext der Seelsorge. Das bekräftigen die deutschen Bischöfe in einem neuen „Wort zur Seelsorge“, das heute am Rande der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Vierzehnheiligen vorgestellt wurde. Der Vorsitzende der Pastoralkommission, Bischof Peter Kohlgraf, kündigte an, dass es künftig in den entsprechenden Leitlinien der Bischofskonferenz auch für Gewalt gegen Erwachsene in kirchlichen Kontexten klare Regelungen geben werde. Die Bischöfe fordern die Politik indirekt auf, das Strafgesetzbuch mit Blick auf Missbrauch in der Seelsorge zu verschärfen. In dem heute vorgestellten Dokument werden daneben Qualitätsstandards für die Seelsorge formuliert. Da es sich bei Seelsorge nicht um einen geschützten Begriff handle, wolle die Kirche damit transparent machen, was Menschen hier im kirchlichen Kontext erwarten können.

Bischof Peter Kohlgraf (2.v.l.) stellte das neue Dokument gemeinsam mit Bischof Michael Gerber, Vorsitzender der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste (2.v.r.), sowie Weihbischof Matthäus Karrer (l.) vor. (Quelle: Erbacher)

Bei Missbrauch immer Anzeige

Nach der Befassung mit sexualisierter Gewalt an Minderjährigen ist schon seit einigen Jahren der Missbrauch, geistlich und sexuell, an Erwachsenen in den Fokus der Debatte gerückt. Erstmals äußern sich die Bischöfe in dem vorliegenden Dokument ausführlicher zu dem Thema. Aufhorchen lässt, dass sie in ihrer Positionierung zu Missbrauch im Seelsorgekontext über die staatlichen Regelungen des Strafgesetzbuches hinausgehen. „Auch wenn im Strafgesetzbuch § 174c bei der Aufzählung professioneller Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisse, in denen sexuellen Handlungen strafbar sind, das seelsorgliche Verhältnis nicht erwähnt wird, ist die Ausnutzung einer seelsorglichen Beziehung für Übergriffe bis hin zu sexuellem Missbrauch strafbar und muss bei den zuständigen Staatsanwaltschaften wie auch innerkirchlich angezeigt werden.“

Bischof Kohlgraf kündigte an, dass es künftig neben der bereits bestehenden Anlaufstelle für Frauen, die Missbrauch in der Kirche erfahren haben, auch ein entsprechendes Angebot für Männer geben soll. Anfang April findet in Siegburg eine Tagung statt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Ordensoberenkonferenz und der Kirchlichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen, die sich mit dem Thema Machtmissbrauch gegenüber Männern in der katholischen Kirche beschäftigt. Ob es zum Missbrauch von Erwachsenen in der katholischen Kirche eine eigene Studie geben wird, blieb bei der Vorstellung des Dokuments offen.

Qualitätsstandards für Seelsorge formuliert

Neben der Ahndung von Missbrauchsfällen soll auch in diesem Kontext die Prävention intensiviert werden. Dazu gehören die Qualitätsstandards, die die Bischöfe in dem Dokument formulieren. So soll es künftig eine Qualitätssicherung in der Seelsorge geben. Die Bischöfe gehen davon aus, dass in den Gemeinden sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche Handelnde in der Seelsorge sind. Dazu brauchen sie eine entsprechende Aus- und Weiterbildung sowie eine bischöfliche Beauftragung. Interessant ist, dass das Dokument ganz klar von Seelsorgerinnen und Seelsorgern spricht und damit explizit ein Weiheamt für Frauen nicht ausschließt. „Wenn es zu dieser Entscheidung käme, müsste das Papier nicht umgeschrieben werden“, erklärte Bischof Kohlgraf auf Nachfrage von Journalisten.

„In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche“ lautet der Titel des neuen Papiers. Die 60 Seiten können nur ein Anstoß sein, für eine längst überfällige Qualitätsdebatte in der Seelsorge. Sie müssen in den einzelnen Bistümern und für die einzelnen Berufsgruppen sowie Kontexte konkretisiert werden. Lange Zeit wurde viel Kraft in die Ausbildung der Seelsorgenden investiert, doch die Weiterbildung war weitestgehend dem Belieben der Einzelnen überlassen. Mittlerweile gehen immer mehr Bistümer dazu über, Fortbildungen verpflichtend zu machen für alle in der Seelsorge Tätigen . Das ist per se noch kein Garant für Qualität, doch es ist ein Anfang. Das gilt auch für die Befassung mit dem Machtmissbrauch durch Seelsorgende. Hier müssen die Bischöfe dringend handeln, auf die Betroffenen zugehen und Vorkehrungen treffen, dass künftig solcher Missbrauch verhindert wird. Zu lange wurde auch an dieser Stelle weggeschaut, verschleppt und vertuscht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Wanda
    09.03.2022, 14:29 Uhr.

    Null Toleranz gegen die Täter oder auch dem Kreis derer die sie schützten, der Gerichtsbarkeit entzogen usw. ? Eigentlich ist alles längst gesagt. Was fehlt, ist eine wirklich verbindliche Null-Toleranz-Grenze mit entsprechend harter Ahndung durch den Vatikan wobei auch die „weltliche“ ihren Platz haben muss.

    • Novalis
      10.03.2022, 13:27 Uhr.

      Ich habe durchaus auch Sympathien für „Null-Toleranz“ – aber was heißt das konkret? Wird „Null-Tolleranz“ auch ausgeführt, wenn ein Opfer das gar nicht will (das gibt es selten, aber das gibt es)? Heißt „Null Toleranz“, dass alle Vorwürfe zu einer Suspendierung führen? Auch eventuell ungerechtfertigte (auch die gibt es)?
      Ich bitte das nicht misszuverstehen: Seit 12 Jahren liegen die Sachen auf den Tisch. In der Diözese Regensburg zB ist der Missbrauch nur bei den Domspatzen historisch aufgearbeitet. Es gibt aber noch etliche weitere Einrichtungen, in denen es Missbrauch gegeben hat. Und ich höre nichts davon, dass das wirklich aufgearbeitet wird. Ob die Kardinäle Döpfner, Ratzinger oder Wetter hießen: In München haben sie alle dreckige Hände. Und dieser Dreck perlt auch nicht von einer weißen Soutane ab. Das indiskutabel infam. Und als Anschlag auf Kinder auch blasphemisch.
      Wie werden die Fakten benannt, gesühnt und in Zukunft (möglichst!) verhindert? Das sind die wichtigen Fragen.

  • Wanda
    10.03.2022, 16:36 Uhr.

    Die wohl eher seriös eingeschätzte FAZ meldet heute, man gehe in Italien neuerdings von inzwischen 825.000 kirchlichen Missbrauchsfällen aus und berichtet von einem regelrechten Kartell des Schweigens, wobei sich auch der Papst mit einer Forderung nach Aufklärung auffallend zurückhalte…

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