Noch ein Gutachten
Erneut erschüttert ein Beben die katholische Kirche. Doch dieses Mal geht es nicht nur um Deutschland. Mit Benedikt XVI. ist auch der emeritierte Papst betroffen und damit die Weltkirche. 1.893 Seiten umfasst das Gutachten inklusive Anhänge der Münchner Kanzlei „Westpfahl, Spilker, Wastl“. Vieles, was beschrieben wird, klingt bekannt: schlechte Aktenführung, unklare Zuständigkeiten, Abschieben von Verantwortung und der Schutz der Institution als oberste Maxime. Dennoch steckt in dem heutigen Gutachten eine neue Brisanz. Es geht um die Glaubwürdigkeit von Benedikt XVI., immerhin einst oberster Glaubenshüter als Chef der Glaubenskongregation und acht Jahre Oberhaupt der katholischen Kirche.
Was wusste Erzbischof Ratzinger?
Auf 82 Seiten bezieht der emeritierte Papst Stellung zu unterschiedlichen Fragen der Münchner Anwälte. Unterm Strich sieht er bei sich kein Fehlverhalten. Das bewerten die Anwälte anders. Benedikts Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, kündigte gegenüber Journalisten an, dass der Emeritus „den sehr umfangreichen Text mit der nötigen Sorgfalt studieren und prüfen“ werde. Zuvor hatte schon Vatikanpressesprecher Matteo Bruni erklärt, dass der Vatikan das Gutachten prüfen werde. Es wird spannend sein zu sehen, welche Antworten von Rom kommen werden. Der Vorwurf wiegt schwer, der im Raum steht: Lüge.
Insgesamt wird einer ganzen Reihe von Verantwortlichen Pflichtverletzungen vorgeworfen. Dazu gehören alle Erzbischöfe im Untersuchungszeitraum von 1945 bis 2019, aber auch die Generalvikare. Die Untersuchungen haben einerseits nichts überraschend Neues hervorgebracht. Die Kaltherzigkeit, mit der die Kirche über Jahrzehnte den Betroffenen begegnet ist, ist längst bekannt, ebenso das System der Vertuschung, des Verschweigens und der Zurückweisung von Verantwortung. Dennoch braucht es solche Gutachten, um immer wieder daran zu erinnern, dass noch ein langer Weg vor der Kirche liegt und dass es ohne Reformen nicht geht. Die Gutachten zeigen, dass es sich um ein Systemversagen handelt und deshalb muss auch das System verändert werden.
Signale aus Rom?
Dazu bräuchte es ein klares Signal aus Rom, dass der Papst hinter den notwendigen Reformen steht. Rund um den Globus diskutieren lokale Kirchen genau die Reformen, die hier in Deutschland gefordert werden. Doch Franziskus agiert zögerlich und lässt Chance um Chance verstreichen. Der Frust der Gläubigen wir immer größer, das Vertrauen schwindet weiter. Mit dem Gutachten kommt der Missbrauch nicht nur nah an den emeritierten Papst heran, sondern über Kardinal Marx auch an den amtierenden Pontifex. Der Münchner Erzbischof gehört zum Kardinalsrat, einem zentralen Beratungsgremium des Papstes, zudem ist er Chef des Wirtschaftsrats, des obersten Finanzkontrollgremiums. Franziskus wird nicht umhinkommen, sich mit der Sache zu befassen. Und einmal mehr wird er sich von Marx scharfe Worte anhören müssen, dass konsequenter gehandelt werden muss und eben Reformen notwendig sind.
Der gebürtige Westfale trug lange Zeit das System mit. Sein Engagement konzentrierte sich vor allem auf Prävention etwa in der Unterstützung des Internationalen Kinderschutzzentrums, das 2015 in München gegründet und später an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom angedockt wurde. Mittlerweile ist es eine der weltweit führenden Institutionen im Bereich Prävention vor sexualisierter Gewalt. Im Nachgang zur Vorstellung der MHG-Studie im Herbst 2018 setzte ein Umdenken bei Marx ein. Die Betroffenenperspektive rückte stärker in den Fokus. Ein Nachdenken über das System setzte ein, das vielleicht auch schon Züge einer inneren Distanzierung aufwies bis hin zum Rücktrittsangebot im vergangenen Sommer. Dass er am Morgen nicht zur Vorstellung des Gutachtens kam, passt nicht in dieses Bild. Es wirkte wie ein erneuter Affront gegenüber den Betroffenen, dass er sich dem Geschehen nicht aussetzte. Auch Kardinal Marx erscheint somit beim Thema Aufarbeitung als wenig konsequent oder er ist einfach nur schlecht beraten. In einer Woche will er erste Konsequenzen aus dem Gutachten vorstellen. Eines machte er heute schon deutlich: Ohne Reformen der Kirche gibt es für ihn keine Aufarbeitung des Missbrauchs.
31 Kommentare
Ich habe Verwandtschaft in Engelberg und Pfarrer H.* bei Hochzeiten und Beerdigungen erlebt und bei den Faschings predigten.
Beeindruckend war die Zahl der Ministranten, das war Choreographie!
*Der Name wurde von der Redaktion abgekürzt.
Lasst den alten Mann in Rom in Frieden. Er wird sich doch eh nicht besinnen. Für diejenigen, die an eine Gerechtigkeit jenseits der menschlichen glauben: Wenn Ratzinger wirklich vertuscht und gelogen hat für eine so perverse Kirche, dann kommt er nach der Kirchenlehre, die er selber immer gepredigt hat, angesichts des Mangels an Reue doch in das ewige Höllenfeuer.
Ich glaub nicht an die Hölle, aber ans Fegfeuer. Und dort bereuen zu müssen ist auch nicht nett. Das wird ihm auf jeden Fall blühen.
Interessant: Hölle nein, Fegefeuer ja. Ziemlich inkonsequent Ihr Glaube und gar nicht in Übereinstimmung mit der röm.-kath. Kirche, die doch angeblich kein Selbsbedienungsladen in punkto Glaubenslehre ist. Trotzdem bewundernswert, wie sicher Sie sind, was Ratzinger im Purgatorium blüht…
Erstaunlich wie inaktiv sich dieser Blog in seiner Berichterstattung entwickelt hat: da brennt seit geraumer Zeit nun wirklich in DEU bei der röm.-kath. Kirche der Rock lichterloh (sei’s um die Kardinäle Müller und Woelki, dem erschütternden Direktkontakt eines Bischofs mit Missbrauchsopfern und die Rolle Ratzingers nicht erst seit diesem aktuellen Gutachten etc., etc.) und doch übt man sich in journalistischer Abstinenz. Die grossen überregionalen Medien hingegen berichteten zwar, allerdings nicht mehr auf den ersten Seiten mit grossen Schlagzeilen. Die bekommt die röm.-kath. Kirche ihres zu vernachlässigenden gesellschaftlichen Stellenwertes schon lange nicht mehr. Was also soll man überhaupt noch zu dieser arroganten, sich selbst moralisch und ethisch erhöhenden Institution sagen ? Wie kürzlich (in der FAZ?) zu lesen war: Martin Luthers Urteil „die Priesterweihe befestige alle Ungeheuerlichkeiten“ hat leider eine überaus schlimme Bestätigung gefunden…
KIRCHENDÄMMERUNG
Über Joseph Ratzinger gibt es einen sehr zu empfehlenden Film mit dem treffenden Titel: „VERTEIDIGER DES GLAUBENS“. So haben sich er und Johannes Paul II. gesehen, als sie mit eiserner Hand die Kirche regierten. Hochtalentierte Theologen mussten gehen oder ihnen wurde ein Lehrstuhl verweigert, die Befreiungstheologie wurde zerschlagen, Bischofskonferenzen wurden gleichgeschaltet, Kleriker wurden durch einen Treueid auf Linie gebracht, sich „irregulär“ verhaltende Kirchenbedienstete wurden entlassen und wiederverheiratet Geschiedene wurden diskriminiert.
Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation war aber nicht nur ein Verteidiger dessen, was er für das wahre Erbe Jesu Christi hielt, sondern ihm war auch das HOCHHALTEN DES KLERIKER-STANDES wichtig, dem es ja zukam, Jesus Christus zu repräsentieren und den Gläubigen den Weg evangeliumsgemäßen Lebens zu weisen. Da konnte und durfte es nicht sein, dass Kleriker durch Fehlverhalten die Reinheit der Kaste, der sie angehörten, trübten und beschmutzten, denn der Priester ist ja zur Heiligkeit berufen. (JP II)
Die ÜBERHÖHUNG DES PRIESTERSTATUS gab in gewisser Weise den Umgang mit klerikaler sexueller Gewalt vor:
– Es handelt sich selbstverständlich nur um Einzelfälle
– Die fehlgeleiteten Mitbrüder bedürfen der besonderen Fürsorge und Hilfe, um wieder auf den rechten Pfad zu gelangen
– Es bedarf der Geheimhaltung und Verschwiegenheit, damit die Kirche nicht in ein falsches Licht gerät
Joseph Ratzinger hat sich als Erzbischof von München und Freising ähnlich verhalten wie andere Mitbischöfe auch, nur dass er im Gegensatz zu mittlerweile selbstkritischen Bischöfen darauf besteht, dass sein Verhalten untadelig war.
Benedikts 82-seitige Stellungnahme zum Fall Peter H. ist mit allen kirchenrechtlichen Wassern gewaschen und doch stolpert er über eine einfache Frage:
Haben Sie an der ORDINARIATSSITZUNG vom 15.01.1980 teilgenommen? Seine schriftliche Antwort lautet: An der Ordinariatssitzung vom 15.01.1980 habe ich nicht teilgenommen.
Im Rahmen der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens weist Dr. Ulrich Wastl nach, dass der Papa emeritus in diesem Fall GELOGEN hat, und hinsichtlich anderem im Gutachten benannten Fehlverhalten Erzbischof Ratzingers spricht Wastl juristisch abgezirkelt davon, dass es „überwiegend wahrscheinlich“ ist, dass die Darstellung Benedikts unzutreffend ist.
Der den Glauben verteidigende Präfekt Kardinal Ratzinger avancierte zum Pontifex Benedikt XVI. und war damit der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden. „SEINE HEILIGKEIT“ ist jetzt in einem für die Zukunft der Kirche entscheidenden Versagenszusammenhang der LÜGE überführt worden. Welch ein Absturz.
so wehrlos wäre der staat nicht. da joseph ratzinger deutscher beamter ist, kann das bayerische staatsministerium für wissenschaft und kunst als sein dienstherr ein disziplinarverfahren einleiten. das geht auch bei beamten im ruhestand. wenn der dienstherr ein dienstunwürdiges verhalten feststellt – zum beispiel das krasse belügen der öffentlichkeit ganz aktuell, aber auch grundsätzlich die nähe zu rechts und antisemitismus (ratzinger ist ja ein anhänger der substitutionstheorie, auch wenn er das bestreitet, weil es im lthk kein lemma substitutionstheorie gibt – auch für rechts gilt ja der radikalenerlass) – kann er als pensionist zwar nicht mehr entlassen werden, aber sein dienstgehalt kann gekürzt werden.
nebenbei: der freistaat weigert sich bis heute die genauen daten zur beamtenpension von ratzinger anzugeben.
ich lobe mir da auch das kirchenrecht, würde es nur angewandt. denn jetzt müsste joseph ratzinger schlicht laisiert werden. die böse saat, die er ausgesät hat, die holt ihn jetzt ein.
Besser und schneller: Papst Franziskus überweist die Staatspension, die Ratzinger erhält, gleich einem Opferfonds. Ansonsten kann ich nur danken für die klugen Ausführungen zum Beamtenrecht. Ich glaub zwar nicht recht, dass sich der Freistaat das traut, aber es wäre ein Weg die außerordentliche moralische Verwerflichkeit der Handlungen Ratzingers zu sanktionieren.
Alberto Knox:
– hochinteressant: der Aspekt des Beamtenstatus von Ratzinger war mir in den normalerweise (d.h. bei einem gewöhnlichen Beamten) disziplinär zu verhängenden Masznahmen so nicht bewusst. Nur wird es wohl darauf hinauslaufen, dass der „Dienstherr“ ihm nicht an die Karre geht. Wie üblich „die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen“… Beachtenswert auch, wie schnell dieser entsetzliche Skandal von den ersten Seiten bzw. den Aufmachern der Medien verschwunden und nur noch als Randnotiz auftaucht. Spiegelt wohl allzu deutlich den schwindenden Stellenwert der Institution Amtskirche in der Bevölkerung wieder. Die Gläubigen aber sollten sich fragen „who is to blame?“ und endlich ihre Konsequenzen ziehen. Eine Kirche funktioniert auch ohne die sich selbst hochgejubelten Vortänzer. Diese werden vom Nazarener (Matth. 23,8-10) unmissverständlich gewarnt: „Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn (nur) einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemanden euren Vater (Pater, Padre, Papst) heissen auf Erden; denn (nur) einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht lassen Lehrer nennen; denn (nur) einer ist euer Lehrer, Christus“. Und was wurde Realität ? Der Klerus bedient/e sich selektiv nur jener Stellen im Neuen Testament, die ihm gerade passen. Wie praktisch…
Ich will nicht auf das Gutachten eingehen, dessen Seriosität ich nicht zu beurteilen vermag. Wenn auf das dienstrechtliche Verhältnis angesprochen wird, so frage ich mich, ob Benedikt nicht klug beraten gewesen wäre, auf jegliche deutsche Pension zu verzichten, als er Papst wurde – meine Frage an Herrn Erbacher, hat er dies vielleicht getan?
Eine „Nähe zu rechts“ – ich dachte immer, links, rechts, Mitte, die Gesäßgeographie der französischen Nationalversammlung sei ganz normal, während der Extremismus das Problem sei – ist ein sehr schwammiges Kriterium, um einem Beamten die Pension abzuerkennen. Vermutlich würde auch ein Gericht auf einer so fadenscheinigen Grundlage eine Aberkennung zurückweisen, aber vor Gericht ist man bekanntlich in Gottes Hand, im besten Deutschland aller Zeiten mehr denn je. Was die Substitutionstheorie angeht: Ein jüdischer Bekannter lobte die Päpste JPII. und Benedikt, weil ihnen das Verhältnis zum Judentum sehr am Herzen gelegen habe und weil sie jeden Antijudaismus in der Doktrin zurückgewiesen hätten. Vermutlich kannte sich dieser Bekannte nicht so gut aus wie Sie…
Den papa emerito zu laisieren – das würde bestimmt innerkirchlichen Frieden bringen. Vielleicht könnte man ihn nach seinem Tod so behandeln wie Papst Honorius…
Die Barmherzigkeit der Barmherzigkeit Predigenden scheint grandios zu sein.
Ein Punkt noch: Die Progressiven machen den „Klerikalismus“ in der Kirche für die zahlreichen „Missbrauchsfälle“ verantwortlich (man kann diesen Begriff nur in Anführungszeichen setzen, da es keinen legitimen „Gebrauch“ von Personen gibt), die Konservativen die laxe Sexualmoral der 1970er Jahre. Ich denke, es ist eine falsche Vorstellung von Barmherzigkeit gewesen. „Brüder im Nebel“ – so benannte der verstorbene Kardinal Meisner diese Leute. Nein, es waren keine „Brüder im Nebel“, es waren verbrecherische Kinderschänder.
Hans Küng überführt Josef Ratzinger der LÜGE!
Eine Ironie des Schicksals.
In einer Besprechung in der es u. a. um die Versetzung des Mißbrauchtäters von Essen zum Bistum München ging, in der J. Ratzinger beteuert, nicht dabei gewesen zu sein, werden Aussagen protokolliert zum sog. Fall Küng. Diese Aussagen konnten nur von J. Ratzinger erfolgt sein, da er in dieser Sache involviert war und hierzu Aussagen von Papst J. II zitierte. Für die Anwälte des Münchner Gutachtens und div. deutsche Rechtsgelehrte steht daher fest, dass J. Ratzinger an dieser Besprechung persönlich teilgenommen hatte und demzufolge auch über das ebenfalls in dieser Besprechung erörtete Thema der Übernahme des Mißbrauchstäters Bescheid wußte. Er widerspricht „strikt“ (Zitat). Unfassbar!
Inzwischen betet J. Ratzinger für die Opfer der Mißbrauchstäter! Das ist absurd, ja zynisch. Wie kann ein Katholik für ein Opfer einer Tat beten, für die er Verantwortung trägt. Dem voraus müßte zwingend nach der christlichen Lehre REUE erfolgen. Er müßte für sich selbst beten. Eine Entschuldigung habe ich von J. Ratzinger bis heute nicht vernommen. Und das alles von einer Person die mal „unfehlbar“ in der Funktion als Papst war. Da muß man doch H. Küng recht geben, an der Unfehlbarkeit des Papstes sind berechtigte Zweifel angebracht.
Mir ist in diesem Zusammenhang die stete Bitte von Papst Franziskus, man möge für ihn beten, sehr willkommen. Hat er doch offensichtlich noch das Empfinden, dass auch er als Papst Fehler machen kann. Mal sehen, ob er in dieser Sache Fehler macht. Er sollte m. E. hier zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Sollte Kardinal Marx erneut seinen Rücktritt anbieten, so sollte der Papst diesen Antrag zustimmen und gleichzeitig alle Bischöfe die beschuldigt werden sofort vorläufig „beurlauben“ bis zur endgültigen Klärung der Sachlage.
„Sollte Kardinal Marx erneut seinen Rücktritt anbieten, so sollte der Papst diesen Antrag zustimmen.“
Sollte Kardinal Marx wirklich ein weiteres Mal zurücktreten wollen, so würde er zuvor mit Franziskus ein Vier-Augen-Gespräch führen. Nachdem er in Rom wichtige Funktionen wahrnimmt und qualifizierte Bischöfe mit Format rar sind, gehe ich davon aus, dass der Papst nicht auf Marx verzichten will.
Entscheidender dafür, wie es mit der deutschen Kirche weiter geht, scheint mir die Causa Woelki zu sein. Wenn ich mir das engagierte Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl anschaue, so kann ich mir gut vorstellen, warum Woelki deren Arbeit zurückwies.
Wenn Woelki wie – Stand jetzt – am Aschermittwoch wieder die Amtsgeschäfte aufnehmen sollte, dann ist in der Erzdiözese Köln die Hölle los.
Beim Überfliegen des Gutachtens, insonders der Fälle, tritt, besonders in den Formulierungen, aussagekräftig das starke Zeitkolorit jener Jahrzehnte hervor. Das fände sich vermutlich anders und doch auf eigene Weise ähnlich in nichtkirchlichen Kontexten derartiger Taten. Vertuschung und personell-institutioneller Selbstschutz standen überall ungut im Vordergrund. Die Akteure waren Handelnde ihrer Zeit. Ob die Vorgehensweisen in kirchlichen und nichtkirchlichen Zusammenhängen dabei so verschieden waren, möchte ich zunächst bezweifeln. Möglicherweise leicht zeitversetzt. Worin sich kirchliche Spezifika unterscheiden, müsste dazu noch tiefgehender als es dort geschieht, geschehen kann, untersucht werden. Ist Mißbrauch in dieser Dimension überhaupt eine vorrangig katholische Erscheinung, wie die Medienberichte weltweit (interessant!) nahezulegen scheinen? Wie sieht es in nichtkirchlichen institutionellen Kontexten denn aus? Hier wird zwar auch berichtet, aber in der Fläche verstreuter und nicht fokussiert an der Medienfront; womöglich in der Summe nicht geringer? Z.B. ärztlicher Mißbrauch an einem Uniklinikum vor ein paar Wochen, auch hier berichtete das ZDF zwar, von einem „Kartell des Schweigens“ ist die Rede; auch die Staatsanwaltschaft wäre involviert. Oder anderswo ein Grundschulrektor, dort ein KITA-Leiter und da ein Erzieher. Alles in nichtkirchlichen Kontexten. Berichtet wird, unter ferner liefen. – Man gebe mal zur z.B. Google-Recherche folgende Stichwörter ein: Lehrer + Mißbrauch + beliebiges Ober- oder Mittelzentrum in Deutschland. In der Bevölkerung entsteht so eine völlig verzerrte Wahrnehmung, Mißbrauch wird zu einer primär katholischen Erscheinung gestempelt. der Mob auf die „Kinderfickerkirche“ gehetzt, tausende Geistliche prä-diffamiert. Dazu weitestgehende und sachlich noch ungedeckte Kurzschlüsse zu Systemik, Reformen, Klerikalismus und Zölibat. Stereotype, die zu Instrumentalisierungen neigen. Wie sieht es übrigens in evangelischen, ja muslimischen, jüdischen, interessant auch buddhistisch-klösterlichen Kontexten (allerdings international) oder säkularen aus? Whataboutism, aber dennoch! Überhaupt diese Gegenüberstellung: hier die böse Kirche, dort der aufklärende und aufgeklärte Staat, wahlneuerdings erst recht. Hätte man gern. Unser Staat ist Rechtsnachfolger der DDR, warum liest man eigentlich so wirklich wenig von den Jugendwerkhöfen und hier und dort Pharmaexperimenten? Wie entschädigen Staat vs. Kirche eigentlich? – Das alles ist schrecklich, aber in der medialen Aufarbeitung steckt der Wurm (wenn nicht die böse Schlange).
Ich empfehle die ZDF-Dokumentation „Dunkelfeld“. Hier wird das Thema in seiner ganzen Breite behandelt: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/dunkelfeld-kindesmissbrauch-in-deutschland-102.html
@Zufälliger Gastleser 22.01. 20:53
– da können Sie noch so viele Relativierungsversuche starten wie sie wollen, es funktioniert nicht. Die Amtskirche hat sich selbst einen so hohen moralischen und ethischen Standard „über allen“ angemasst, dass ihr der nun auf die Füsse fällt. Oder wollen Sie diese sich selbst „Allein seligmachend nennende Kirche“ allen Ernstes mit anderen, auch säkularen Einrichtungen vergleichen ? Mein unmassgeblicher Rat an die Gläubigen: Lebt Euren Glauben unabhängig von der Amtskirche, deren Priesteradel sich sowieso total gegen die unmissverständliche Warnung Jesu etabliert hat (siehe mein Zitat Matth. 23. 8-10 vom 22.01 16:02). Es sei denn, das Neue Testament verbreitet Lügen. Aber das sollen Christen wie Sie mit sich selbst ausmachen…
Tja, die übliche Strategie. Verharmlosen, ablenken, Schuld auf andere Schieben. ABER: Josef Ratzinger HAT MORALISCH VERWERFLICH GEHANDELT. Durch VERTUSCHUNG und LÜGE. Und das fällt auf alle zurück, die diesen falschen Propheten verehren und seinem falschen Kirchenbild anhängen.
„Wer sich jetzt schützend vor Benedikt stellt, brüskiert erneut diejenigen, die der Kirche und ihren Vertretern einmal vertraut haben oder wieder vertrauen lernen wollen, obwohl ihr Leid unbeachtet blieb. Verbrechen, die ungesühnt und unbestraft bleiben, hinterlassen Spuren. Lebenslang. Heilung und Versöhnung: Anbefehlen lassen sie sich nicht. Christen können darum beten.“
So trefflich schrieb Andreas Batlogg!
KAnn es sein, das diese ganzen abstrusen Erklärungen von Benedikt XVI , Aussagen eines doch schon senilen Menschen sind, die Georg Gänswein, ihm in den Mund gelegt hat? Nur so lässt sich für mich so etwas erklären.
@Mechtild Humpert 22.01. 21:00
– Pardon, das wäre zu einfach und den Missbrauchten ein Schlag in’s Gesicht: ein Ratzinger dem (ua. von Gänswein) nachgerühmt wird, immer noch vollen Geistes Bücher zu schreiben, darf man jetzt nicht die Senilität als Brücke zubilligen, um aus dieser schlimmen Sache heraus zu kommen…
Die Erklärung, dass Josef Ratzinger doch bei der Sitzung dabei war, ist ja so geschrieben, als wenn diese von Gänswein käme (3. Person).
Mich hat geschockt, wie es zu der Aussage kommen kann, wenn keine Berührung stattgefunden hatte, wäre es kein Missbrauch. Ich bin Rentnerin und stelle mir gerade vor, ein Priester entblößte sich als kleines Mädchen vor mir und fing an zu mastubieren!
Welch’ein Schock!
Herr Erbacher – bitte: Stand dies wirklich früher im Kirchenrecht? Ich weiß, man darf nicht verlinken, aber ich habe dies aus der SZ (können Sie ja wieder rauslöschen)
Wenn ja, ich mag mir gar nicht ausmalen, wie oft dies wohl ausgenützt worden sein könnte.
„Mich hat geschockt, wie es zu der Aussage kommen kann, wenn keine Berührung stattgefunden hatte, wäre es kein Missbrauch.“ Das ist halt ein ECHTER RATZINGER. Ähnlich wie seine Aussagen zu Böckle: Einfach nur voller Niedertracht. Der war schon immer so, und jetzt sehen es alle. Die 68er und die Sexualaufklärung seien schuld am Missbrauch, hat Ratzinger vor ein paar Jahren fabuliert. Dabei ist hier wie andernorts die Masse an Missbrauch weit vor den 60ern geschehen.
Es braucht eine Entratzingerisierung dieser Kirche, so wie es eine Entstalinisierung brauchte.
Das glaube ich auch. Wer hätte den Opfern geglaubt und wenn der Pfarrer niemanden berührte war ja alles gut.
BENEDIKT REAGIERT PANISCH
Benedikt räumt heute ein, „dass er, entgegen der Darstellung im Rahmen der Anhörung, an der ORDINARIATSSITZUNG am 15. Januar 1980 teilgenommen hat. … Er möchte betonen, dass dies nicht aus böser Absicht heraus geschehen ist, sondern Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme war.“
Betrachtet man allerdings den Kontext der Falschangabe in seiner Stellungnahme, so tischt uns der Emeritus eine weitere LÜGE auf.
Der Gutachter stellte Benedikt schriftlich folgende FRAGE:
„Hat der Personalreferent die Anwesenden in der Ordinariatssitzung vom 15.01.1980 darüber informiert, warum der Priester (Peter H.) sich einer psychisch-therapeutischen Behandlung unterziehen musste? …“
ANTWORT: „Da ich an der Ordinariatssitzung vom 15.01.1980 NICHT TEILGENOMMEN habe, kann ich zu den Ausführungen des Personalreferenten im Rahmen der Sitzung keine Aussage machen.“ (Gutachten Sonderband, S. 147)
Die Nicht-Teilnahme an der Sitzung vom 15.01.80 ist offensichtlich ein Pfeiler von Benedikts VERTEIDIGUNGSSTRATEGIE. Ich vermute, dass ein Berater Benedikts einem Fehlschluss unterlag. Aus der Frage des Gutachters: „Haben Sie an der Ordinariatssitzung vom 15.01.1980 teilgenommen?“ könnte man ableiten, dass dem Gutachter das Protokoll der nämlichen Sitzung nicht vorliegt.
Wird höchste Zeit, dass Rom sich meldet, sonst breitet sich der Flächenbrand noch weiter aus.
Der Heilige Vater, geliebt von Konservativen, Reaktionären und Rechtsradikalen, ist der Vater der Lüge geworden. Erstaunlich.
A.Reik 25.01 9:41
– Und wird selbstverständlich von Steinzeit-Kardinal Ludwig Müller, Regensburg und Bischof Oster, Passau in Schutz genommen (siehe Süddeutsche). Ansonsten jedoch ist Ratzinger aus den Medien so gut wie verschwunden. Zeigt deutlich die schwindende Bedeutung der röm.-kath. Kirche in unserer Zeit, nur hat das Rom immer noch nicht genmerkt…
„Der Heilige Vater… ist der Vater der Lüge geworden.“
Es geht um die Jahre 1977 bis 1982. Erzbischof Ratzinger hat damals nicht anders gehandelt, wie seine Mitbischöfe weltweit auch. Die Missbrauchsbetroffenen wurden zugunsten einer unbefleckten KLERIKERKIRCHE ein zweites Mal traumatisiert und für die angebliche Heiligkeit der Kirche geopfert. Man kann da von einer PERVERTIERUNG oder Pathologie DES SYSTEMS sprechen. Viele Bischöfe stimmen beim heutigen Kenntnisstand dieser Analyse zu.
Benedikt XVI. meint allerdings die HEILGKEIT DES PAPSTAMTES hochhalten zu müssen und scheitert gegenwärtig mit seinem Versuch, sein VERTUSCHEN als Erzbischof zu VERTUSCHEN.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet in der Ordinariatssitzung, an der er angeblich nicht teilnahm und dann doch wieder teilnahm, der Fall Küng auftaucht. HANS KÜNG wurde von den Hierarchen der Kirche verwiesen, weil er die UNFEHLBARKEIT DES PAPSTES in Frage gestellt hatte.
Nach der Weigerung Benedikts, reinen Tisch zu machen, ist das Sprechen von päpstlicher Unfehlbarkeit nur noch eine Lachnummer.
Ja, ich finde, Ratzinger hatte immer schon etwas Diabolisches.
Zurecht werden die verliehenen Ehrenbürgerwürden und Straßennamenbenennungen für Ratzinger nun in Frage gestellt und hoffentlich zurückgenommen. Wer nicht nur Missbrauch vertuscht und verharmlost hat, darf nicht geehrt sein. Wie kann man nur jemanden (ver-)ehren, der einen Priester, der sich vor einem 11jährigen Mädchen selbst befriedigt, damit verteidigen, er habe das Mädchen ja nicht angefasst? Da ist die Ratzingerverehrung ja genauso moralisch verwerflich, ja pervers, wie die widerlich-teuflische Aussage von Ratzinger selber.
Suarez 27.01. 8:24
– Zutreffend ! Die Verteidigung des erwähnten pädophilen Priesters durch die völlig absurde Missbrauchsinterpretation Ratzingers zum Tatbestand sollten seine Regensburger Anhänger unbedingt noch einmal überdenken. Den sich damit nur demaskierenden Papa emérito als obersten Verharmloser, Vertuscher, Leugner und nachgewiesenen Lügner noch zu ehren, wäre schon total daneben…
Wer hätte gedacht, dass Ratzinger einmal als Schwindler auffliegt. Und in einer Liga mit dem Borgia-papst Alexander VI. spielen würde, der auch nachweislich schriftlich log. Einziger Unterschied: Der eine als Papst, der andere als ehemaliger Papst. Immerhin war Alexander „ehrlicher beim Lügen“; er hat sich gar keine Mühe gegeben, die Unwahrheit zu vernebeln.
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