Papst Franziskus kritisiert Umgang mit Geflüchteten
Es war der Höhepunkt des Aufenthalts von Papst Franziskus auf Zypern: die Begegnung mit Geflüchteten am Freitagabend in einer Kirche der Hauptstadt Nikosia. Einmal mehr fand das Kirchenoberhaupt deutliche Worte. Er verurteilte Sklaverei und Folter in Flüchtlingslagern und kritisierte die Gleichgültigkeit des Westens gegenüber dem Schicksal der Migranten. Diese Haltung bezeichnete er als „schwere Krankheit“, gegen die es kein Antibiotikum gebe. „Es ist der Krieg von heute“, so Franziskus, angesichts dessen man nicht schweigen könne. Am Morgen rief er beim Treffen mit den Kirchenoberen der orthodoxen Kirche auf Zypern zu mutigen Schritten in der Ökumene auf. „Lassen wir uns nicht von der Angst lähmen, uns zu öffnen und mutige Zeichen zu setzen, geben wir uns nicht jener „Unversöhnlichkeit der Unterschiede“ hin, die sich nicht im Evangelium widerspiegelt!“
Papst kritisiert Stacheldraht an Grenzen
Franziskus wird nicht müde, die Situation der Migranten in den Fokus der Weltöffentlichkeit zu rücken. Deshalb machte er sich einmal mehr auf, um mit der aktuellen Reise auf das Schicksal der Menschen hinzuweisen. Dabei scheut er vor scharfen Worten nicht zurück. Die Menschen klagten, wenn sie über die Lager des vergangenen Jahrhunderts sprächen, die Lager der Nazis, Stalins. „Wir beklagen uns und sagen: ‚Aber wie konnte das geschehen?‘ Brüder und Schwestern, es passiert heute“, erklärte Franziskus mit Blick auf die Flüchtlingslager und die Situation der Geflüchteten auf ihrem Weg. Viele endeten in Lagern, die Orte der Folter und der Sklaverei seien. Das sei die Geschichte der „entwickelten Welt, die wir Westen nennen“. Er verurteilte den Stacheldraht, mit dem Grenzen gesichert werden und bezeichnete ihn als ein Zeichen des Hasses. Die scharfen Worte standen nicht im vorbereiteten Manuskript. Franziskus fügte sie spontan hinzu, entschuldigte sich am Ende der Ansprache für die Schärfe und fügte hinzu: „Wir können nicht schweigen und wegschauen angesichts dieser Kultur der Gleichgültigkeit“.
Grenzen zu überwinden, darum ging es auch zu Beginn des zweiten Besuchstags von Franziskus auf Zypern bei der Begegnung mit den Vertretern der orthodoxen Kirche. Selbstkritische Töne: „Jahrhunderte der Teilung und Distanz haben dazu geführt, dass wir uns, wenn auch unfreiwillig, nicht wenige feindselige Vorurteile gegenüber anderen angeeignet haben, Vorurteile, die oft auf unzureichenden und verzerrten Informationen beruhen und durch eine aggressive und polemische Literatur verbreitet wurden.“ Es gehe nun darum, sich „in Demut und Respekt wieder einander anzunähern“. Wie so oft setzt Franziskus dabei weniger auf theoretische Diskurse sondern auf die konkrete Zusammenarbeit in Caritas, Bildung und sozialer Gerechtigkeit. Wenn die Menschen unterschiedlicher Konfessionen Seite an Seite zusammenarbeiten, werde die Gemeinschaft „von selbst reifen“, ist der Papst überzeugt.
Nicht Kirche des Moralismus sondern der Barmherzigkeit
Mit Blick auf den weltweiten Synodalen Weg erklärte das Kirchenoberhaupt, dass die katholische Kirche von der synodalen Erfahrung der orthodoxen Kirche lernen wolle. Denn, so Franziskus, Verkündigung könne „nicht nur auf allgemeinen Ermahnungen, auf der Wiederholung von Geboten und zu beachtenden Normen beruhen, wie es oft geschehen ist. Sie muss dem Weg der persönlichen Begegnung folgen und auf die Fragen der Menschen, auf ihre existenziellen Bedürfnisse achten.“ Daher sei es wichtig, bevor man etwas sage, zuzuhören, sich in Frage stellen zu lassen und den anderen zu entdecken. Dies solle im Rahmen des Synodalen Wegs in der katholischen Kirche gelernt werden.
Beim Gottesdienst in einem Sportstadion in Nikosia ermutigte Franziskus die Katholikinnen und Katholiken, die Geschwisterlichkeit neu zu entdecken. Er warnte vor „der Gefahr eines gefühlsmäßigen, todernsten und jammernden Glaubens“. Vielmehr gehe es darum, die befreiende Wirkung des Glaubens deutlich werden zu lassen. „Es geht nicht um Proselytenmacherei, sondern um Zeugnis; nicht um Moralismus, der verurteilt, sondern um Barmherzigkeit, die umarmt; nicht um äußeren Kult, sondern um gelebte Liebe.“
8 Kommentare
Diversity is our strength – nun betet auch die Kirche dieses neue Dogma nach. Selbstverständlich keine diversity, was den Kultus angeht, den traditionelle Katholiken pflegen wollen. Da hört die Diversity dann auf. Was die Vergleiche mit Hitler und Stalin sollen, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Kein Mensch begab sich freiwillig in die Vernichtungslager und die Gulags. Inzwischen kann man sich schämen, Katholik zu sein.
Als Katholik muss man sich eher vor solchen Kommentaren schämen.
Maria 2.0? Egal. Auch wenn Sie mir nicht sagen, was an meinem Posting zum Schämen ist, ich werde aber erläutern, was mir an diesem Papst nicht gefällt. Er klingt oft nicht wie das theologisch gebildete Oberhaupt von 1,2 Mrd. Katholiken, sondern wie ein „Millenial Socialist“ aus dem Westen. Fußte die katholische Soziallehre Leos XIII. auf einer intensiven Betrachtung des Mainstream-Kapitalismus und seiner Schwächen – man könnte ihn eine Antipode Karl Marx‘ nennen -, die Pauls VI. und JP II. auf philosophischen Lehren (der Personalismus J. Maritains bei Montini, die Phänomenologie Husserls bei Wojtyla), so beruht die Soziallehre Bergoglios auf einem schwammigen Sozialromantizismus, einem modisch aufgepeppten Herz-Jesu-Sozialismus, dem aber – daher ist er kein Marxismus – jegliche analytische Klarheit abhanden gekommen ist und der sich daher als Projektionsfläche für viele unterschiedliche Vorstellungen eignet. Irgendwie sind die Armen und Migranten gut, die Mächtigen, die Bürger und vor allem die konservativen Katholiken schlecht. Die Ironie besteht darin, dass der Papst, wie keiner seiner Vorgänger, die Agenda der Mächtigen betreibt – und sich im Übrigen auch gerne mit ihnen ablichten lässt, wenn sie nicht gerade Donald Trump heißen. Ob ihm diese Ironie bewusst ist? Keine Ahnung, denn was seine geistigen Gaben angeht, bin ich mir bei diesem ersten Jesuiten auf dem Papstthron alles andere als sicher.
Sind Sie wirklich der Meinung, dass der Ton, in dem Sie schreiben, einer ist, den Katholiken pflegen sollen?
Wann wurde die Diversität denn dogmatisiert? Und durch wen?
Was der Vergleich zwischen „Diversity“ und “Traditionis custodes” (nur als Stichwort) soll, erschließt sich mir auch nicht.
Was erschließt sich Ihnen denn nicht, in dem „Vergleich“ des Papstes?
Dass es beides Mal um Menschen geht? Um leidende Menschen?
Die unter den unwürdigsten Bedingungen leben müssen?
Wenn man sich nur ein klein wenig einfühlt, dann ist das gut nachzuvollziehen. Und das macht der Papst, er sieht den/die Menschen – auch wenn er oft nicht so klingt, wie Sie sich ein theologisch gebildetes katholisches Oberhaupt vorstellen.
Ihr Argument der (fehlende oder „vorhandenen“??) Freiheit ist einfach nur zynisch. – Kein Mensch begibt sich freiwillig in ein Flüchtlingslager. Glauben Sie ernsthaft Menschen begeben sich freiwillig auf die Flucht?
Ist es gut katholisch, sich dem „Oberhaupt“ gegenüber so überheblich zu zeigen, indem man seine „geistigen Gaben“ anzweifelt?
Ihre geistigen und „herzlichen“ Gaben weisen Sie durch das, was Sie schreiben deutlich aus, da kann ein jeder sich selber ein Bild machen.
Ein letztes noch, Bernardo, meinem Eindruck und Erleben nach hat Papst Franziskus „das Leben Jesu“ auf seiner Agenda.
Nix für ungut! Behüt‘ Sie Gott!
Danke für Ihren Kommentar, Maria. Als Katholik kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen!
Vielleicht sollte der Papst „höchst dringlich“ den Umgang der Kirchenfürsten mit den Missbrauchsopfern kritisieren ? Man kehre erst einmal vor der eigenen Tür, dann kann man weitersehen. Sonst wird man (oder ist es schon) unglaubwürdig…
Sehr gut, dass der Papst selbstkritisch ist und statt von der belehrenden von der lernenden Kirche spricht. Da braucht es mehr davon!
Dieses Geflüster ist symptomatisch für die Bedeutung der röm.-kath. Kirche. Sie geht so allmählich gegen Null. Irgendwie schade aber eben doch Realität…
Kommentare geschlossen
Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.