Religionen für Umwelt, Bildung und Frieden

Im Vatikan herrschte in dieser Woche Hochbetrieb beim Schmieden interreligiöser Allianzen. Das Ganze gipfelte am Donnerstag in einem gemeinsamen Friedensappell, der die Gedanken der Ökologie und der Bildung mit aufgriff, um die es in eigenen Veranstaltungen zu Beginn der Woche bereits ging. Am Montag unterzeichneten erstmals Vertreter nahezu aller großen Weltreligionen einen gemeinsamen Klimaappell. Tags darauf sprach der Papst mit Religionsvertretern über einen globalen Bildungspakt. Am Donnerstag dann der feierliche Abschluss des Nachfolgetreffens von Assisi für Frieden in der Welt. Dabei wurde scharfe Kritik an der Ungleichverteilung der Corona-Impfstoffe sowie dem Handel mit Waffen laut. Bundeskanzlerin Angela Merkel ermutigte bei der Veranstaltung am Kolosseum in Rom dazu, trotz der vielen Konflikte weltweit nicht zu resignieren: „Denn nur wer Frieden sucht, kann auch Frieden finden, so langwierig und schwierig die Suche auch ist.“ „Fratelli tutti“ ganz praktisch wurde in dieser Woche in Rom erlebbar.

Zwei, die sich verstehen. Papst Franziskus und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag im Apostolischen Palast. Zuvor hatte Merkel das Kinderschutzzentrum der Päpstlichen Universität Gregoriana besucht, eine der weltweit führenden Institutionen für Prävention im Bereich sexualisierter Gewalt. (Quelle: VaticanMedia/dpa)

Dialog der Religionen und die DNA kirchlichen Diplomatie

Welche Macht haben die Religionen? In den Augen vieler Menschen haben sie vor allem eine zerstörerische und spaltende Macht. Um dieser Idee, die allzu oft auch blutige Realität ist, entgegenzuwirken, versucht der Papst Allianzen zu schmieden mit denen, die Verantwortung übernehmen wollen für eine gerechte und friedliche Zukunft. Franziskus hat dieses Vorgehen nicht erfunden. Es gehört spätestens seit der Zeit von Johannes Paul II. zur DNA vatikanischer Diplomatie und der religiösen Dialoge, die die katholische Kirche führt. Dass es dabei Hochs und Tiefs gibt, ist selbstverständlich. Dass das Ganze oft eine Gratwanderung ist, zeigt sich immer wieder. Wer steht als Partner zur Verfügung bei den einzelnen Religionen? Welche Akzeptanz haben die Personen in den eigenen Reihen? Wie stehen sie wirklich zum Dialog, zur Religionsfreiheit und der Absage an jegliche Form des Fundamentalismus sowie der Gewalt im Namen der Religion? Der interreligiöse Dialog braucht Mut und auch die Päpste müssen immer wieder Lehrgeld zahlen. Doch Franziskus ist überzeugt, es gibt keine Alternative.

Am Montag trafen sich rund 40 Religionsvertreter mit Wissenschaftlern, um im Vorfeld der UN-Klimakonferenz Anfang November in Glasgow einen eindringlichen Appell an die Politik zu richten. Darin rufen sie dazu auf, weltweit die Klimaschutzmaßnahmen zu intensivieren. Sich selbst verpflichten sie dazu, eigene Klimaschutzmaßnahmen zu verstärken sowie unter den Gläubigen das Wissen und das Engagement zu fördern. Bei dem Treffen im Vatikan waren neben Vertretern der drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und sunnitischem wie schiitischem Islam, auch Repräsentanten des Sikhismus, Hinduismus, Buddhismus, Taosimus, Konfuzianismus, Zoroastrismus und Jainismus dabei. Der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Joachim von Braun, stellte bei dem Treffen fest, dass sich die Wissenschaften beim Klimawandel schon lange einig seien, „seit heute kann man sagen: auch die Religionen sind sich in dieser Frage einig“.

Inklusive und offene Bildung

Am Dienstag folgte der nächste Akt. Die Religionsvertreter berieten über eine Bildung im Sinne einer „universalen Geschwisterlichkeit“. Dazu gehöre etwa zu vermitteln, „dass Männer und Frauen die gleiche Würde haben“. Dass bei einige Religionen hier in den Augen vieler Menschen ein Glaubwürdigkeitsproblem besteht, angesichts des Umgangs mit Frauen und ihren Möglichkeiten, gleichberechtigt alle Ämter und Aufgaben auszuüben, ficht die Religionsvertreter nicht an. Der Papst betonte bei dem Anlass, sämtliche Formen von Fanatismus und Fundamentalismus seien ebenso zu verurteilen, wie umgekehrt das Recht eines jeden Menschen zu verteidigen sei, nach seinem Gewissen zu entscheiden und zu handeln. Die Religionen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Prägung von Geisteshaltungen durch alle Generationen hindurch. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich auf eine inklusive und offene Bildung verpflichten. Sie müssen aber auch garantieren, dass diese Vorgaben in den eigenen Reihen umgesetzt werden bis an die Basis.

Das gilt auch für die Frage, wie die Anhänger der unterschiedlichen Religionen miteinander umgehen. Vom Abschluss des Friedenstreffens am Kolosseum in Rom am Donnerstagabend ging einmal mehr die Botschaft aus, dass ein friedlicher und respektvoller Dialog möglich ist. Dabei verleugnet niemand seine eigene religiöse Tradition. Auch hier war wieder der Gedanke leitend, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind. Papst Franziskus rief bei dieser Gelegenheit zur „Entmilitarisierung der Herzen“ auf. Zudem müsse die Mentalität des „das-ist-nicht-mein-Problem“ überwunden werden. „Weniger Waffen und mehr Lebensmittel, weniger Heuchelei und mehr Transparenz, mehr gerecht verteilte Impfstoffe und weniger unbedacht verkaufte Waffen“, forderte das Kirchenoberhaupt.

Religionen für den Frieden

Religionen haben Macht. Sie müssen sie im guten Sinne nutzen. In Lindau fand in dieser Woche ein Treffen der Organisation „Religions for Peace“ statt, in Rom das interreligiöse Friedenstreffen von Sant’Egidio sowie die vatikanischen Aktivitäten zu Ökologie und Bildung. Es zeigt, dass es in den Religionen immer mehr Vertreter gibt, die sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind und das friedensstiftende Potential der Religionen heben möchten, trotz ständiger Rückschlage und immer neuer Gewalt und Ausgrenzung im Namen eines Gottes oder einer religiösen Ideologie.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.