Keine Ohrfeige aus Rom

Die Deutsche Bischofskonferenz trifft sich in Fulda zu ihrer Herbstvollversammlung und rechtzeitig dazu kommt Post aus Rom. Die Glaubenskongregation äußert sich kritisch zum Papier des Ökumenischen Arbeitskreises zum Abendmahl. Unter dem Titel „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ hatten katholische und evangelische Theolog*innen im September 2019 Wege aufgezeigt, wie eine wechselseitige Teilnahme am Abendmahl und der Eucharistie möglich sein kann. Der Vatikan erteilt dem eine Absage. Bischof Bätzing, katholischer Co-Vorsitzender des Arbeitskreises und seit März Vorsitzender der Bischofskonferenz, zeigte sich heute in Fulda entspannt. Weniger entspannt werden die Diskussionen bei der Vollversammlung verlaufen. Es geht um den Synodalen Weg, die Entschädigung für Opfer sexuellen Missbrauchs und die Rolle der Kirche in der Corona-Krise.

Die Bischöfe tagen in diesem Jahr nicht im Priesterseminar sondern im Stadtschloss in Fulda. So können die Corona-Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. (Quelle: dpa)

Stimmung gut, Positionen kontrovers

Die Journalisten wollten es nicht glauben, was Bischof Georg Bätzing zum Auftakt der Beratungen am Dienstag bei der Pressekonferenz erklärte: „Die Stimmung ist gut“, so der Konferenzvorsitzende. Wie kann das sein angesichts des Briefs aus Rom, der scharfen Kritik einiger Bischöfe am Synodalen Weg und der medial ausgetragenen Diskussion über Weiheämter für Frauen zwischen dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Bischof Bätzing? Der Limburger Bischof wollte seine Aussage so verstanden wissen, dass man inhaltlich in vielen Punkten keine Einigkeit habe, doch er empfinde es als positiv, dass man sich die unterschiedlichen Positionen mitteilen könne und so eine offene Diskussion möglich sei.

Das dürfte am Mittwoch der Fall sein. Dann gibt es unter dem Titel „Konflikte und Perspektiven“ einen Studienhalbtag zum Synodalen Weg. „Wir brauchen das Gespräch unter uns Bischöfen“, so Bätzing. Diese wollen nach Wegen suchen, wie sie mit Konflikten konstruktiv umgehen können, „damit wir beisammenbleiben“. In den vergangenen Wochen gab es vor allem von Kardinal Woelki und dem Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp sowie dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer Kritik sowohl an der inhaltlichen Debatte als auch an Verfahrensfragen.  Unterschiedliche Vorstellungen gibt es unter den Bischöfen nach wie vor bei der Frage nach der Verbindlichkeit der Beschlüsse des Synodalen Wegs.

Dank an Protestierende

Bischof Bätzing erklärte in diesem Kontext, er habe keine Sorge, dass man sich auf dem Weg in eine deutsche Nationalkirche befinde. Die katholische Kirche in Deutschland sei Teil der Weltkirche. „Wir wollen keine nationalen Alleingänge“, betonte der Konferenzvorsitzende. Allerdings habe man sich die Themen des Synodalen Wegs nicht am grünen Tisch ausgedacht. Sie seien eine Folge der MHG-Studie und damit des Missbrauchsskandals. Es gehe darum, Blockaden wegzuräumen, die die Evangelisierung behindern. Bätzing würdigte die Proteste der Frauen und Betroffenen sexuellen Missbrauchs am Rande der Vollversammlung in Fulda. Die Bischöfe wollten das Gespräch suchen und sie hören.

Selbstkritisch zeigte sich Bätzing bei der Frage, wo die Kirche in der Lockdown-Phase der Coronakrise gewesen sei. „Es gibt Gruppen, bei denen wir nicht präsent sein konnten“, erklärte er und nannte Alte, Kranke und Sterbende als Beispiele. Die Bischöfe werden in diesen Tagen darüber beraten, wie das künftig anders sein könne. Dazu gebe es „Echtzeit-Analysen“, die ausgewertet werden. Der Limburger Bischof wies zugleich darauf hin, dass die Kirche auch im Lockdown an vielen Stellen aktiv gewesen sei etwa in den Einrichtungen der Caritas, in Kitas und Kindergärten oder in den Schulen. „Erschreckend“ bezeichnete Bätzing die hohen Kirchenaustrittszahlen. Die Konferenz wolle daher in diesen Tagen in Fulda darüber beraten, wie die Kirchenbindung der Menschen gestärkt werden könne. Bei der Frühjahrsvollversammlung in Dresden werde es dazu einen Studientag geben.

Optimistisch ist Bätzing, dass die Konferenz in Fulda die Neuregelung der Entschädigung von Missbrauchsopfern verabschiedet. Die Bischöfe sprechen allerdings nicht von „Entschädigung“ sondern von „Anerkennung erlittenen Leids“. Hier strebt man eine einheitliche Lösung für alle kirchlichen Einrichtungen in Deutschland an. Es soll ein unabhängiges Gremium geben, das die Fälle beurteilt und die Zahlungen vornimmt. Auf Summen wollte sich Bätzing nicht festlegen, erklärte aber, man wolle sich an Schmerzensgeldzahlungen staatlicher Gerichte orientieren. Hier geht es um Zahlungen von bis zu 50.000 Euro.

Bätzing steht zu Ökumenepapier

Den Brief der Glaubenskongregation zum Ökumenepapier des Ökumenischen Arbeitskreises sieht Bischof Bätzing nicht als „Ohrfeige aus Rom“. Er habe bei der Vorstellung des Papiers vor einem Jahr um Kritik gebeten. Diese sei nun aus Rom gekommen und man müsse den Theolog*innen Zeit geben, darauf zu reagieren. Wenn allerdings jemand sage „So nicht!“, dann müsse auch gesagt werden, „Wie dann?“, erklärte der Konferenzvorsitzende. Er sehe keinen Grund, seine positive Einschätzung des Papiers zu revidieren. Der vatikanische Ökumeneminister, Kardinal Kurt Koch, habe ihm in einem Gespräch vor einem Jahr zwar Bedenken zu dem Papier mitgeteilt, aber keine grundlegenden Einwände geäußert. Koch äußerte sich heute in einem Interview der Zeitschrift „Herderkorrespondenz“ kritisch zu dem Dokument und stellte sich hinter den Brief der Glaubenskongregation, an dessen Entstehen er mitgewirkt hatte.

Bei einer Pressekonferenz des 3. Ökumenischen Kirchentags, der im Mai nächsten Jahres in Frankfurt stattfinden wird, hatte heute Morgen das Präsidium, Bettina Limperg und Thomas Sternberg, betont, dass das Papier des Arbeitskreises Leitplanken gebe für die Veranstaltung. Es werde am Samstagabend konfessionelle Gottesdienste geben. Es stehe in der Verantwortung der einzelnen Teilnehmenden, sich für die Teilnahme an der Eucharistie oder des Abendmahls zu entscheiden. Hier sei das Gewissen der Einzelnen gefordert. Der Brief aus Rom ändere daran nichts, so ZdK-Präsident Sternberg. Der ÖKT soll trotz Coronakrise in Frankfurt stattfinden. Er werde zwar anders aussehen, als ursprünglich geplant und mehr digitale Anteile haben. Doch es werde derzeit mit den staatlichen Stellen ein Konzept erarbeitet, das eine Teilnehmendenzahl von bis zu 30.000 Menschen ermöglichen soll, so das Präsidium.

Erste große Bewährungsprobe für neuen Vorsitzenden

Der Limburger Bischof Georg Bätzing unterstützt diesen Kurs. Er ist als gastgebender Bischof des ÖKT Mitveranstalter. Zugleich muss er in seiner Rolle des Vorsitzenden der Bischofskonferenz vermitteln und moderieren – innerhalb der Konferenz und mit Rom. Er spüre den Druck, so Bätzing, der erst im März die Nachfolge von Kardinal Marx an der Spitze der Bischofskonferenz übernommen hat. Für den neuen gleicht es einem Drahtseilakt. Die Erwartungen an ihn und seine Mitbrüder sind hoch und könnten unterschiedlicher kaum sein. Als „mittlere Führungsebene“ sitzen sie in einer klassischen Sandwichpositionen zwischen der Basis und Rom und zugleich noch zwischen den unterschiedlichen kirchenpolitischen und spirituellen Strömungen. Für Bätzing ist die aktuelle Situation eine erste große Bewährungsprobe, liegt aus Rom ja auch noch die Instruktion der Kleruskongregation zur Rolle der Priester vom Sommer auf dem Tisch.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • Erasmus
    23.09.2020, 22:03 Uhr.

    Bischof Bätzing bringt offensichtlich das mit, was ein Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz braucht: Stehvermögen, gute Nerven und Ambiguitätstoleranz. Letzteres ist die Fähigkeit, Doppel- und Mehrdeutigkeiten auszuhalten.

    Wenn Bätzing äußert, „dass er es als positiv empfinde, dass man sich die unterschiedlichen Positionen mitteilen könne und so eine offene Diskussion möglich sei“, so ist daran zu erinnern, dass dies in der langen Zeit des Doppelregimentes von Papst Johannes Paul II. und dem Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, nicht möglich war. In dieser Zeit hat es die Kirche verlernt – Kontrastfolie ist das II. Vatikanum -, Spannungen auszuhalten und Konflikte in strittiger Debatte auszutragen.

    Ein Praxisbeispiel für das Austarieren unterschiedlicher Positionen ist ein Interview zur Frauenfrage, das Christiane Florin vergangenen Montag für den Deutschlandfunk mit dem Vorsitzenden geführt hat.

    Im Hinblick auf die päpstliche Direktive von 1994, dass Frauen zur Priesterweihe grundsätzlich nicht zuzulassen sind, fragt Christiane Florin:
    „Ist das für Sie eine Frage des Gehorsams gegenüber dem Papst und gegenüber dem Lehramt? Oder ist das auch Ihre innere Überzeugung, dass es richtig ist, Frauen vom Weiheamt auszuschließen? Bischof Bätzings Antwort:
    „Ich wurde schon als Priester und bin als Bischof im Gehorsam gebunden gegenüber der Lehre der Kirche. Papst Johannes Paul II. hat in diesem Schreiben deutlich gemacht: Das ist bindende Lehre der Kirche. … das ist insofern für mich eine Frage des Gehorsams. In Diskussionen … versuche ich, diesem Gehorsam zu entsprechen, indem ich die Argumente darlege, so wie sie genannt sind.“

    So weit war die Antwort erwartbar. Aber es geht noch weiter:
    „Ich sage aber auch dazu …, dass ich dabei wahrnehme, dass diese Argumente vielfältig nicht mehr aufgenommen werden. Und was ist eine Argumentation, die nicht verstanden oder nicht angenommen werden kann? Insofern sage ich: Für mich ist die Frage nicht abgeschlossen, sondern sie ist als eine offene Frage da in der Kirche und muss als solche auch behandelt werden.“

    Weiter unten bezieht Bätzing dann Position:
    „Wenn man sagt, der Sensus fidelium – der Glaubenssinn – ist in der Kirche wichtig, und er spielt auch eine Rolle in der Lehrentwicklung neben Schrift und Tradition und Lehramt. Dann nehme ich einfach wahr: Dieser Sensus ist nicht nur bei Frauen, sondern auch bei vielen Männern da, dass das als etwas Ungerechtes empfunden wird, dass es einen Ausschluss gibt auf dieser Ebene des Sakramentalen von Frauen. Insofern würde ich sagen: Da bin ich nicht nur Moderator, sondern das mache ich mir auch zu eigen.“

    Als BISCHOF ist Bätzing Teil der Hierarchie und gibt Auskunft über die kirchliche Lehre. Als VORSITZENDER ist er im Rahmen von Bischofskonferenz und Synodalem Weg Moderator und hat als solcher persönliche Überzeugungen hintanzustellen. Aber als SEELSORGER und MENSCH kommt er in der Zusammenschau unterschiedlicher Wahrnehmungsperspektiven zu einem Urteil, mit dem er nicht hinter dem Berg hält.
    Bätzing: „Das Diakonat für Frauen halte ich für sehr legitim.“

    Es bleibt zu wünschen, dass sich die Fähigkeit des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, disparate Rollenaspekte auszubalancieren, auch im Härtetest mit Rom bewährt.

    • Novalis
      24.09.2020, 18:12 Uhr.

      Ich sehe es auch so, die Zeit der Diskussionsverbote und Maulkörbe unter JP2 und B16 sind vorbei. Gut so. Letztlich wird sich auch die Kirche der biblischen, mithin von Gott gewollten Gleichheit der Geschlechter beugen müssen.

      P.S.: Warum ist das Papstgeflüster so schweigsam im letzten halben Jahr?

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        24.09.2020, 21:56 Uhr.

        Das Schweigen liegt schlicht an der fehlenden Zeit. Die personellen Ressourcen in der Redaktion sind knapper geworden. Aber ich hoffe, dass wir jetzt wieder öfters „flüstern“ können.

  • Heilbründl
    24.09.2020, 20:42 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher,
    schön, dass Sie wieder präsent sind!

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