Der Papst in Südostafrika – Tag 2

Papst Franziskus hat seinen Besuch in Mosambik mit einem eindringlichen Appell zur Versöhnung und mit der Forderung nach Chancengleichheit für alle begonnen. Beim Treffen mit Vertretern aus Politik, Diplomatischem Korps und Zivilgesellschaft sprach er von den „Waffen des Friedens“. Diese sieht er etwa im Einsatz für Schulbildung, für obdachlose Familien, für beschäftigungslose Arbeiter und Bauern ohne Land. Das anschließende interreligiöse Treffen mit Jugendlichen stand ebenfalls ganz im Zeichen der Versöhnung. „Eins sein über alles hinweg, was euch unterscheiden mag“, darauf komme es an, erklärte der Pontifex. „Groß ist die Macht der ausgestreckten Hand und Freundschaft“, zeigte er sich überzeugt. Er warnte die jungen Menschen davor, sich von Resignation und Angst leiten zu lassen, die auf einen „leichten, aber selbstzerstörerischen Pfad“ führten. Beim Treffen mit Klerus, Ordensleuten und Katecheten warb er für eine „alltägliche Pastoral“ des Mitleidens.

Nur wenn der Dialog der Religionen gelingt, ist Frieden in Mosambik möglich. (Quelle: Erbacher)

Chancengleichheit ist Schlüssel zum Frieden

Gleich zu Beginn forderte Franziskus die Mosambikaner auf, „Geschichte [nicht] in der Weise eines Bruderkriegs zu schreiben, sondern in der Fähigkeit, sich als Brüder zu begreifen“. Er sprach vom „Mut zum Frieden“, der ein Mut „hoher Qualität“ sei, die nicht in „roher Gewalt“ oder Nötigung bestehe, sondern „in der unermüdlichen Suche des Gemeinwohls“. Mit einem Zitat aus seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ erklärte der Papst, worin er die Wurzeln von Gewalt und Unfrieden sieht. „Ohne Chancengleichheit [finden] die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gemeinschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Intelligence geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können.“

Franziskus forderte dazu auf, „Fach- Gruppen- oder Teilinteressen“ zu überwinden. Das Thema Korruption sprach er nicht explizit an, obwohl verschiedene Hilfsorganisationen das im Vorfeld gefordert hatten. Franziskus beließ es bei allgemeinen Formulierungen. Die Reichtümer der Nation müssten „in den Dienst aller und insbesondere der Ärmsten gestellt“ werden. Schließlich bringe eine „Kultur des Friedens“ auch „eine produktive, nachhaltige und inklusive Entwicklung mit sich“. Franziskus erinnerte daran, dass „der Schutz der Erde zugleich Schutz des Lebens“ sei.

Präsident Filipe Jacinto Nyusi stellte in seiner Begrüßung ausdrücklich auch Vertreter der Opposition vor. Mosambik befindet sich aktuell im Wahlkampf für die Präsidenten- und Parlamentswahlen Mitte Oktober. Kritiker warfen dem Präsidenten vor, den Papstbesuch als Eigenwerbung zu nutzen. Franziskus begrüßte daher auch am Ende des politischen Termins eigens die prominentesten Vertreter der Opposition Ossufo Momade und Daviz Simango. Der Wahlkampf ist übrigens für die Zeit des Papstbesuchs ausgesetzt.

Versöhnung ist Thema des Tages

„Versöhnung! Versöhnung! Versöhnung!“ Minutenlange Sprechchöre der gut 5000 Jugendlichen bei der Ankunft des Papstes im kleinen Sport-Pavillon Maxaquene im Zentrum von Maputo. Die Darbietungen der Jugendlichen verschiedener Religionen hatten dann auch nur dieses eine Thema: Versöhnung. Der Papst griff den Faden in seiner Ansprache auf. „Es braucht uns mit unseren Unterschieden“, erklärte Franziskus. Er verglich die Situation der Gesellschaft mit der einer Mannschaft. Dort seien auch nicht alle gleich, hätten unterschiedliche Aufgaben und dachten verschieden. „Jeder Spieler hat seine besondere Eigenschaften.“ Leid entstehe dann, wenn sich einige das Recht herausnähmen zu bestimmen, „wer ‚spielen‘ darf und wer hingegen ‚draußen bleiben‘ muss“.

Einige verbrächten ihr Leben damit, „Trennung und Gegensätze zu schaffen“. „Eine geteilte und gemeinsam gefeierte Freude, die Versöhnung schenkt, ist das beste Gegenmittel, um diejenigen Lügen zu strafen, die Trennung, Spaltung oder Gegensätze schaffen wollen.“ Franziskus warb eindringlich für das „Wunder der Kultur der Begegnung“. Das bestehe darin, „Punkte der Übereinstimmung inmitten vieler Uneinigkeiten zu finden“ sowie in dem „sorgfältigen und zuweilen mühsamen Versuch, Brücken zu schlagen“. Er fordert dazu auf, auch in der Freundschaft mit denen zu wachsen, „die anders denken als ihr, so dass die Solidarität unter euch zunimmt und die beste Waffe wird, um die Geschichte zu verändern“.

„Habt keine Angst, etwas falsch zu machen“, rief der Papst den Jugendlichen zu. Man könne tausend Mal etwas falsch machen, dürfe aber nicht dem Fehler verfallen aufzuhören. „Die schönsten Träume erkämpft man mit Hoffnung, Geduld, Einsatz und Verzicht auf Eile“, ist Franziskus überzeugt. Die Jugendlichen sollten sich nicht von Unsicherheit blockieren lassen. Als Beispiel für einen Menschen, der trotz Probleme nicht resignierte, nannte Franziskus den berühmten mosambikanischen Fußballstar Eusébio da Silva. Abschließend ermahnte der Papst die Jugendlichen, auf das zu hören, was die älteren Generationen zu sagen haben. „Ihr müsst hingegen eure eigenen Schlüsse ziehen, aber dabei die hören und achten, die euch vorangegangen sind.“

Papst wirbt für „alltägliche Pastoral“

Beim Treffen mit Vertretern des Klerus, der Ordensleute, Seminaristen und Katecheten warnte Franziskus davor, „dem hinterherzulaufen, was uns zum persönlichen Nutzen gereicht“ oder „Beschäftigung mit garantierter Entlohnung den Vorzug [zu] geben“. Vielmehr müsse es darum gehen, „unser Leben der alltäglichen Pastoral zu widmen“. Es gehe um die „Fähigkeit zum Mitleid“ im Sinne einer Anteilnahme an Freud und Leid der Menschen, etwa der Freude der Verlobten, die heiraten, oder dem Lachen eines Kindes bei der Taufe. „Verwenden wir Stunden und Tage darauf, die AIDS-kranke Mutter zu begleiten, das als Waise zurückgebliebene Kind, die Großmutter, die sich um viele Enkelkinder kümmert, oder den Jugendlichen, der in die Stadt gekommen ist und verzweifelt ist, weil er keine Arbeit finden kann“, erklärte der Papst seinen pastoralen Ansatz.

Er warnte vor einer „spirituellen Weltlichkeit“, die „vom Reiz tausender Konsumangebote diktiert wird“. Vielmehr sollten die pastoralen Mitarbeiter Räume der Ruhe und Stille suchen, „die es dir möglich machen, nachzudenken, zu beten, die Welt um dich herum klarer zu sehen“. Er sprach sich für mehr Mut bei der Inkulturation des Glaubens aus. „Letztlich ist eine Verkündigung des Evangeliums anzustreben, welche eine neue Synthese des Evangeliums mit der Kultur, in der es mit deren Kategorien verkündet wird, hervorruft.“ Dabei lähme manchmal die Angst, was aber letztendlich zu „einer sterilen Stagnation der Kirche“ führen könne.

Papst wirbt für „Kultur der Begegnung“

Schließlich dürfe die katholische Kirche in Mosambik „nicht Teil des Problems von Kompetenzstreitigkeiten, Geringschätzung und Spaltungen sein, sondern muss vielmehr eine Tür für die Lösungen sein, ein Raum, wo Achtung, Austausch und Dialog möglich ist“. So durchzieht das Brückenbauen wie ein roter Faden die Reden des Papstes in Mosambik. Er spricht von einer „Kultur der Begegnung“, die sich in einer „vielgestaltigen Harmonie entfaltet“, „wo die Verschiedenheiten sich in einem gemeinsamen Vorhaben harmonisieren“ über die Grenzen von Ethnien, Religionen und auch innerkirchlichen Unterschieden hinweg. Franziskus anerkennt, dass dies eine große Herausforderung für die Kirche und die Menschen ist, sieht diese aber in der Verantwortung, die Dinge vor Ort zu lösen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

12 Kommentare

  • Erasmus
    06.09.2019, 2:12 Uhr.

    ÜBERZEUGENDER PONTIFEX

    Die Welt wäre ärmer, wenn es diesen Papst nicht gäbe. Franziskus löst das ein, wozu er die katholischen Gläubigen auffordert: An die Ränder zu gehen. Welche andere weltbekannte Führungsfigur könnte so überzeugend für Versöhnung, Friede und gesellschaftlichen Zusammenhalt eintreten.

    Dass das große Jugendtreffen in Maputo ein interreligiöses war, ist ein wichtiges Signal. Bei einem Ranking der Weltbank, bei dem es um die Chancen von Jugendlichen für den Start ins Erwachsenenleben geht, belegt Mosambik Platz 148 von 157. Den 5000 zum Teil tagelang angereisten Jugendlichen spricht Franziskus Mut zu. Sie sollten „mit den anderen, nie gegen die anderen“ träumen und sich darauf einstellen, dass es zur Verwirklichung von Träumen „Hoffnung, Geduld, Einsatz und Verzicht auf Eile“ bräuchte.

    Papst Franziskus verkörpert glaubhaft das, was mit Froher Botschaft gemeint ist. Auch wenn es nicht messbar ist, so könnten die von ihm eingebrachten Impulse in einem gebeutelten Land zu einem sensiblen Zeitpunkt ein wichtiger Beitrag zu einer besseren Zukunft sein.

  • Novalis
    06.09.2019, 14:34 Uhr.

    Danke für die schönen Bilder. Der Papst ist ein Mann kluger Worte: „Es braucht uns mit unseren Unterschieden“. Letztlich sind diese Worte seine größte Macht – und auch gleichzeitig die tiefste christliche Wahrheit: Die Versöhnung des Verschiedenen ohne Monotonie.

    • bernardo
      07.09.2019, 14:33 Uhr.

      Wunderbar – die „Versöhnung des Verschiedenen“… Gilt das jetzt auch für die Anhänger des Traditionalismus in der Kirche, zu denen ich mich übrigens nicht zähle, oder für die Vertreter eines evangelikalen Katholizismus wie George Weigel?

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        07.09.2019, 15:01 Uhr.

        Für Papst Franziskus ist ein Pluralismus innerhalb des Katholischen kein Problem.

        • Wanda
          07.09.2019, 17:31 Uhr.

          Man lese die offiziellen UN- und Hilfsorganisationen-Dossiers zu den wirklichen und gesellschaftsbedrohenden Problemen des Landes: eine der höchsten HIV-Zahlen auf unserem Planeten, die leider auch Kinder und Heranwachsende einschliesst, Kinder ohne jeden gesetzlichen Schutz, die Missbrauch, Kriegsdienst und Arbeitsausbeutung ausgeliefertr sind. Von der Situation der Frauen ganz zu schweigen. Dazu der unkontrollierte Bevölkerungszuwachs, der jeden Fortschritt schluckt und lähmt.
          Dagegen sind die vom Papst in den Vordergrund gestellten Themen nur „pille palle“. Nachvollziehbar: müsste er doch sonst gegen die Kirchendoktrin entsprechend realistische Empfehlungen zur Verhütung und auch gegen HIV geben. Also bleibt es beim Rat zur „heiligen Enthaltsamkeit“ an der kruden Realität vorbei.
          Kein Zweifel: diese Amtskirche ist trotz Franziskus nicht von dieser Welt.

          • bernardo
            08.09.2019, 14:43 Uhr.

            @ Wanda: Ich verstehe Ihre Position, sehe die Sache aber anders: Auch ich habe früher gedacht, was muss der Papst immer über Verhütungsmittel reden. JPII. war im Gegensatz zum Theologen Benedikt, der von Gott her dachte, ein Philosoph, der vom Menschen her dachte. (Das war möglicherweise einer der Gründe, weshalb sie sich gut ergänzten.) JPII. dachte trotz der Erbsünde von der hohen Bestimmung des Menschen aus, die er mit göttlicher Gnade auch zu erreichen imstande wäre. Dies umfasste den ganzen Menschen, also auch seine Sexualität. Diese Position wird heute infrage gestellt: Wir haben es mit einer „modernistischen“ Variation zu tun, die ganz geringe Ansprüche an die Sexualität des Menschen stellt, dafür aber eine umso rigidere Hypermoral im Politischen vertritt und das „ultra posse nemo obligatur“ nicht mehr gelten lässt. Es handelt sich dabei nicht um eine „Spielart“ des Christentums, sondern um eine zivilreligiöse Meta- und „Menschheitsreligion“, im Wortsinne verstanden, die sich auf das Christentum gelegt und es überlagert hat, sich dabei christlicher Begriffe bedient, die nun radikal umgedeutet werden. Papa Bergoglio übt sein Wächteramt bestenfalls nachlässig aus und befördert, weniger durch persönliche Einlassungen – dazu ist er zu vorsichtig -, als vielmehr durch Ernennungen diese Tendenz.

            Noch ein Wort: Ich habe mich unklugerweise an zu vielen persönlichen Auseinandersetzungen beteiligt. Das werde ich einstellen, was nicht heißt, dass ich zu Konzessionen in der Sache bereit wäre.

          • Novalis
            14.09.2019, 3:08 Uhr.

            Liebe Carla Maltese, was Sie zu den unehelichen Kindern schreiben, stimmt. Das Schlimme ist, man hätte es besser wissen MÜSSEN. Auch Jesus ist ja unehelich geboren.

        • bernardo
          08.09.2019, 19:28 Uhr.

          Für Franziskus vielleicht nicht, lieber Herr Erbacher, aber wie sieht es mit seinen Getreuen aus?

          • Wanda
            13.09.2019, 21:26 Uhr.

            Bernardo 08.09. 14:43
            – meine Antwort ist irgendwohin verschwunden oder nicht freigeschaltet worden und meine diesbezüglich Nachfrage an die Blogleitung auch nicht. Nicht zum 1.Mal, darf ich hinzufügen (Netiquette wurde eingehalten). Belassen wir es dabei…

            • Jürgen Erbacher
              Jürgen Erbacher
              14.09.2019, 9:51 Uhr.

              Wir finden keinen Eintrag zu der von Ihnen angebenen Zeit. Weder bei den ausstehenden Kommentaren noch im Spamordner oder den gelöschten Kommentaren.

          • bernardo
            14.09.2019, 14:06 Uhr.

            @ Wanda: Das tut mir leid; können Sie mir nochmals schreiben, denn ich schätze Ihre Meinung sehr.

  • bernardo
    12.09.2019, 22:57 Uhr.

    „Respekt, Liebe, Achtung, Würde“ – diese Worte bleiben Worthülsen, wenn sie nicht ausbuchstabiert und in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Ein Beispiel: Ich bin der altmodischen Ansicht, dass man sich Respekt verdienen muss, dass man ihn nicht einfach erwirbt, weil man ein menschliches Wesen ist. Liebe – die Liebe ist immer auf etwas Konkretes bezogen, wie es auch in der Bibel kundgetan wird, als Liebe Gottes zu SEinem Volk. Eine allgemeine Liebe („seid umschlungen, Millionen“) oder zum „Menschengeschlecht“ ist eine Karikatur der Aufklärung. Auch die Würde ist nicht etwas, dass einfach da ist, sondern dass erworben werden will. Wenn es im GG heißt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – ein normativer Satz -, dann bedeutet dies, das seine Menschenrechte nicht angetastet werden dürfen; etwas, das ohne naturrechtliche Begründung nicht recht verständlich ist. Auch Achtung muss man erwerben. Respekt, Achtung und Würde setzen viel voraus und dort, wo inflationär mit ihnen hantiert wird, verlieren sie (wie bei jeder Inflationierung) an Wert. Johannes Paul II. vertrat eine sehr hohe ethische Fundierung der Sexualität, was gefallen oder nicht gefallen mag.

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