Papst fordert „aktive Gewaltfreiheit“

Ist es eine Utopie oder kann eine „aktive Gewaltfreiheit“ zum Frieden führen? Für Papst Franziskus ist die Antwort klar: „Entschieden und konsequent praktizierte Gewaltfreiheit“ kann zu Frieden und mehr Gerechtigkeit führen. Als Beispiele nennt er in seiner Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag Mahatma Gandhi, Khan Abdul Ghaffar Khan, Martin Luther King jr. und den friedlichen Sturz der kommunistischen Regime in Europa. Gewalt führt zu neuer Gewalt, ist Franziskus überzeugt. „Wenn die Opfer von Gewalt der Versuchung zu widerstehen wissen, können sie die glaubhaftesten Leitfiguren in gewaltfreien Aufbauprozessen des Friedens sein.“ Die Feindesliebe bilde den „Kern der ‚christlichen Revolution‘“, so Franziskus. Doch was ist heute davon übriggeblieben? Die Antwort auf diese Frage könnte Stoff für eine neue Enzyklika bieten.

Papst Franziskus sieht die Religionen in der Pflicht, gemeinsam für den Frieden einzutreten. (Quelle: ap)

Papst Franziskus sieht beim Thema Frieden die Religionen in der Pflicht. „Nur der Friede ist heilig, nicht der Krieg!“ Das sagte er beim Treffen der Religionen für den Frieden am 20. September 2016 in Assisi. (Quelle: ap)

Friedensenzyklika wäre nötig

Kardinal Peter Turkson, der seit 1. Januar das neue vatikanische Superministerium „für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen“ leitet, erklärte kurz vor Weihnachten, dass es dringend an der Zeit wäre, eine neue Friedensenzyklika zu schreiben. Das letzte große Lehrschreiben, dass sich ausdrücklich mit dem Thema Frieden beschäftigt, ist aus dem Jahr 1963. Damals hatte Johannes XXIII. in „Pacem in terris“ wenige Monate nach der Kubakrise und zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer betont, dass Konflikte „nicht mit Waffengewalt und nicht mit Trug und List gelöst werden, sondern, wie es sich für Menschen geziemt, in gegenseitigem Einvernehmen auf Grund reiflicher sachlicher Überlegung und unparteiischer Schlichtung“.

Das Papier 1963 entstand unter dem Eindruck des Kalten Krieges und eines drohenden Nuklearschlages. Heute sieht die Situation anders aus. Mit den vielen kleinen Konflikten rund um den Globus stellen sich neue Fragen. Dazu kommen die Herausforderungen des religiösen Fundamentalismus sowie die Globalisierung von Konflikten. Papst Franziskus hat an vielen verschiedenen Stellen immer wieder über Krieg und Konfliktlösung gesprochen. Nach Aussage von Kardinal Turkson hat der amtierende Pontifex noch keinen konkreten Auftrag für ein neues Lehrschreiben zum Thema erteilt. Im April 2016 hatten sich Vertreter von Pax Christi und der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax in Rom getroffen und den Papst aufgefordert, eine neue Friedensenzyklika zu verfassen. Damals hatte Kardinal Turkson es als durchaus möglich bezeichnet, dass es ein solches Papier geben könnte. Vor Weihnachten klang er nun etwas zurückhaltender.

Der Kurienkardinal gab zudem zu bedenken, dass päpstliche Schreiben nicht für die Bücherläden geschrieben würden. D.h. aus seiner Sicht sollten zwischen der Veröffentlichung großer päpstlicher Lehrschreiben ein bis zwei Jahre Zeit für Lektüre und Umsetzung sein. Wenn man allerdings sieht, dass die letzte Enzyklika von Franziskus im Juni 2015 veröffentlicht wurde, wäre in der zweiten Jahreshälfte durchaus Platz in den Bücherläden für ein neues Papier, und mit den Themen „aktive Gewaltfreiheit“ sowie „gerechter Frieden“ gäbe es ein aktuelles Thema, das anschlussfähig ist für den Dialog mit anderen Religionen und auch atheistischen Kräften quer durch die Gesellschaft.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

12 Kommentare

  • Silberdistel
    06.01.2017, 12:51 Uhr.

    Die größte Aussagekraft an diesem Bericht hat für mich die mit abgebildete Fotografie, ohne @Herrn Erbachers Bericht dadurch zurücksetzen zu wollen. Für mich ist es das RELIGIÖSE FOTO 2016. Denn auf der Abbildung kann man (im Prinzip) die einzig verbliebene Hoffnung der Menschheit auf ein friedliches Zusammenleben von so vielen Menschen auf nur einem einzigen Planeten ausmachen: Die Weisheit der Religionen die ihnen allen immanent ist. Denn die -logien, die -ismen der rein menschlichen Gesellschaftsexperimente, sind grandios mit millionenfachen Opfern gescheitert. „Bodycounting“ lohnt sich hier wohl!
    Der Schatz an Weisheit, der in den verschiedenen Religionen seit Jahrtausenden geparkt ist, nämlich das Wort des All-Einen Gottes dem man auf Erden so viele Namen gegeben hat, muß erneut im Interesse der Menschheit im größeren Stil geborgen und belebt werden. – Und befreit werden von irrwitzigen menschlichen Vorstellungen, die sich besonders in den Jahrhunderten des Mittelalters, Früh- bis Spät- wie Dornengestrüpp allseits durch Unverständnis, drum herum geschlungen haben.
    Denn dann nur ist es möglich die Gewaltspiralen zu durchbrechen, die menschliches Zusammenleben seit Urzeiten kennzeichnen. Im Kleinen wie im Großen. Um die tatsächlichen Probleme der menschlichen Population auf diesem Planeten, die „Flaschenhälse“ wie sie @zdfHarald Lesch lakonisch nennt, lösen zu können. Im Interesse eventuell nachfolgender Generationen.
    PS: Treffen sich die Erde und ein zweiter Planet. Fragt der die Erde: „Nun wie geht´s?“ Die Erde: „Och gar nicht so gut, ich habe Homo Sapiens“. Der Andere: „Mach dir nichts draus, geht vorüber!“

    • Silberdistel
      06.01.2017, 23:37 Uhr.

      Nachtrag: Man soll sich ja nicht zu wichtig nehmen, aber ´PS´ hinterlässt den falschen Aspekt. Übrig bleiben werden immer welche. Doch wie Einstein schon sagte: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“

    • Wanda
      12.01.2017, 16:54 Uhr.

      Silberdistel 12:51
      – wollen Sie mit Ihrer berechtigten Kritik an den „gesellschaftlichen Experimenten“ etwa sagen, dass den Religionen mit ihren Dogmen und Ideen in der Weltgeschichte Erfolg beschieden war oder ist ?
      Dabei hatten die Religionen weitaus mehr (z.T. tausende von Jahren Zeit) den Frieden, den sie übrigens nicht alle predigen, zu bringen. Haben die es etwa geschafft ? Nicht dass ich wüsste*)…
      Wenn sie schon das Ungemach, die Kriege und Opfer, welche sich im Namen der verschiedenen „Gesellschaftsexperimente“ ergaben, zum Massstab nehmen diese zu verurteilen, müssten sie das aufgrund der Gewaltkonflikte zwischen den Religionen und sogar deren Konfessionen, den Verfolgungen und der Vernichtung von Ketzern und Andersgläubigen ebenfalls tun, oder ?
      Das heisst, wenn Sie konsequent sind…
      – *) man nehme nur die Prügeleien in der Geburtskirche und Grabeskirche Jesu, an denen auch Priester und Mönche beteiligt sind
      – Die NGO „Open Doors“ beklagt aktuell die Verfolgung von (geschätzt) 200 Mio Christen vorwiegend in islamisch-, hinduistisch- und zunehmend auch auch buddhistisch geprägten Ländern (ZEIT)

      • Wanda
        13.01.2017, 2:23 Uhr.

        Pardon, Silberdistel, vergass meine Abschlussbemerkung:
        – wenn also diese aktuelle und beklagenswerte Christenverfolgung die von Ihnen gepriesene, allen Religionen immanente Weisheit widerspiegelt, dann kann es mit Letzterer eigentlich nicht so weit her sein, oder ?

        • Silberdistel
          13.01.2017, 16:33 Uhr.

          Wanda
          12.01. 16:54 h
          Da haben Sie aber einen Satz des Textes geflissentlich überlesen und zwar: „Und befreit werden von irrwitzigen menschlichen Vorstellungen, die sich besonders in den Jahrhunderten des Mittelalters, Früh- bis Spät- wie Dornengestrüpp allseits durch UNVERSTÄNDNIS, drum herum geschlungen haben“.
          Der bereits zitierte Einstein formulierte auch einmal: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
          Und noch eines stimmt: Man muß schon aufrichtig suchen und finden wollen und der Botschaft aus einer anderen Dimension nicht die eigene vorgegebene Meinung aufprägen wollen, – dann stößt man auf so manche Weisheit und viel Segen in allen Religionen.
          Vom ´Gott´ der 3 monotheistischen Religionen hieß es übrigens schon zur Bronzezeit: „Du sollst nicht töten“ (5. Gebot).
          Ich frage mich, wenn Sie schon meine Kritik an den bisherigen gesellschaftlichen Experimenten teilen, worauf Ihre diesbezügliche Hoffnung ruht? Auf den Humanismus, den Sie in einem anderen thread schonmal zu Felde führten? – Natürlich ist der so in seiner theoretischen Form nicht abzulehnen. Ebenso nicht wie so manch anderer -ismus oder -logie, – in der Theorie wohlgemerkt. Frage mich allerdings, wieso sich im Lauf all der gefühlt 1000jährigen Gesellschaftsexperimente kein praktikabler Humanismus entwickelt hat? Verraten Sie es??

  • Alberto Knox
    06.01.2017, 12:54 Uhr.

    recht hat er, der papst.

  • neuhamsterdam
    08.01.2017, 0:02 Uhr.

    Das Himmelreich leidet Gewalt

    Wenn sich in der Kirche alles dauernd ändern soll, dann ist doch ein angestrebt erreichter Frieden sehr bedenklich, weil ein Festhalten daran sich dem Änderungsparadigma diametral entgegensetzt.

    Da bleibt nur ein Weg: Man erklärt den erreichen Zustand per institutionaler Resolution für *in sich wandelnd* und damit für statisch revolutionär.

    neuhamsterdams Leitkommentar.

    • Silberdistel
      12.01.2017, 11:32 Uhr.

      neuhamsterdam
      08.01. 10:02 h
      Warum sollte sich alles ändern? Warum sollte ein erreichter Friede bedenklich sein, ein Festhalten daran sich der Vernunft widersetzen??
      Die Empathie des Analysten scheint selbst Gewalt erlitten zu haben wenn Bereitschaft besteht die, für viele urexistentielle Frage, einem derartigen Nihilismus preis zu geben.

    • SuNuraxi
      13.01.2017, 18:38 Uhr.

      @Neuhamsterdam, ich hätte eine Bitte: Könnten Sie Ihre Kommentare so formulieren, dass man auch versteht, was Sie eigentlich sagen wollen?

  • Wanda
    08.01.2017, 2:33 Uhr.

    Mit seinen Beispielen liegt Franziskus des öfteren daneben.
    Da er ua. Mahatma Gandhi erwähnte: dessen gelebtem Vorbild und seinem Vermächtnis war nach seinem Tod keine Dauer beschieden, weil es vollkommen weltfremd war. Indien zerfiel unter grosser Gewalt (500.000 – 1 Mio Opfer) mit dem grössten Exodus einer Volks- bzw. Religionsgruppe in die zwei bis heute verfeindeten Staaten Pakistan und Indien…

    • bernardo
      14.01.2017, 13:27 Uhr.

      Ja, wanda, Gandhi wird maßlos überschätzt. btw, sein Rassismus gegenüber Schwarzen und auch Buren in Südafrika wird hingegen unterschätzt.

  • bernardo
    14.01.2017, 13:26 Uhr.

    „Die Feindesliebe bilde den „Kern der ‚christlichen Revolution‘“, so Franziskus. Doch was ist heute davon übriggeblieben? Die Antwort auf diese Frage könnte Stoff für eine neue Enzyklika bieten.“

    Ich dachte immer, die „christliche Revolution“ bestehe in einer „kopernikanischen Wende“, also dem Blick auf Gott bzw. auf das fleischgewordene Wort Gottes. Wieder etwas dazu gelernt…

    @ Wrightflyer: Der Tod Kurt Cobains als größtes Trauma, Pratchett als ultimativer Intellektueller. Ich kann Ihnen wirklich nicht folgen. Auch nicht in Bezug auf die Muslime, denen wir klarmachen sollen, dass wir sie nicht alle umbringen wollen. Wer als Muslim so denkt, der ist jenseits von Gut und Böse und dem ist wohl auch nicht mehr zu helfen. Ansonsten ist nicht immer „der Westen“ schuld. Was ich allerdings auch mit „brennender Sorge“ beobachte, ist der „Kalte Krieg“ mit Russland, für den allerdings wirklich der Westen 70 Prozent der Schuld trägt. Vor allem durch die Einkreisung Russlands.

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