Argentinien: Geschichte aufarbeiten

Papst Franziskus macht ernst mit seiner Ankündigung, dass er bei der Aufarbeitung der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) mithelfen wolle. Nahezu in Rekordzeit wurden die Akten dazu jetzt organisiert und digitalisiert. Das teilte der Vatikan heute mit. In Kürze könnten Opfer und Familien von sogenannten „Verschwundenen“ oder damals Inhaftierten Akteneinsicht erhalten. Dabei handelt es sich um Akten in den Archiven des vatikanischen Staatssekretariats, der Nuntiatur in Buenos Aires und der Argentinischen Bischofskonferenz. Laut Vatikan gehe es bei dieser Arbeit um den „Dienst an der Wahrheit, an der Gerechtigkeit und dem Frieden“. Der Vorgang ist in doppelter Hinsicht wichtig: Zum einen könnte dadurch eventuell das Schicksal von Verschwundenen geklärt werden und es im besten Fall zu Familienzusammenführungen kommen. Zum anderen könnte Licht ins Dunkel kommen, was die Verbindung der katholischen Kirche zu den Militärs anbetrifft und auch die mögliche Verstrickung in deren Machenschaften. Der Ausgang der Forschung in den Archiven ist also völlig offen.

Venezuelas Präsident Nicolas Maduro war gestern Abend zu einer Privataudienz bei Papst Franziskus (Quelle: dpa)

Venezuelas Präsident Nicolas Maduro war gestern Abend überraschend zu einem privaten Treffen mit Papst Franziskus in den Vatikan gereist. Die katholische Kirche versucht im Konflikt zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Franziskus sandte dazu eigens seinen Vertreter in Argentinien, Nuntius Erzbischof Emil Paul Tscherrig, nach Caracas. Der kündigte für Sonntag erste Gespräche an. Die Opposition ist allerdings noch zurückhaltend und zeigte sich nach Maduros Papstbesuch irritiert. (Quelle: dpa)

Neues über Bergoglio?

Papst Franziskus hatte wiederholt angekündigt, dass er den Opfern helfen wolle, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dabei steht Jorge Mario Bergoglio selbst in der Kritik. Er war in den ersten Jahren der Militärdiktatur Provinzial der Jesuiten in Argentinien, später dann Rektor der Theologischen Fakultät von San Miguel am Stadtrand von Buenos Aires. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Vorwürfe laut, er habe zu wenig öffentlich gegen das Vorgehen der Junta protestiert oder gar mit den Militärs zusammengearbeitet. Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, der über ein Jahr in Militärhaft saß und gefoltert wurde, verteidigt Bergoglio. Der Jesuit habe nicht mit den Militärs zusammengearbeitet, so Esquivel. Zugang zu den Archiven bekommen nun zunächst die Opfer und deren Angehörige. Später könnte der Kreis dann auch erweitert werden, stellte der Vatikan heute in Aussicht.

Was passiert mit der Asche?

Im Vatikan hatte heute übrigens Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Chef der Glaubenskongregation eine kurze Instruktion zur Feuerbestattung vorgestellt. Darin betont die Glaubenskongregation, dass die bevorzugte Bestattungsform für einen Christen die normale Erdbestattung sein sollte. Allerdings sei auch die Feuerbestattung nicht untersagt. Verboten sei es allerdings, die Asche etwa in einer Urne Zuhause aufzubewahren oder anonym zu verstreuen. Müller betonte mehrfach, dass gerade eine anonyme Bestattung aus christlicher Sicht nicht vertretbar sei. Es gehe gerade darum, eine konkrete Person in Erinnerung zu behalten. Daher müsste es auch bei einer Friedwaldbestattung in irgendeiner Form eine Namensnennung geben. Für Deutschland dürfte die neue Instruktion wenig Neues bringen.

Von den grundsätzlichen Prinzipien soll es auch Ausnahmen geben, die dann vom Ortsbischof genehmigt werden müssen. Und gerade bei diesem Part waren bei der Pressekonferenz in Rom heute interessante Töne von Müller zu hören. Er betonte, dass Rom nur „prinzipielle Aussagen“ machen könne und bei den konkreten Fragen die Ortsbischöfe oder Bischofskonferenzen gefordert seien. „Wir sind keine zentralistische Kirche“, so der Chef der Glaubenskongregation. Auf die Frage, welche negativen Konsequenzen es habe, wenn man die Verbote der Instruktion nicht einhalte, erklärte Müller, seine Aufgabe sei es, zur Förderung des Glaubens beizutragen, sprich positive Anregungen zu geben, wie der Glaube gelebt werden solle. Über negative Konsequenzen wollte er nicht sprechen. Die dürften allerdings bei der behandelten Materie auch schwierig zu benennen sein. Wie will man sanktionieren, wenn die Familie etwa unerlaubter Weise die Asche des Verstorbenen unter sich aufteilt? Mit Exkommunikation wollte und konnte der oberste Glaubenshüter nicht drohen. Vielmehr hatte sein Auftritt heute einen stark werbenden Ton in der Sache.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

13 Kommentare

  • Silberdistel
    26.10.2016, 9:28 Uhr.

    Was man denn in der Glaubenskongregation, übrigens der Nachfolgeinstitution der heiligen römischen Inquisition, nicht alles für ´christlich´ hält…
    Doch selbst die Bücher Moses geben nicht viel her über genehme Bestattungsriten, außer der bei Bestattungen allgegenwärtig zitierten liturgischen Formel: „Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub“ (1. Mose 3,19). Jesus Christus lässt sich darüber nur peripher aus, wie z.B. in Matth. 8:22: „Aber Jesus sprach zu ihm: Folge du mir und laß die Toten ihre Toten begraben!“ Er hatte es ohnehin mehr mit der Auferstehung nach dem Tod, für die Er selbst ja ein furioses Beispiel setzte.
    Persönlich bin ich der Meinung, das es der Seele ohnehin völlig schnurz ist was mit dem zurückgebliebenen irdischen Körper geschieht, der seine Aufgabe mehr oder weniger gut erfüllt hatte. Ob dieser in einem, meistens über alle Maßen überteuerten Sarg, dahin west; in einer Pfütze im Schlachtfeld, als Asche verstreut wird, in den Weltraum geschossen, oder daraus ein Diamant gepresst wird und um den Hals getragen. Selbst die Variante des deutschen Finanzamtes wonach die Asche des Steuerzahlers in eine Eieruhr verbracht werden sollte, wo jener auch nach dem Tode noch weiter arbeitet (Letzterer Satz = Scherzbeitrag!); ist eine Angelegenheit der Pietät, der Kultur. Und die sind nun mal völlig unterschiedlich ausgeprägt. Nicht jedoch die eines lebendigen Glaubens.

    • Wanda
      26.10.2016, 17:54 Uhr.

      – nun, da hat die Bestattungslobby aber einen mächtigen Fürsprecher gefunden. Obwohl eigentlich die Hl. römische Inquisition als Vorläuferin des Amtes Müller ihre besondere „Vorliebe“ für die Verbrennung von Sündern (und sind wir das nicht alle?) doch mit den von ihr bevorzugten Scheiterhaufen sehr nachdrücklich demonstrierte, oder ?

  • Alberto Knox
    26.10.2016, 10:01 Uhr.

    interessant, dass der präfekt der glaubenskongregation, sonst ja nie um sanktionen verlegen, plötzlich werbend wird. fürchtet da jemand um die verlängerung seines amtes im nächsten jahr? fürchtet er sich gar davor, dass die von ihm vertuschte domspatzenaffaire ihm auf die füße fällt?
    jedenfalls hat er in der sache recht. die kirche darf unsere auferstehungshoffnung auch dadurch einhegen, dass bestimmte bestattungsformen als nicht in übereinstimmung mit der auferstehungshoffnung sich befindend erklärt werden!

  • Brigitta
    26.10.2016, 12:23 Uhr.

    Also ich bin gar nicht so unfroh über diese Klärung (und ich stehe weiß Gott nicht immer auf Müllers Seite), da ich mich für eine Einäscherung entschieden habe einmal aus finanziellen Gründen aber auch, weil ich niemanden habe, der sich um mein Grab kümmern würde und nur so eine Beisetzung im Grab meiner Mutter möglich ist.

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