Papst: Souveränität der Staaten achten

Papst Franziskus hat seine 16. Auslandsreise mit einer klaren Botschaft begonnen: Die Souveränität der Staaten muss geachtet werden. Diese Worte hört man in der Kaukasusregion sehr aufmerksam. Es ist eine klare Botschaft in Richtung der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien, darf aber sicher auch auf den Streit um die Region Berg-Karabach gewertet werden. In diesem Fall würde bedeuten, dass Franziskus Armenien ins Gewissen redet, Aserbaidschans souveräne Rechte zu respektieren. Das dürfte man in Eriwan nicht gerne hören. Vielleicht liegt in dieser unbequemen Botschaft die Ursache für die Zweiteilung der Kaukasusreise von Franziskus. Die Botschaft in Bezug auf Abchasien und Südossetien richtete sich an Moskau, die in den Regionen Truppen stationiert haben. Georgiens Präsident Giorgi Margvelashvili nutzte die internationale Bühne, die der Papstbesuch bietet, um Russland scharf zu kritisieren. Franziskus mahnte zur Konfliktlösung im Dialog. An erster Stelle müsse für die politisch Verantwortlichen immer „das Geschick der Menschen in seiner Konkretheit“ stehen. Beim Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen Ilia II. warb Franziskus eindringlich darum, „frischen Schwung und neues Feuer“ in die Beziehungen der beiden Kirchen zu bringen. Für den Vatikan ist Georgien das schwierigste Pflaster in Bezug auf die Ökumene mit den Orthodoxen.

Papst Franziskus ist in Georgien angekommen, der ersten Station seiner 16. Auslandsreise. (Quelle: Erbacher)

Papst Franziskus ist in Georgien angekommen, der ersten Station seiner 16. Auslandsreise. (Quelle: Erbacher)

Papst fordert Rechtstaatlichkeit

Georgien füge sich „mit vollem Recht (…) in den Schoß  der europäischen Zivilisation ein“. Diese Worte des Papstes zur Begrüßung haben die Gastgeber sicher gerne gehört. Während sich die Politik in Tiflis seit langer Zeit in Richtung Europa orientiert, sucht die orthodoxe Kirche eher den Schulterschluss mit den Glaubensbrüdern in Moskau. Franziskus mahnte in seiner ersten Rede angesichts der Konflikte in der Region zu „Vernunft, Mäßigung und Verantwortlichkeit“. „Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt umso notwendiger, da es nicht an gewalttätigen Extremismen fehlt, die Prinzipien ziviler und religiöser Art manipulieren und verzerren, um sie für dunkle Vorhaben von Unterjochung und Tod zu nutzen,“ so Franziskus. Unterschiede ethnischer, religiöser, sprachlicher oder politischer Art dürften nicht als Vorwand genutzt werden, „um Divergenzen in Konflikte und Konflikte in Tragödien zu verwandeln“. Vielmehr sollten sie als eine Bereicherung verstanden werden. Von Georgien forderte er die Schaffung von „Stabilität, Gerechtigkeit und Achtung der Gesetzlichkeit“.

Beziehungen brauchen neuen Schwung

Katholikos-Patriarch Ilia II. begrüßte Papst Franziskus bereits am Flughafen. Welche Rolle die orthodoxe Kirche im Land spielt, zeigte sich gleich zu Beginn. Das orthodoxe Kirchenoberhaupt stand neben Papst und Präsident auf dem Podium, als die Hymnen des Vatikans und Georgiens gespielt wurden. Sollte es eine besondere ökumenische Geste sein, wäre es ein Hoffnungszeichen. Doch angesichts der schwierigen Beziehungen zwischen den beiden Kirchen, war es wohl eher eine Machtdemonstration. Georgien hat als einzige orthodoxe Kirche vor wenigen Tagen das von der gemeinsamen orthodoxen-katholischen Dialogkommission zu „Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend“ erarbeitete Papier komplett abgelehnt. Erste Meldungen hatten von einigen Vorbehalten gesprochen; doch aus Vatikankreisen war zu hören, dass die Georgier es ganz abgelehnt hätten. Vielleicht auch vor dem Hintergrund dieser jüngsten Ereignisse beschwor Franziskus beim Treffen im Patriarchatspalast, dass die die „apostolische Brüderlichkeit“ erneuert werden müsse. „Denn Petrus und Andreas waren Brüder“, so der Papst mit Verweis auf die Gründer der Kirche von Rom und der Kirche Georgiens.

Franziskus begründete sein Anliegen ganz praktisch. In einer Welt, „die nach Barmherzigkeit, Einheit und Frieden dürstet“ müssten die Kirchen noch enger zusammenstehen. Außerdem: „Damit aber das Evangelium auch heute Frucht bringt, wird von uns verlangt, geliebter Bruder, dass wir noch fester im Herrn bleiben und untereinander eins sind.“ Die Schwierigkeiten der Vergangenheit sollten dabei keine Hindernisse darstellen, „sondern Anreiz sein, uns besser kennen zu lernen“. Der Katholikos-Patriarch würdigte zwar ausdrücklich den Besuch des „geliebten Bruders in Christus“. Doch blieb er bei seiner Position, dass man füreinander bete. Von der Möglichkeit, miteinander zu beten, war nicht die Rede.

Papst will ökumenisches Eis brechen

Papst Franziskus machte deutlich, der Besuch von Katholikos-Patriarch Ilia II. 1980 im Vatikan war „historisch“. Doch außer dem Bruderkuss damals und der Versicherung des gegenseitigen Gebets ist nicht viel geschehen. Mit seinem Besuch versucht er das Eis zu brechen. Ist das ein Grund für die aktuelle Reise? Viele mitreisende Kollegen fragen sich, warum wir an diesem Wochenende hier in Georgien sind. Nachdem das Eis mit der russisch-orthodoxen Kirche vor gut einem Jahr beim Treffen zwischen Papst und Patriarch Kyrill auf Kuba gebrochen wurde, will Franziskus nun über den letzten tiefen Graben eine Brücke bauen.

P.S. Am Abend veröffentlichte der Vatikan eine Botschaft des Papstes an das argentinische Volk. Darin erklärt er, dass er nächstes Jahr leider nicht nach Argentinien kommen könne. Es gebe bereits Verpflichtungen in Asien und Afrika. Wohin genau die Reisen gehen, ist allerdings bisher nicht bekannt. Vor wenigen Tagen war der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Joseph Kabila, im Vatikan zu Besuch. Im Umfeld kamen Spekulationen darüber auf, Franziskus könnte das Land, das zu den ärmsten weltweit zählt, besuchen. Mit Blick auf Asien wird seit langer Zeit über einen Besuch in Japan spekuliert. Jorge Mario Bergoglio war seinerzeit 1958 in den Jesuitenorden eingetreten, weil er als Missionar nach Japan gehen wollte. Doch aus gesundheitlichen Gründen wurde nichts daraus. Jesuit wurde er trotzdem. Der Japanbesuch steht noch aus. Im Umfeld des Friedensgebets von Assisi traf er das japanische Oberhaupt des Tendai-Buddhismus im Vatikan. Als sie sich wenige Tage später dann in Assisi trafen lud Koei Morikawaden den Papst für das nächste Jahr nach Japan ein zu einem interreligiösen Friedensgebet. Dieses finde seit 30 Jahren an einem heiligen Ort der japanischen Buddhisten, dem Berg Hiei, statt, so der 90-Jährige.

Die Videobotschaft des Papstes an seine Landsleute ist ungewöhnlich. Es gibt keinen konkreten Anlass; außer dass der Pontifex wohl spürt, dass es zunehmend Unruhe und Unzufriedenheit in seinem Heimatland gibt angesichts der Tatsache, dass er bald vier Jahre im Amt ist und noch immer nicht seine Heimat besucht hat. „Für mich ist das argentinische Volk mein Volk, ihr seid mir wichtig, ich bin immer noch Argentinier, und immer noch reise ich mit argentinischem Pass“, sagte er in freier Rede. Er gebe es in die Hand Gottes, ihm ein Datum für den Besuch in Argentinien zu benennen. Ob das seine Landsleute beruhigen wird, bleibt abzuwarten. Verwirrung gab es heute kurz über einen möglichen Besuch in Kolumbien. Präsident Juan Manuel Santos hatte erklärt, Franziskus werde im nächsten Quartal das Land besuchen. Vatikansprecher Greg Burke erklärte dazu, dass eine Reise im nächsten Jahr nicht bestätigt werden könne.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.