Papst in Afrika – Tag 2

Der interreligiöse Dialog, die Familie und die Umwelt standen im Mittelpunkt des zweiten Tags des Besuchs von Papst Franziskus in Kenia. Am Morgen sagte er beim Treffen mit Vertretern anderer christlicher Kirchen und anderer Religionen, dass die Ökumene und der interreligiöse Dialog „kein Luxus“ sei, sondern dass er wesentlich sei. „Unsere durch Konflikte und Spaltungen verletzte Welt braucht ihn immer dringender!“ Der Sprecher des Dachverbands der Muslime in Kenia, Abdulghafur El-Busaidy zitierte Hans Küng mit den Worten: „Kein Frieden der Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen. Kein Dialog unter den Religionen ohne globale ethische Prinzipien. Kein Überleben der Erde ohne eine globale Ethik.“ Am Abend hielt Franziskus eine programmatische Rede am Sitz der Vereinten Nationen in Nairobi. Sollte der Weltklimagipfel in Paris scheitern, wäre das katastrophal, so Franziskus.

Auf dem Campus der Universität wurde Papst Franziskus heute Morgen begeistert enpfangen. (Quelle: Erbacher)

Auf dem Campus der Universität wurde Papst Franziskus heute Morgen begeistert enpfangen. (Quelle: Erbacher)

Religionen als Friedensstifter

Der Aufruf zur Versöhnung und zum Dialog durchzieht viele Reden von Papst Franziskus ebenso wie die Schaffung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft. Daher war der Kreis der Teilnehmer heute Morgen beim Treffen zur Ökumene und dem interreligiösen Dialog in der Nuntiatur zwar klein; aber angesichts der religiösen und ethnischen Spannungen in Afrika wichtig. Franziskus betonte, dass gerade in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft „das Zusammenwirken der religiösen Leader und ihrer Gemeinschaften ein wichtiger Dienst am Gemeinwohl“ sei. Die religiösen Überzeugungen beeinflussten entscheidend das Verständnis der Welt. Die Religionen spielten schließlich eine wesentliche Rolle bei der Gewissensbildung. Dies sei gerade bei den jungen Menschen wichtig. „Allzu häufig werden Jugendliche im Namen der Religion zu Extremisten gemacht, um Zwietracht und Angst zu säen und das Gefüge unserer Gesellschaft zu zerstören.“ Für Franziskus gibt es daher nur einen Weg: Dialog,um zu zeigen, dass Gott ein Gott des Friedens ist. „Sein heiliger Name darf niemals gebraucht werden, um Hass und Gewalt zu rechtfertigen.“

In seiner Begrüßung hatte der Vertreter der Muslime betont, dass es die Pflicht religiöser Führer sei, Werte wie Gerechtigkeit, Liebe und Aufrichtigkeit zu fördern. Gleichzeitig müssten sie Hass, Gier, Ungerechtigkeit, Tod und Zerstörung ablehnen. Mit dem Zitat Hans Küngs verband El-Busaidy die Aufforderung, „effektive interreligiöse Institutionen zu schaffen“ und Parteipolitik sein zu lassen. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Kenia ist, wie andernorts in Afrika, angespannt. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz hat in den letzten Jahren schwere Terroranschläge verübt. Allein bei einem Überfall auf die Universität von Garissa kamen im April 148 Menschen ums Leben. Im September 2013 verübte sie einen brutalen Überfall auf ein Einkaufszentrum in Nairobi. Mindestens 61 Zivilisten wurden getötet und mehr als 200 verletzt. Die Muslime werfen der Regierung unter der Leitung von Staatspräsident und Katholik Uhuru Kenyatta Diskriminierung vor, die sich etwa in willkürlichen Massenverhaftungen zeigten. Das harmonische Treffen heute Morgen dürfte daher ein wichtiges Signal gewesen sein, dass die Religionen im Land versuchen, an einem Strang zu ziehen und sich durch Extremisten nicht auseinanderdividieren lassen.

Betonung der Familie

Anschließend fuhr Papst Franziskus bei strömendem Regen zum Campus der staatlichen Universität von Nairobi. Dort feierte er mit mehr als 200.000 Gläubigen seine erste große Messe auf afrikanischem Boden. Durch die einheimischen Gesänge und Tänze wurde der Gottesdienst zu einem sehr emotionalen Ereignis, zumal die Afrikaner den Regen als Segen ansehen, wie heute mehrfach betont wurde. Papst Franziskus sprach einmal mehr deutliche Worte und nahm vor allem die Männer ins Gebet und verurteilte die Genitalverstümmelung. In seiner Predigt rief er dazu auf, „sich Bräuchen zu widersetzen, die die Arroganz von Männern fördern, Frauen verletzen oder missachten, die Alten ignorieren und das noch nicht geborene unschuldige Leben bedrohen“. Es gelte die Würde jedes Mannes und jeder Frau zu verteidigen sowie „die Kinder als einen Segen für unsere Welt anzunehmen“. Letztere Formulierung dürfte sicherlich auch Kritik hervorrufen und die Frage aufwerfen, was verantwortete Elternschaft, von der Franziskus etwa bei seinem Besuch auf den Philippinen im Januar sprach, in diesem Kontext heißt. Ungeteilte Zustimmung hingegen dürfte die Kritik an der Genitalverstümmelung finden. Zumal Kenia zu den Ländern gehört, in denen diese Praxis noch verbreitet ist. Die UN geht davon aus, dass 27 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren eine solche Verletzung erlitten haben.

Am Nachmittag traf sich Franziskus mit Ordensleuten, Priestern und Seminaristen. Die vorbereitete Rede legte er zur Seite – und anders als bisher üblich wird sie auch nicht veröffentlicht. In seiner spontan gehaltenen Ansprache beschäftigte sich Franziskus vor allem mit der Frage nach der rechten Berufung sowie dem Dienstcharakter der Berufung zum Ordensleben und Priesteramt.

Programmatische Rede zur Umwelt

Einer der Höhepunkte der Reise dürfte der Besuch am Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP hier in Nairobi am Abend gewesen sein. Franziskus wurde dort begeistert empfangen, beinahe wie ein Rockstar. Das könnte auch daran gelegen haben, dass Franziskus mit seinem Engagement für die Umwelt den UNO-Mitarbeitern aus der Seele spricht. In seiner Ansprache wurde er sehr deutlich und konkret, wie selten ein Papst. Klar und selbstbewusst formulierte Franziskus seine Erwartung an den Weltklimagipfel, der nächste Woche in Paris beginnt, an die HABITAT-III-Konferenz, die sich im Oktober 2016 in Quito in Ecuador mit Verstädterung beschäftigt, sowie an die 10. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation, die in Kürze in Nairobi stattfindet.

Wie schon bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung im September in New York hielt sich Franziskus nicht mit theoretischen Gedankenspielen auf, sondern wurde sehr konkret. Er forderte „weiter gegen Phänomene wie die Entwaldung und die Wüstenbildung zu kämpfen“ und machte dabei deutlich, dass die aktuelle Ausbeutung des Kongobeckens, dem nach dem südamerikanischen Amazonasbecken zweitgrößten ununterbrochenen Urwaldgebiet der Erde, ein Ende haben muss. Um dieses Ziel zu erreichen, könnten auch durch internationale Organisationen „legitime Druckmittel“ eingesetzt werden.

Franziskus warnte vor einem Scheitern des Pariser Klimagipfels, weil Einzelinteressen über das Gemeinwohl gestellt würden. Dies wäre „katastrophal“. Es gelte durch die neuen Entwicklungsziele, „das Versagen und die Verzerrungen des aktuellen Entwicklungsmodells neu zu überdenken und zu korrigieren“. Drei Ziele wünscht sich Franziskus für Paris: „Linderung der Auswirkungen des Klimawandels, Kampf gegen Armut und Achtung der Menschenwürde“. Dazu bedürfe es eines internationalen „ehrlichen und aufrichtigen Dialogs“ in Politik, Wissenschaft, Unternehmertum und Zivilgesellschaft. Franziskus ist überzeugt, es brauche einen Kurswechsel , einen „neuen kulturellen Stil2, nämlich eine „Kultur der Achtsamkeit (…) gegenüber sich selbst, gegenüber dem anderen, gegenüber der Umwelt.“

Besorgt zeigte sich Franziskus angesichts vieler negativer Auswirkungen der fortschreitenden Urbanisierung. In diesem Kontext wiederholte er seine Forderung nach einem „Grundrecht auf Land, Wohnung und Arbeit“. Aus seiner Sicht gibt es noch kein internationales Handelssystem, „das gerecht ist und ganz im Dienst des Kampfes gegen Armut und Ausschließung steht“. Franziskus zeigte sich besorgt, das ihm Rahmen rechtlicher Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums durch regionale Freihandelsabkommen die medizinische Grundversorgung gefährdet sein könnte. Es müsse allen „ein Minimum an Gesundheitsfürsorge und der Zugang zu den Basisheilmitteln“ gewährt werden. Mit Blick auf den Ressourcenreichtum Afrikas warnte er vor den Folgen illegalen Handels. Dieser fördere die politische Instabilität, das organisierte Verbrechen und den Terrorismus. „Diese Situation ist auch ein Schrei der Menschen und der Erde, der von der internationalen Gemeinschaft gehört werden muss.“

Viele Punkte der Rede bei der UNO heute kommen dem aufmerksamen Leser bekannt vor. Breit zitierte Franziskus seine Enzyklika Laudato si, seine Rede vor der UN-Vollversammlung sowie seine Ansprache vor dem Treffen der Volksbewegungen. Diese Wiederholung zeigt aber auch, dass Franziskus bei diesen Themen nicht locker lässt. Er bleibt hier ein unbequemer Mahner und will verhindern, dass man nach einem kurzen Applaus für seine Reden und Dokumente wie die Enzyklika ohne Folgen zur Tagesordnung übergeht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

11 Kommentare

  • JasJu
    27.11.2015, 14:55 Uhr.

    Daß der Klimawandel von Menschen verursacht ist, ist eine Hypothese. Einige halten sie für stichhaltig, andere nicht. Daß der Papst so eindeutig Partei ergreift, ist nicht klug, zumal bischöfliche Kernaufgaben – Verkündung des Evangeliums, Bewahrung der Lehre, Stärkung der Brüder – dahinter zurückbleiben. Der Pontifex muß sich nicht zu allem äußern, das wirkt schwatzhaft und gefallsüchtig.

    • Wanda
      27.11.2015, 23:12 Uhr.

      Jasju 14:55
      – natürlich nicht! Es gibt doch den ganz klaren Auftrag des Schöpfers an den aufrechtgehenden Vernunftbegabten (jedenfalls im Buch der Wahrheit): „Geht hin, seid fruchtbar und mehret Euch und macht Euch die Erde untertan“… Und das tut er, der nach Gottes Ebenbild erschaffen wurde, mit unerhörtem, wenn auch fragwürdigem Erfolg. Wieviel Spezies sind wohl allein in der Neuzeit, seitdem er sich ziemlich ungehindert ausbreitet, ausgestorben ?
      – Mir wird ganz anders, wenn ich im Umkehrschluss bedenke, dass Gott jedenfalls der Hl. Schrift zufolge so sein soll wie sein favorisiertes (Ebenbild-)Geschöpf Mensch…

  • silberdistel
    27.11.2015, 19:04 Uhr.

    „Sollte der Weltklimagipfel in Paris scheitern, wäre das katastrophal, so Franziskus.“ Zitatende.

    Das Franziskus dem durch Wirtschafts- und Regierungskreisen stark subventionierten deutschen „Klimapapst“ Schellnhuber derart aufgesessen ist und sich nach ´Waldsterben´, ´Rinderwahn´, ´Fischwürmer´, ´Vogelgrippe´ usw.; ein neues ´german-Angst“-Thema auf die Ferse hat heften lassen; ist ein Skandal!
    Unter dem Suchbegriff „Klimalüge“, beispielsweise auf YouTube, lassen sich genügend fundierte wissenschaftliche Ausarbeitungen finden, warum eine Erhöhung um die wenigen Tausendstel des durch den Menschen verursachten Anteils CO2 (derzeitige „“Konzentration““ in der Erdatmosphäre: 0,03992 % !) vor allem eines ist: Schnurz!

    Dagegen, wenn schon Umweltthema für den Führer einer religiösen Glaubensgemeinschaft, dann doch bitte primär: „Senkung der vom Menschen in die Biosphäre eingetragenen Stoffe die entweder medikamentös, hormonähnlich oder beides wirken. Oder 2. : „Reduzierung der Plastikteilchenflut“.
    Nach einer @zdf-Meldung vom August diesen Jahres, leidet heute bereits jedes 10. Kind an durch solche Stoffe entstandenen „Kreidezähnen“, d.h. deren Zähne zerbröseln einfach. Oder die Tierwelt verendet qualvoll an im Verdauungstrakt feststeckenden Plastikteilchen, die sie vorher mit natürlicher Nahrung aufgenommen haben.

    • Alberto Knox
      29.11.2015, 11:31 Uhr.

      wenn man sich die tödliche dosis von bestimmten giften in prozentanteile für den körper eines erwachsenen umrechnet, kommt man auf ähnliche prozentanteile des giftes im vergleich zur körpermasse. und die erwärmen nicht, sondern sind tödlich. es gibt also keinen grund eine noch so geringe steigerung von co2 ursächlich für die erderwärmung anzunehmen. was für einen komplexen organismus wie den menschlichen körper gilt, gilt auch für ein noch komplexeres phänomen wie das klima.
      freilich, wenn man verschwörungstheorien anhängt, dann möchte man so etwas wie die reduktion von co2 – was ja unsere übliche konsumhaltung massive einschränkte – nicht wahr haben.
      fckw wird dann wohl auch kein ozonschichtbeeinträchtigung verursachen, die freimaurer regieren die usa, und die protokolle von sind für solche verschwörungstheoriker dann eben wahr. vermutlich kreist die sonne auch um die erde, weil jedeR von uns jeden tag die sonne aufgehen sieht. ernst nehmen darf man das freilich nicht, so schlimm das ist.

      • Alberto Knox
        29.11.2015, 15:37 Uhr.

        sicherheitshalber: „es gibt also keinen grund eine noch so geringe steigerung von co2 ursächlich für die erderwärmung anzunehmen.“ ich hoffe, die ironie war bemerkbar. für alle, die sie nicht bemerken: natürlich kann ein minimaler anstieg des co2-gehalts in der atmoshäre große änderungen, eben auch die erderwärmung verursachen.
        @ silberdistel: haben sie auch echte argumente, sie wissen schon, solche von ernst zu nehmenden wissenschaftlerInnen? haben sie thermodynamik studiert und meterologie? unser papst ist immerhin chemiker. der hat da sicher mehr fachwissen als sie.

      • silberdistel
        30.11.2015, 12:21 Uhr.

        Das die Sonne sich um die Erde dreht, alldieweilen unser Planet sowieso eine Scheibe ist, hatten wir ja schonmal als Dogma in der Kirche – Bei Verfolgung mit Folter und Tod für die Unliebsamen, die´s nicht glauben konnten…
        Ja und es ist ein Skandal, das ein Schellnhuber dem Papst seine Umwelt Enzyklika mit vorstellt. Damit den Bonus der Anerkennung einer Autorität der Wissenschaft… räusper.., einstreicht für etwas, das mehr Glaubenssache als Wissenschaft ist.
        Schellnhuber mit seinem fragwürdigen Potsdam-Institut mag mit den Subventionen gut leben und öffentliche Wichtigkeit erfahren. Allerdings für etwas das wissenschaftlich keinesfalls bewiesen ist, sondern mittlerweile quasi pseudoreligiöse Züge angenommen hat! Was durchaus rechtfertigt, das man anderslautende wissenschaftliche Fakten schlichtweg verbannt. Gleichzeitig sorgt in Deu die größte Medienpropaganda seit dem Dritten Reich dafür, das nur die gewünschten Ergebnisse immer auf´s Neue zirkulieren.
        Doch der neue, so nun päpstlich abgesegnete, (CO2)-Glaube wird vor allem eines: Teuer.
        Man kann aber sicher sein, das die so indoktrinierten alles tun, zahlen und vor Allem erbittert um Ihren derart abgesegneten Glauben kämpfen werden. Fürwahr, für die Kirche ein wahres Déjà-vu Erlebnis 😉

  • Wanda
    27.11.2015, 23:26 Uhr.

    Wrightflyer 21:09
    – bei allem Verständnis für Ihre Präferenzen, wie wärs denn, wenn Sie auch die 224 Terroropfer des über dem Sinai abgestürzten russischen Airbus in Ihre Betliste aufnehmen, z.B. anstelle des SVW-Wiederaufstieges ? Die sind, wenn man sich die Medien und westliche Reaktion anschaut, im Gegensatz zu den Opfern von Paris kaum oder gar nicht beklagt worden.
    Gibt´s da etwa ein Zweiklassen-Mitleid ?

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