Synode zu Ehe und Familie – Tag 21

Jetzt ist es raus, das Abschlussdokument. Und wie schon zu Beginn der Synode geschrieben, lautet das Fazit unterm Strich: ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer für die Kirche. Immerhin ist es der Regie der Synode gelungen, dass es zu keinem größeren Eklat kam während der dreiwöchigen Versammlung und dass dieses Mal am Ende alle Abschnitte eine Zweidrittel-Mehrheit bekamen. Auch wenn beim entscheidenden Abschnitt über die wiederverheirateten Geschiedenen das Ergebnis denkbar knapp war. 177 waren notwendig, nur eine mehr wurde erreicht. Und das, obwohl der Text sehr offen formuliert war. Das Wort Sakrament bzw. Kommunion nicht vorkam. Aber die Konservativen hatten entdeckt, dass in der offenen Formulierung eben auch viele Interpretationsmöglichkeiten stecken. Und in diesem Sinne mag das Ergebnis der Synode auf den ersten Blick enttäuschen. Doch es könnte damit auch die Grundlage für weitreichende Reformen gelegt worden sein. Für den Papst war der synodale Weg zu Ehe und Familie auch ein Test, wie weit er gehen kann in seinen Reformbemühungen.

Papst will Inkulturation

Die Kardinäle Christoph Schönborn und Reinhard Marx sprachen am Samstagabend bei einer Pressekonferenz in Rom von einer „historischen Synode“. Das zu beurteilen, ist noch zu früh. Aber sich wird man noch lange von dieser Synode sprechen. Vielleicht sind die verbalen und ideologischen Auseinandersetzungen, die wir im Vorfeld und am Rande der Synode erlebt haben, nur der Auftakt einer langen und intensiven Auseinandersetzung darüber, was es heißt, katholische Weltkirche im 21. Jahrhundert zu sein in einer Welt großer Ungleichzeitigkeit und kultureller Vielfalt. Dabei steckt vielleicht die geringere Sprengkraft in der Relatio finalis, die heute nicht mehr im Detail analysiert werden kann. Aber die Ansprache des Papstes zum Abschluss der Beratungen bietet Stoff für Diskussionen und ist eine programmatische Ansage.

Vor allem der Abschnitt über die Inkulturation hat es in sich. Denn es stellt sich die Frage, was sind am Ende die allgemeingültigen Prinzipien, die Wahrheit, das, was für alle gleich und gültig ist. Franziskus beschreibt nur die Erfahrungen der Sünde und bringt damit in präziser und intelligenter Analyse Entscheidendes auf den Punkt: „Über die vom kirchlichen Lehramt klar definierten dogmatischen Fragen hinaus haben wir gesehen, dass das, was dem Bischof eines Kontinents normal erscheinen mag, dem Bischof eines anderen Kontinents als merkwürdig, ja fast skandalös vorkommt; dass das, was in der einen Gesellschaft als Rechtsverletzung angesehen wird, in einer anderen eine offensichtliche und unantastbare Regel sein kann; dass das, was für einige Gewissensfreiheit ist, für andere nur Verwirrung bedeutet. In Wahrheit sind die Kulturen in sich sehr verschieden, und jedes allgemeine Prinzip muss in die jeweilige Kultur übertragen werden, wenn es eingehalten und angewendet werden will.“

Der Vorwurf des Relativismus wird hier sicher schnell gegen Franziskus erhoben werden. Schon sehen einige Kollegen in diesen Worten verbunden mit der Relatio finalis einen Frontalangriff auf die Enzyklika Veritatis splendor. Darin hatte Papst Johannes Paul II. die „universale und dauernde Geltung der sittlichen Gebote“ unterstrichen. Er betonte auch, dass das Gewissen „keine autonome und ausschließliche Instanz“ sei, „um zu entscheiden was gut und was böse ist“. Dem Gewissen sei „vielmehr ein Prinzip des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm tief eingeprägt“. Diese enge Bindung des Gewissens an das Sittengesetz sahen einige konservative Synodenväter in der Relatio finalis untergraben.

Papst: Geist nicht Buchstabe zählt

Und auch einer der letzten Absätze der Papstanasprache dürfte noch konkrete Folgen haben: „Die Erfahrung der Synode hat uns besser verstehen lassen, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht jene sind, die den Buchstaben verteidigen, sondern den Geist; nicht die Idee, sondern den Menschen; nicht die Formeln, sondern die unentgeltliche Liebe Gottes und seiner Vergebung. Das bedeutet freilich nicht, in gewisser Weise die Bedeutung von Formeln, Gesetzen und göttlichen Geboten zu vermindern, sondern die Größe des wahren Gottes zu rühmen. Er beurteilt uns nicht nach unseren Verdiensten, nicht nach unseren Werken, sondern einzig nach der grenzenlosen Güte seiner Barmherzigkeit.“ Nach Franziskus ging es der Synode darum, Horizonte zu öffnen und geschlossene Perspektiven zu vermeiden, um „die Freiheit der Kinder Gottes zu verteidigen“ und die Schönheit der christlichen Botschaft besser zu vermitteln, so Franziskus. Allerdings werde diese Botschaft zuweilen „vom Rost einer archaischen oder schlicht unverständlichen Sprache verdeckt“.

Franziskus zeigt sich also am Ende der Synode selbstbewusst. Er hat einen Sieg errungen, wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit. Denn auch wenn die meisten der 94 Abschnitte beinahe mit Einstimmigkeit verabschiedet wurden, war für ihn wichtig, dass die kritischen Passagen, die im vergangenen Jahr keine Zweidrittelmehrheit erhalten hatten, nämlich die über die kritischen Themen Homosexualität und wiederverheiratete Geschiedene, dieses Mal auch durchkommen. Und der zentrale Abschnitt über die wiederverheirateten Geschiedenen hat es eben mit einer Stimme über der Zweidrittelmehrheit als knappstem Ergebnis aller Paragrafen geschafft. Der konservative Block konnte den Papst nicht bremsen und der hat jetzt dank guter Regie einen ziemlich offenen Text, mit dem er arbeiten kann. Das wird nicht leichter werden als bisher. Das zeigt die hohe Zahl der Gegenstimmen. Aber Franziskus kann stets auf eine Zweidrittelmehrheit verweisen. Der Preis dafür war, dass man dieses Mal das Thema Homosexualität weitestgehend ausgeklammert hat. Die Synode im vergangenen Jahr hatte gezeigt, dass in diesem Thema zuviel Sprengkraft steckt. Daher wurde es in diesem Jahr durch geschickte Regie auf den bereich der Familien mit homosexuellen Mitgliedern beschränkt. Allerdings stellte schon gestern der Antwerpener Bischof Johan Bonny fest, dass sich die Aussagen zur Bewertung von Situationen, die sich am Einzelnen orieniert, auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften anwenden ließen. Die Diskussion ist also noch lange nicht am Ende.

P.S. Eine weitere Einschätzung gibt es auf heute.de.

P.P.S. Die Synode hat auch eine eigene Erklärung zur Situation im Nahen Osten, in Afrika und der Ukraine verabschiedet. Wie viele Texte in diesen Tagen, liegt auch diese Erklärung bisher nur auf Italienisch vor.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

8 Kommentare

  • Silvia
    25.10.2015, 8:08 Uhr.

    Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weil der Txt des Abschlussdokumentes für den Papst alle Türen offen hält, damit kann er wirklich arbeiten.

    Und nicht nur seine Rede am Schluss der Synode, auch u.a. seine Predigten in Santa Martha während der Synode haben gezeigt, in welche Richtung er gehen will.

    Wenn der Papst nun in absehbarer Zeit sein abschließendes Statement abgibt, wäre es aber sehr wichtig, dass er dann so präzise wie möglich formuliert, damit die Konservativen seine Äußerungen nicht in ihrem Sinn interpretieren können.

    Da sollte er unbedingt eine Lehre aus dem 2. Vatikanum ziehen, dessen Dokumente mit Rücksicht auf die Konservativen so schwammig formuliert worden sind, dass wir bis heute in der Kirche große Schwierigkeiten haben, die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung zu nutzen, weil eben die heutigen Konservativen einem triumphierend erklären wollen, dass in den Konzilsdokumenten ja was ganz anderes drin steht usw.

    Ein Stichwort ist dann auch gerne „Pastoralkonzil“, womit man Bedeutung und Verbindlichkeit des Konzils und seiner Beschlüsse herabstufen will.

    Diese Möglichkeit muss in Zukunft vei den Reformen, die Franziskus durchführen wird, ausgeschlossen sein.

  • Silvia
    25.10.2015, 16:11 Uhr.

    Und hier die Predigt von Papst Franziskus beim heutigen Abschlussgottesdienst:

    http://de.radiovaticana.va/news/2015/10/25/%E2%80%9Epapst_jesus_will_ausgegrenzte_einschlie%C3%9Fen%E2%80%9C/1181919

    Langsam wird es doch eng für die Wortverdreher, die uns immer darüber belehren, dass der Papst „eigentlich“ das Gegenteil von dem gemeint hat, was er gesagt hat.

    Jetzt noch ein eindeutiges lehramtliches Dokument und wir sind einen gewaltigen Schritt weiter.

  • Wanda
    25.10.2015, 17:41 Uhr.

    Silvia 08:08
    – kann eigentlich nur den kritischen Teil Ihres Kommentars, besser: die geäusserten Hoffnungen und Erwartungen nachvollziehen.
    Ergebnis ? Dass man barmherzig und voll der Nächstenliebe gegenüber auch denen sein soll, die (für die Amtskirche weiterhin und unverändert) ein Stigma tragen, d.h. dem Personenkreis der Geschiedenen und Homosexuellen, versteht sich eigentlich von selbst, zumindest für eine Religion, die sich den Schlüsselworten des Nazareners (Zuwendung und nicht Abweisung der Randgruppen) verpflichtet fühlt.
    Man darf bei diesem (ist es denn eines?) Resultat fragen, warum denn überhaupt diskutiert wurde, denn Nächstenliebe und Barmherzigkeit sind sowieso feste Säulen der Christus-Lehre, müssten also nicht auf´s Neue durch Synoden für bestimmte, „aussenstehende“ Gläubige erst beschlossen werden. Sie haben bereits Geltung, seitdem er diese Worte zum Leitprinzip seiner Botschaft machte.
    – Ein derart schwammiges Abschlussdokument bietet jeder Interpretation Raum: sowohl der eines gemässigt-fortschrittlichen als auch der eines konservativen Klerus. Fazit: weiterhin Hüpfen auf der Stelle.

  • bernardo
    25.10.2015, 21:35 Uhr.

    Interessant, wie sehr das auf Italienisch vorliegende Dokument darauf verzichtet, die Christenverfolgung im Nahen Osten anzusprechen. Nur indirekt kann man das herauslesen: „Die Verfolgung aufgrund des Glaubens und der Ethnie“ (la persecuzione a motivo del credo e dell’etnia), „die Zerstörung der Kultorte“, „[die Verletzung] elementarer Rechte wie des Rechts auf Leben und Religionsfreiheit“, (i diritti più elementari, quali quello alla vita e alla libertà religiosa). Dann wird die Verbundenheit mit den Patriarchen, Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Gläubigen benannt (
    vogliamo, pertanto, esprimere la nostra vicinanza ai Patriarchi, ai Vescovi, ai sacerdoti, ai consacrati e ai fedeli), um im nächsten Atemzug auch alle Bewohner des Nahen Ostens miteinzuschließen (come anche a tutti gli abitanti del Medio Oriente). Sind die Christenverfolger damit eingeschlossen und ihre Bündnispartner bei den sunnitischen Stämmen des Irak und Syriens?

    Und dann wird noch Dankbarkeit ausgesprochen für die Aufnahme von Flüchtlingen – „besonders gegenüber Jordanien, dem Libanon, der Türkei und zahllosen europäischen Ländern“ („Mentre siamo grati, in maniera particolare, alla Giordania, al Libano, alla Turchia e a numerosi Paesi europei per l’accoglienza riservata ai rifugiati). Weiß man im Vatikan, dass die Türkei zusammen mit Saudi-Arabien, Katar und Iran zu den Hauptverantwortlichen für diesen grausamen Krieg in Syrien zählt? Offensichtlich nicht. Oder ist es vielleicht sogar egal?

    Pardon, wenn ich es so klar schreibe, aber wenn das alles ist, was zu diesem Thema aus Rom kommt, hätte man besser gar nichts geschrieben.

  • Alberto Knox
    25.10.2015, 22:46 Uhr.

    auch ich bin in summa zufrieden. mäkeln kann man immer – aber hier haben bischöfe zum ersten mal wirklich frei seit dem 2. vatikanum diskutieren können. und eine positive umsetzung durch den papst ist absehbar.

  • Alberto Knox
    26.10.2015, 20:51 Uhr.

    alois glück hat übrigens recht: „Zur Wirklichkeit in der katholischen Kirche gehört leider auch, dass es auch auf Ebene der Kardinäle Gruppierungen gibt, denen alles Recht ist, um den Papst zu diskreditieren, um auf diese erbärmliche Weise den kirchlichen Meinungsbildungsprozess zu gestalten.“

  • Vi
    27.10.2015, 1:18 Uhr.

    Wie wunderbar, dass es endlich einen so klugen und intelligenten Papst gibt! Durch ihn ist die Hoffnung auf mehr Mitmenschlichkeit und Frieden innerhalb der kath.Kirche,angebracht.
    Grausam finde ich weiterhin die Tatsache, dass viele kath.Geistliche die Homosexualität nicht nur kennen, sondern unter dem heuchlerischem Deckmantel des Zölibats auch leben- schwule Bürger jedoch verbal auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Von Geistlichen gezeugte Kinder ganz zu schweigen. …. Starr, beharren sie dennoch auf den Zölibat! Und dann dieser Psycho- Irrsinn der Teufelsaustreiber. ..ich wünsche Papst Franziskus viel Kraft. Bin aus dem Lügenladen Kirche vor langem
    ausgetreten. Das beten habe ich nicht verlernt. Papst Franziskus möge beschützt werden. Amen.

  • Micaela Riepe
    29.10.2015, 19:33 Uhr.

    Wunderbar, einfach wunderbar:

    http://de.radiovaticana.va/news/2015/10/29/synode_einmal_anders_%E2%80%9Eeine_art_maskottchen%E2%80%9C/1182850

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