Synode: Vielfalt bleibt

Die Synode geht auf die Zielgerade. Heute haben die Sprecher der verschiedenen Sprachzirkel die Ergebnisse der Diskussionen der Kleingruppen vorgestellt. Dabei wurde deutlich, die Bandbreite der Ideen, Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen ist nach wie vor breit. Vatikansprecher Federico Lombardi sprach von mehreren hundert Eingaben, die aus den Sprachzirkeln an die Redaktionsgruppe des Schlussdokuments gegangen seien. Das Team wurde von Papst Franziskus um zwei weitere Personen ergänzt: Kardinal Wilfried Fox Napier aus Südafrika und Erzbischof Dennis Hart aus Australien. Damit sind alle Kontinente in dem Gremium vertreten.

Quadratur des Kreises

Es klingt nach der Quadratur des Kreises, was die Redaktionsgruppe für das Abschlussdokument in den nächsten eineinhalb Tagen bewältigen muss. Die elf Mitglieder müssen aus teils sehr gegensätzlichen Eingaben einen Text aus einem Guss formulieren, der dann als Vorbereitungspapier für die Ordentliche Bischofssynode im Herbst 2015 in die Diözesen zur weiteren Diskussion geschickt wird. Es ist schwierig, hier alle Themen und Positionen aufzuführen, die in den zehn Berichten der Sprachzirkel aufgeführt wurden. Zu einem großen Teil wurden sie auch in den vergangenen Tagen schon benannt. Durchweg wurde angemahnt, dass das Papier eine breitere anthropologische und theologische Grundlage brauche sowie eine positive Herangehensweise an die Themen Ehe und Familie.

Es wird immer wieder betont, dass die Synode die positiven Seiten der sakramentalen Ehe herausstellen müsse und das Dokument eine Bestärkung sein solle, sich für eine solche Ehe zu entscheiden bzw. eine solche zu leben. In einigen Eingaben besteht allerdings dabei die Tendenz, dass man die Probleme und Herausforderungen, vor denen Menschen heute stehen, ausblenden möchte. Man muss aufpassen, dass man jetzt nicht ins andere Extrem verfällt. Während der Zwischenbericht einen starken Akzent auf die Probleme legte, dürfen sie am Ende nicht nur zu einem Appendix werden. Wenn es laut Titel der Synode um die Herausforderungen der Familie geht, müssen auch die Probleme benannt werden und auch mögliche Wege für eine Antwort bzw. Lösung.

Problem „Gradualität“

Große Anfragen gibt es an die Analogie der „Gradualität“ in Anlehnung an die Aussagen zur Kirche im Dokument Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils. Hier werden vertiefte theologische Studien vorgeschlagen. Gegensätzlich ist die Position bei der Frage nach der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Hier gibt es einerseits die Forderung, die aktuelle Position nicht zu verändern, also kein Zugang zur Kommunion; andererseits wird eine Änderung für möglich erachtet. Andere Sprachzirkeln schlagen auch hier eine vertiefte theologische Forschung vor. Änderungswünsche gibt es von vielen Sprachzirkeln auch in Bezug auf die Artikel zum Thema Homosexualität. An dieser Stelle wie an vielen anderen spürt man die Spannung und das Ringen darum, einerseits treu zur kirchlichen Lehrtradition zu stehen, andererseits die konkrete Situation der Menschen zu sehen und darauf Antworten zu geben. Manchmal entsteht der Eindruck, die Synodenväter glaubten, dass sie bereits mit dem Schlussdokument abschließende Antworten geben müssten. Dabei ist dieses Papier ja nur eine Zwischenstation im synodalen Prozess.

In fast allen Sprachzirkeln wurde die Tatsache diskutiert, dass die Relatio post disceptationem veröffentlicht wurde. Viele Synodenväter seien überrascht gewesen, heißt es in den Berichten. Die Publikation sei „kontraproduktiv“ gewesen, habe zur „Verwirrung“ beigetragen. Daher gab es nach Angaben von Vatikansprecher Lombardi heute Morgen eine Diskussion im Plenum darüber, ob denn die Berichte der Sprachzirkel veröffentlicht werden sollten. Hier habe man sich mit großer Mehrheit dafür entschieden. Nebenbei sei noch einmal angemerkt, dass die Relatio post disceptationem bei den letzten Synoden immer veröffentlicht worden war. Man darf sehr gespannt sein, wie das im nächsten Jahr sein wird. Vielleicht war ein Problem ja, dass die Journalisten dieses Mal keine Zusammenfassungen der Einzelstatements der Synodenväter bekommen haben. So waren sie immer auf gefilterte Informationen der offiziellen Briefer angewiesen, wenn sie nicht mit allen knapp 250 Synodenteilnehmern persönlich reden wollten oder konnten.

Sicher ist auf jeden Fall, dass die Relatio sinodi, das Schlussdokument, am Samstag erst einmal nicht veröffentlicht werden wird, wenn Kardinal Erdö es am Vormittag vorträgt. Die Journalisten werden die Rede auch nicht live mitverfolgen können, anders als bei den anderen beiden Relationes. Unklar ist, ob bis zum Ende der Synode am Samstagabend wirklich ein Enddokument vorhanden sein wird. Dem Vernehmen nach sollen die Synodenväter über jeden Abschnitt einzeln abstimmen. Ob dafür die Sitzung am Samstagnachmittag reicht, ist bisher nicht klar. Schon werden Szenarien beschrieben, dass Papst Franziskus ein Autorengremium bitten könnte, in den nächsten Tagen die in der Diskussion am Samstag aufkommenden Änderungswünsche in das Dokument einzuarbeiten, so dass es dann erst mit zeitlichem Verzug veröffentlicht werden würde.

Dementis

Kardinal Gerhard Ludwig Müller ließ heute über Vatikansprecher Lombardi offiziell mitteilen, dass er die Äußerungen zum Zwischenbericht, die ihm laut italienischen Medien und in der Folge auch in internationalen Medien zugeschrieben wurden, nicht gesagt hat. Die Zeitung „La Repubblica“ hatte Müller mit den Worten zitiert, die Relatio post disceptationem sei „beschämend und komplett falsch“. Auch Kardinal Walter Kasper hat mittlerweile dementiert, dass er sich gegenüber einer römischen kirchlichen Nachrichtenagentur negativ über die afrikanischen Bischöfe und ihre Anliegen geäußert habe.

P.S. Man merkt in diesen Tagen sehr stark, dass über, aber auch durch Medien Politik gemacht wird hier in Rom. Was die Entwicklung der Synode anbetrifft, könnte man wohl sagen: zwei Schritte vor, einen zurück.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.