Mit dem Papst auf Reisen

Pünktlich um 8.15 Uhr rollt der Airbus A321 „Piazze del Duomo – Lecce“ der italienischen Fluggesellschaft Alitalia Richtung Startbahn. Papst Franziskus sitzt auf 1C, liest Zeitung. Es könnte seine eigene sein, der L’Osservatore Romano. Um 8.33 Uhr hebt Flug AZ4000 ab. Ziel: die jordanische Hauptstadt Amman, der ersten Station der dreitägigen Reise ins Heilige Land von Papst Franziskus.  Vor 50 Jahren machte Paul VI. die erste Papstreise der Moderne ins Ausland. Ziel war ebenfalls das Heilige Land. Auf diesen Spuren ist Franziskus jetzt unterwegs.

Keine Pressekonferenz

Kaum ist die Flughöhe erreicht, kommt Franziskus zu den rund 70 mitreisenden Journalisten aus 15 Ländern. Laut Pressesprecher Federico Lombardi gab es seit der Reise von Papst Benedikt XVI. in die Türkei Ende November 2006 (wenige Wochen nach der Regensburger Rede Anfang September 2006) nicht mehr eine so große Nachfrage nach Journalistenplätzen im Papstflieger wie bei der aktuellen Reise. Anders als sein Vorgänger Benedikt XVI. gibt Franziskus keine Pressekonferenz auf dem Hinflug. Er bedankt sich für die Arbeit der Journalisten bei dieser Reise, die sehr anstrengend und anspruchsvoll werde. Und er verspricht, dass es auf dem Rückflug eine Pressekonferenz geben werde. Er versichert den Journalisten noch, dass er keine Angst mehr vor ihnen habe. Das ist eine Anspielung auf die letzte Papstreise nach Brasilien. Damals hatte ihn eine Kollegin sinngemäß begrüßt mit den Worten: „Willkommen in der Höhle des Löwen, wie wir Journalisten oft bezeichnet werden. Aber wir sind gar nicht so schlimm.“ Schon bei der langen Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio hatte Franziskus damals schmunzelnd festgestellt, dass die Journalisten gar nicht so schlimm seien. Jetzt nahm er dieses Wortspiel wieder auf.

Dann geht er durch die Reihen und begrüßt jeden Journalisten persönlich.  Wie schon bei seinem kurzen Statement vermeidet er bei den kurzen Begegnungen mit den Medienleuten jeglichen Kommentar zur Reise. Fragen hört er sich geduldig an, lächelt und geht mit der Bitte um das Gebet für ihn weiter. Mit den Kollegen, die er aus früheren Zeiten kennt, wechselt er noch ein paar allgemeine Worte. Doch zur Reise, Erwartungen, Hoffnungen, Zielen – niente. Er wirkt doch etwas angespannt. Möchte er im Vorfeld nichts sagen, weil er bei seinem Vorgänger gesehen hat, dass diese PKs auch schief gehen können und plötzlich mit einem unbedachten oder falsch verstandenen Satz die eigentlichen Inhalte der Reise völlig überdeckt werden? Eine lange PK auf der Rückreise bietet natürlich die Möglichkeit, auch Themen anzusprechen, die weit über die Reise hinausgehen. Daher dürften für Montagabend durchaus Neuigkeiten zur Kurienreform, zur Familiensynode und anderen aktuellen Themen des Pontifikats zu erwarten sein.

20 Minuten dauert sein Ausflug in die Holzklasse. Dann schließt sich der Vorhang wieder und Franziskus kehrt zu seinem Platz in der ersten Reihe zurück. Begleitet wurde er übrigens vom Reisemarschall Alberto Gasbarri und Pressesprecher Federico Lombardi sowie einigen Sicherheitsleuten. Von den Sekretären und dem Kardinalstaatssekretär, die im Pontifikat von Benedikt XVI. den Pontifex bei solchen Gelegenheiten einrahmten, war, wie schon bei der ersten Auslandsreise nach Rio de Janeiro im Juli 2013, nichts zu sehen.

Zwischen Religion und Politik

Bei der Generalaudienz am Mittwoch hatte Franziskus betont, dass seine Reise „ausschließlich religiöse Bedeutung“ habe. Allerdings sind im Nahen Osten Religion und Politik so eng miteinander verbunden, dass der Besuch natürlich höchst brisant ist. Die Politik, die Beziehungen der Religionen zueinander, selbst der Christen untereinander sind höchst kompliziert und oft angespannt. In Jerusalem und Bethlehem sind beispielsweise unter den Christen die Zuständigkeiten bis hinein zu den Gebetszeiten durch den sogenannten „status quo“ geregelt – eine Vereinbarung, die 1852 unter den osmanischen Machthabern getroffen wurde.

Nach dem Status quo beten die verschiedenen Kirchen in der Grabeskirche in Jerusalem normalerweise nacheinander oder zumindest an verschiedenen Orten innerhalb des Gebäudekomplexes. Franziskus hat es nun fertig gebracht, dass am Sonntagabend die christlichen Kirchen gemeinsam beten. Vertreter von rund einem Dutzend Kirchen sollen anwesend sein. Mit dem ökumenischen Gebet wird an die historische Begegnung von Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras 1964 in Jerusalem erinnert. Diese führte zur Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation von Katholiken und Orthodoxen aus dem Jahr 1054. Das 50-Jahr-Jubiläum ist der Anlass der Papstreise. Bereits kurz nach der Wahl von Franziskus machte der heutige Ökumenische Patriarch Bartholomaios den Vorschlag für diese Jubiläums-Pilgerfahrt. Franziskus nahm den Vorschlag an. Gleich viermal werden sich das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken weltweit und das Ehrenoberhaupt von weltweit rund 400 Millionen Orthodoxen in Jerusalem treffen. Die Hoffnungen sind groß, dass von den Begegnungen wichtige Impulse für die Ökumene ausgehen. Wobei nicht nur die Unterschiede zwischen Katholiken und Orthodoxen große Herausforderungen für die Ökumene bedeuten, sondern die ständigen innerorthodoxen Streitigkeiten behindern den interkonfessionellen Dialog.

12.20 Uhr erreicht der Flieger die Küste Israels. Noch 40 Minuten bis zur Landung in Amman. In der Economy herrscht großes Durcheinander. Während die einen noch beim Mittagessen sind, arbeiten die anderen an ihren Texten oder schneiden die ersten Filme. Über der kargen Landschaft Jordaniens wird der Flug unruhig beim langsamen Landanflug. Es sind hoffentlich die einzigen „Unruhen“ für die nächsten drei Tage. Denn das Klima ist teilweise sehr aufgeheizt. In Israel nahm in den letzten Wochen der Vandalismus an christlichen Einrichtungen zu. Die Polizei vermutet extremistische Juden, die eine Rückgabe des so genannten Abendmahlsaals von Israel an den Vatikan befürchten. In dem Gebäudekomplex befindet sich auch die Stätte, die von den Juden als Grab Davids verehrt wird. Der Vatikan hat im Vorfeld der Reise klargestellt, dass er am Status quo nichts ändern möchte.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.