Weniger Europa, mehr Weltkirche
Nun stehen sie endlich fest, die ersten neuen Kardinäle im Pontifikat von Papst Franziskus. 16 neue Wahlkardinäle wird es geben sowie drei Kardinäle, die das 80. Lebensjahr bereits überschritten haben. Auch ein Deutscher ist unter den neuen Purpurträgern: Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Chef der vatikanischen Glaubenskongregation. Auffallend ist, dass außer den vier Kuriennomminierungen nur zwei Europäer dabei sind. Neben einem Kanadier kommen neun neue Kardinäle aus Südamerika (5), Afrika (2) und Asien (2). Unter den über 80-Jährigen sticht Erzbischof Loris Francesco Capovilla (98) hervor. Er war Sekretär von Papst Johannes XXIII., den Franziskus sehr schätzt und Ende April heilig sprechen wird.
Die engsten Mitarbeiter
Mit den Erzbischöfen Pietro Parolin, dem vatikanischen Staatssekretär, und Gerhard Ludwig Müller nimmt Papst Franziskus zwei seiner engsten Mitarbeiter in den „Senat der Kirche“ auf. In Parolin, seit Mitte Oktober im Amt, setzen viele große Hoffnungen bei einer strafferen Organisation der Kurie und besserer interner Kommunikation; und das jenseits der großen Kurienreform, die Franziskus plant. Denn diese wird noch Monate, gar Jahre dauern. Doch der Apparat muss nach neun Monaten des neuen Pontifikats endlich richtig in Gang kommen. Unzufriedenheit macht sich breit. Hier ist Parolin gefragt.
Gerhard Ludwig Müller hingegen ist eher für Inhalte zuständig. Die Kardinalswürde für den ehemaligen Regensburger Bischof zeigt, Papst Franziskus will mit ihm zusammenarbeiten. Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung Papst und oberster Glaubenswächter bisweilen auf unterschiedlichen Wegen unterwegs scheinen, für Franziskus geht das zusammen. Er weiß, was er an dem Theologen Müller hat. Mit Spanisch sprechen sie eine gemeinsame Sprache und Müllers Nähe zur Befreiungstheologie ist dem Papst vom anderen Ende der Welt sympathisch. In der aktuellen Auseinandersetzung um die wiederverheirateten Geschiedenen dürfte es Müllers Rolle als oberstem Glaubenswächter sein, immer wieder an die kirchliche Tradition zu erinnern. Das dürfte aber aus Sicht des Papstes nicht ausschließen, dass die Lehre weiterentwickelt wird.
Ein protokollarisches Detail und ein Überraschungs-Italiener
Die beiden anderen neuen Kurienkardinäle sind Franziskus‘ Männer. Dem Chef des Synodensekretariats Lorenzo Baldisseri (73) hatte Franziskus noch im Konklave sein rotes Scheitelkäppchen aufgesetzt mit den Worten „Jetzt bist Du ein halber Kardinal.“ Damit war klar, beim nächsten Konsistorium wird der italienische Diplomat den Purpur erhalten. Baldisseri hat die Aufgabe, die Synoden zum Thema „Ehe und Familie“ 2014 und 2015 zu managen, in die Papst wie Gläubige weltweit große Hoffnungen setzen. Auffallend ist, dass Franziskus Baldissseri an zweiter Stelle nach Parolin und noch vor Müller und dem anderen Leiter eines Dikasteriums, Stella, benannt hat. Das ist zwar nur ein protokollarisches Detail, dürfte aber sehr bewusst geschehen sein. Franziskus misst dem Synodensekretariat große Bedeutung bei. Es steht protokollarisch damit noch vor der Glaubenskongregation. Beniamino Stella ist seit September 2013 Chef der Kleruskongregation. Die Spitze der für weltweit mehrere hunderttausend Priester zuständigen Kongregation ist die einzige, die Franziskus seit seiner Wahl ausgetauscht hat.
Da in der Kurie schon drei Italiener unter den neuen Kardinälen sind, mussten Turin und Venedig auf den Kardinalsrang verzichten. Stattdessen macht Franziskus den Erzbischof von Perugia zum Kardinal. Das ist eine Überraschung, denn die umbrische Stadt ist kein traditioneller Kardinalssitz. Doch Papst Franziskus scheint Erzbischof Gualtiero Bassetti zu schätzen. Ende 2013 ernannte er den 71-Jährigen zum Mitglied in der vatikanischen Bischofskongregation als Nachfolger des Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz (CEI), Kardinal Angelo Bagnasco. Bassetti ist stellvertretender CEI-Vorsitzender. Im November wählen die Italiener einen neuen Vorsitzenden. Schon wird spekuliert, ob Bassetti Franziskus‘ Wunschkandidat ist. D.h. wählen ist bisher bei der CEI nicht üblich. Denn eigentlich bestimmt der Papst in Italien den Vorsitzenden. Das könnte sich unter Franziskus aber ändern.
Weniger Europäer, viele aus dem „Süden“
Vier Europäer in der Kurie plus ein italienischer „Herzenskandidat“. Da blieb für Europa nur noch ein Kardinalsbirett. Das bekommt der Erzbischof von Westminster Vincent Gerard Nicols (68). Andere traditionelle Kardinalssitze wie Toledo, Lissabon oder Brüssel gingen leer aus. Denn es war zu erwarten, dass Papst Franziskus einen starken Akzent auf den „Süden“ legen wird. Dreiviertel der Katholiken leben in Afrika, Asien und Südamerika. Doch bisher sind nur ein Drittel der Kardinäle unter 80 Jahren aus diesen Ländern. Papst Franziskus hat jetzt neun neue „Süd-Kardinäle“ benannt: aus Lateinamerika Leopoldo Jose Brenes Solorzano (64), Erzbischof von Managua/Nicaragua, Ricardo Ezzati Andrello (72), Erzbischof von Santiago de Chile/Chile, Chibly Langlois (55), Erzbischof von Les Cayes/Haiti, Mario Aurelio Poli (66), Erzbischof von Buenos Aires/Argentinien, Orani Joao Tempesta (63), Erzbischof von Rio de Janeiro/Brasilien; aus Afrika: Jean-Pierre Kutwa (68), Erzbischof von Abidjan/Elfenbeinküste, und Philippe Nakellentuba Ouedraogo (68), Erzbischof von Ouagadougou/Burkina Faso; aus Asien Orlando Beltran Quevedo (74), Erzbischof von Cotabato/Philippinen, und Andrew Yeom Soo-jung (70), Erzbischof von Seoul/Südkorea. Der Vollständigkeit halber sei noch der neue Kardinal von Quebec genannt: Erzbischof Gerald Cyrien Lacroix (56).
Nächstes Konsistorium im Frühjahr 2015?
Damit steigt der Anteil der „Süd-Kardinäle“ unter den Papstwählern von 34 auf 38 Prozent. Das ist nicht viel – aber steter Tropfen … Es sind die ersten 19 neuen Kardinäle, die Franziskus ernennt (16 davon Papstwähler). Sein Vorgänger, Benedikt XVI., hat in seiner achtjährigen Amtszeit bei fünf Konsistorien 90 Kardinäle benannt. Franziskus ist mit der Ernennung der 16 wahlberechtigten Kardinäle nur um zwei über die Grenze von 120 Wahlkardinälen hinausgegangen. Am 22. Februar wird es 122 wahlberechtigte Kardinäle geben. Und das, obwohl in diesem Jahr von März bis Dezember noch 10 Kardinäle die Altersgrenze von 80 Jahren überschreiten werden. Dies lässt dem Papst die Möglichkeit, bereits im Frühjahr 2015 wieder rund ein Dutzend neuer Kardinäle zu ernennen.
Beratungen über „Ehe und Familie“ beginnen.
Franziskus hat jetzt auch offiziell angekündigt, dass er im Vorfeld des feierlichen Konsistoriums zur Aufnahme der neuen Kardinäle (22./23.2.) zwei Tage (20./21.2.) mit allen Kardinälen über das Thema „Familie“ sprechen möchte. Wie zu hören ist, wird unter anderem Kardinal Walter Kasper ein Impulsreferat zum Thema halten. Damit nehmen die Beratungen über „Ehe und Familie“ Fahrt auf. Fortgesetzt werden sie bei der Außerordentlichen Bischofssynode im Oktober sowie dann ein Jahr später bei der Ordentlichen Bischofssynode im Herbst 2015.
P.S. Neben Erzbischof Capovilla, dem Sekretär von Papst Johannes XXII., werden auch der emeritierte Erzbischof von Pamplona, Fernando Sebastián Aguliar (84), und der emeritierte Erzbischof von Castries/Santa Lucia, Kelvin Edward Felix (80) ins Kardinalskollegium aufgenommen.
P.P.S. Am 22. Februar setzt sich das Kardinalskollegium wie folgt zusammen:
Europa: über 80 Jahre: 55, Papstwähler: 61, insgesamt: 116
Nordamerika: über 80 Jahre: 8, Papstwähler: 15, insgesamt: 23
Südamerika: über 80 Jahre: 16, Papstwähler: 19, insgesamt: 35
Afrika: über 80 Jahre: 6, Papstwähler: 13, insgesamt: 19
Asien: über 80 Jahre: 8, Papstwähler: 13, insgesamt: 21
Ozeanien: über 80 Jahre: 3, Papstwähler: 1, insgesamt: 4
Insgesamt: über 80 Jahre: 96, Papstwähler: 122, insgesamt: 218
P.P.P.S. Ab dem 22. Februar gibt es dann zehn deutsche Kardinäle. Neben Gerhard Ludwig Müller (66) sind dies die Kardinäle Paul Josef Cordes (79), Karl Lehmann (77), Reinhard Marx (60) und Rainer Maria Woelki (57) als Papstwähler sowie die Kardinäle Walter Kasper (80), Joachim Meisner (80), Friedrich Wetter (85), Karl Josef Becker (85) und Walter Brandmüller (85).
P.P.P.P.S. Gespannt darf man sein, ob Papst Franziskus bei der Kreierung der neuen Kardinäle eigene Akzente setzen wird. Werden die neuen Purpurträger einen goldenen Kardinalsring bekommen?