Spiritueller Papst

Papst Franziskus setzt in diesen Tagen stark spirituelle Akzente. Während viele Beobachter erwarteten, dass der „Papst der Armen“ gleich in den ersten Wochen Sozialeinrichtungen besuchen wird, konzentriert sich der Pontifex in seinen öffentlichen Auftritten auf Messen, Andachten und Rosenkranzgebet. Zwar hat er in der vergangenen Woche die Mutter-Teresa-Schwestern besucht, die am Rande des Vatikans Obdachlose versorgen; doch das Treffen folgte eher dem steifen vatikanischen Protokoll mit Reden und Handshakes als einer wirklichen Begegnung inmitten derer, die am Rande stehen. Auch große Reisen nimmt er für dieses Jahr nicht in Angriff, vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro abgesehen. In Italien stehen Assisi und ein Marienwallfahrtsort auf Sardinien auf dem Programm.

Papst besucht vatikanische Sozialeinrichtung. (dpa)

Das schmälert nicht sein Engagement für die Ausgegrenzten. Deutliche Worte fand Franziskus ja vor wenigen Tagen, als er eine Reform des Finanzsystems forderte und die Dominanz der Wirtschaft sowie der Finanzwelt kritisierte. Auch bei den Begegnungen mit Politikern sind die Themen Gerechtigkeit und Wirtschaftskrise stets auf der Tagesordnung. Katholische Reformthemen stehen hingegen bisher nicht in seinem Fokus.

Franziskus’ Akzent liegt derzeit ganz klar auf den Themen Evangelisierung und Ermutigung der Gläubigen, ihr Christsein selbstbewusst zu leben. Das passt übrigens zu seiner Rede, die er im Vorkonklave gehalten hat und mit der er wohl viele Kardinäle für sich eingenommen hat. Damals sagte er in Bezug auf den nächsten Papst: „Er soll ein Mann sein, der – ausgehend von der Betrachtung und Anbetung Jesu Christi – der Kirche hilft, aus sich selbst herauszugehen und sich an die Ränder der menschlichen Existenz vorzuwagen. Er soll der Kirche helfen, die fruchtbare Mutter zu werden, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung des Evangeliums’ lebt.“ Für Franziskus ist dabei entscheidend, dass das Ganze auf einem soliden spirituellen Fundament steht. Morgen beschließt er den Marien-Monat Mai mit einem großen öffentlichen Rosenkranzgebet auf dem Petersplatz; am Sonntag gibt es am Nachmittag im Petersdom eine Eucharistische Anbetung, die zeitgleich überall auf der Welt in katholischen Kirchen abgehalten wird.

Damit zeigt sich, dass der neue Papst anders ist, als man vielleicht nach den ersten Tagen und dem radikalen Stilwechsel dachte. Einmal mehr wird deutlich: Franziskus passt nicht in die üblichen Schubladen.

P.S. Die interessanten Morgenpredigten von Papst Franziskus werden übrigens nicht komplett veröffentlicht. Das habe der Papst selbst entschieden, erklärte jetzt Vatikansprecher Federico Lombardi. Franziskus halte die Predigten frei. Auch wenn der Papst Italienisch gut beherrsche, müssten die Texte vor einer Veröffentlichung dann noch einmal überarbeitet werden. Der Papst wolle aber den familiären Charakter der Morgengottesdienste im Gästehaus Santa Marta erhalten und wünsche daher keine Live-Übertragungen sowie auch keine Komplettveröffentlichung der Texte. In Auszügen werden sie auch künftig in der Vatikanzeitung Osservatore Romano sowie bei Radio Vatikan publiziert. Die Morgenpredigten waren in den letzten Wochen zunehmend auf Interesse gestoßen, weil Franziskus dort oft sehr lebensnah, mit einfachen Worten, einer bildreichen Sprache – bisweilen mit kleinen Geschichten – das Tagesevangelium auslegt – Aufsehen erregte dabei etwa seine Kritik an zuviel Bürokratie in der Kirche, die Ablehnung einer „Babysitter-Kirche“ oder von Christen, die wie „in Essig eingelegte Peperoni“ wirkten.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.