Papst in Mexiko – Teil 3

„Wir haben uns für Jesus entschieden und nicht für den Teufel“, rief Franziskus heute den mehreren hundertausend Mexikanern beim Gottesdienst in Ecatepec zu. Die Stadt rund 30 Kilometer vor den Toren von Mexiko-Stadt ist eine Hochburg der Gewalt und von Armut gezeichnet. Und der Papst ließ keinen Zweifel daran, was des Teufels ist und was von Jesus. Korruption, Eitelkeit und Hochmut sind des Teufels, „Solidarität und die Achtsamkeit gegenüber dem anderen“ von Jesus. Franziskus rief jeden Mexikaner auf, sich zu prüfen, auf welcher Seite er stehe. Beim anschließenden Angelusgebet appellierte der Papst noch einmal nachdrücklich an die Solidarität. Mexiko solle durch das Engagement der Menschen zu einem Land werden, „wo es nicht nötig ist auszuwandern, um träumen zu können; wo es nicht nötig ist, ausgebeutet zu werden, um arbeiten zu können; wo es nicht nötig ist, die Verzweiflung und die Armut Vieler zum Opportunismus einiger Weniger zu machen“. Am Abend besuchte Franziskus ein Kinderkrankenhaus in der mexikanischen Hauptstadt.

Papst Franziskus beim Gottesdienst in Ecatepec. (Quelle: dpa)

Papst Franziskus beim Gottesdienst in Ecatepec. (Quelle: dpa)

Gegen Korruption und für Solidarität

Nicht „Vater meiner“ sondern „Vater unser“ laute das Gebet der Christen, so Franziskus in seiner Predigt. Die Fastenzeit sei die „Zeit der Umkehr“, um sich loszusagen vom „Vater der Lüge“, der letztendlich eine „geteilte, entzweite Gesellschaft hervorbringt. Eine Gesellschaft Weniger für Wenige.“ Der Papst wird nicht müde, die wunden Punkte in Mexiko zu benennen. Nach den deutlichen Worten an die Politiker, versucht er nun, die Gläubigen auf einen Kurswechsel einzuschwören, damit Mexiko zu einem Land wird, „das nicht Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder beweinen muss, die zugrunde gerichtet in den Händen der Händler des Todes enden“. Franziskus flog über 10.000 Kilometer, um in einer Armenstadt vor den Toren von Mexiko-Stadt Seelsorger zu sein. „Wie viel hat jeder von euch durchmachen müssen, um bis hierher zu gelangen“, rief den den Hundertausenden zu. Er ermutigte die Menschen, „dieses gesegnete mexikanische Land zu einem Land der Chancen zu machen“.

Ursprünglich wollten die lokalen Veranstalter den Sonntagsgottesdienst heute in einer Stadt feiern, in der die Regierungspartei eine große Mehrheit hat. Doch der Vatikan lehnte das ab. Stattdessen wählte man Ecatepec, eine Stadt, in der die Menschen unter großer Armut leiden. 1,6 Millionen Menschen leben in der Metropole rund 30 Kilometer von Mexiko-Stadt entfernt. Ecatepec ist die Stadt mit der zweithöchsten Bevölkerungsdichte in Mexiko; weltweit steht sie auf Platz 15. Zum Mittagessen zog sich Franziskus ins Priesterseminar des Bistums zurück. Den Seminaristen schrieb er ins Gästebuch: Seid Hirten und nicht Diener des Staates.

Viel Zeit für Kranke

Nach seiner Rückkehr aus Ecatepec besuchte Franziskus am späten Nachmittag ein Kinderkrankenhaus. Er nahm sich viel Zeit, um kranke Kinder einzeln zu begrüßen. Er dankte allen, die sich um die Kranken sorgen. „Es ist so wichtig, sich umsorgt und begleitet zu wissen; sich geliebt zu fühlen und zu wissen, dass Menschen danach streben, uns auf die beste Weise zu versorgen.“ Franziskus versuchte den kranken Kindern, darunter vielen Krebskranken, zu zeigen, was er unter einer „Medizin der Nähe und der Zärtlichkeit“ versteht.

P.S. Ein Nachtrag noch zum Thema „weniger Menschen am Straßenrand“ von gestern. In Mexiko, wie in allen anderen Ländern des „katholischen Kontinents“, nimmt die Kirchenbindung ab. Daher trifft Franziskus auf ein anderes Mexiko als das, das Johannes Paul II. seinerzeit gleich fünf Mal besuchte. Laut einer Erhebung des US-Pew-Instituts von Ende 2014 nahm der Anteil der Katholiken in Mexiko zwischen 1910 und 1970 um drei Prozent ab; zwischen 1970 und 2014 waren es dann schon 15 Prozent. Damit ist Mexiko zwar noch weit von Ländern wie Honduras entfernt, wo zwischen 1970 und 2014 der Katholikenanteil um 47 Prozent zurückging, oder El Salvador und Nicaragua, wo er im selben Zeitraum um 43 Prozent gesunken ist. Insgesamt ging nach den Statistiken des Pew-Instituts der Anteil der Katholiken in Lateinamerika von 1910 bis 2014 von 94 Prozent auf 69 Prozent zurück, während der der Protestanten, inklusive der evangelikalen und penetkostalen Gruppierungen, von einem auf 19 Prozent anstieg. Die katholische Kirche wird sich der Frage stellen müssen, welchen Anteil sie selbst durch ihr Verhalten an der Krise hat. Vor diesem Hintergrund ist die Brandrede von Papst Franziskus beim Treffen mit dem mexikanischen Episkopat gestern auch zu lesen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • Alberto Knox
    15.02.2016, 18:28 Uhr.

    lieber herr erbacher,

    sie schrieben: „Nicht „Vater meiner“ sondern „Vater unser““ – müsste es nicht „vater mein“ heißen?

    „Die katholische Kirche wird sich der Frage stellen müssen, welchen Anteil sie selbst durch ihr Verhalten an der Krise hat. Vor diesem Hintergrund ist die Brandrede von Papst Franziskus beim Treffen mit dem mexikanischen Episkopat gestern auch zu lesen.“

    das sehe ich auch so. gottseidank haben wir nun einen papst, der weniger falsch macht als seine beiden vorgänger, die ich für katastrophale fehlbesetzungen halte.

  • Silberdistel
    16.02.2016, 10:49 Uhr.

    Wär aber nicht nötig gewesen, das Franziskus immer noch diese potthässliche Ferula von Scorzelli speziell auf dem lateinamerikanischen Kontinent spazieren führt. Wo es doch die Crux Gloriosa gibt, die ausschließlich aus „ethisch“ korrekten Materialien (Mahagoni, Bronze und Silber) aus Argentinien und Honduras hergestellt wurde, welche umweltverträglich gewonnen wurden und die örtliche Bevölkerung nicht ausbeuten.

    • Alberto Knox
      16.02.2016, 23:35 Uhr.

      schauen sie, ich finde die ferula paul vi. immer noch ein beeindruckendes kunstwerk. es entspricht eben ihrem geschmack, dass sie ihnen nicht gefällt. aber deswegen müssen dem papst nicht vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.