Papst trifft Missbrauchsopfer

Es war das erste Mal, dass Papst Franziskus Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kleriker getroffen hat. Die sechs, je zwei aus Deutschland, Großbritannien und Irland, waren als Minderjährige missbraucht worden. Am Morgen feierte Franziskus zunächst mit ihnen einen Gottesdienst, danach hat er mit ihnen einzeln gesprochen. In seiner Predigt beim Gottesdienst fand Franziskus deutliche Worte. Erstmals sprach ein Papst dabei deutlich Versäumnisse von Kirchenführern im Umgang mit Missbrauchsfällen an. „Ich verpflichte mich, keine Verletzung zu tolerieren, die irgendjemand einem Minderjährigen zufügt, ohne Rücksicht auf seinen klerikalen Stand.“ Bischöfe müssten Rechenschaft über ihren Umgang mit Missbrauchsfällen ablegen.

Die Worte von Papst Franziskus waren deutlich, die Gesten klar. Bereits gestern Abend begrüßte er die sechs Erwachsenen, die jeweils mit einer Begleitperson ins vatikanische Gästehaus Santa Marta gekommen waren, wo auch Papst Franziskus wohnt. Beim Abendessen gab es eine erste kurze Begegnung. Dann am Morgen der Gottesdienst. Das Messformular war jenes für Frieden und Gerechtigkeit. In seiner Predigt sprach er endlich klar aus, worauf viele Opfer seit langer Zeit von Seiten der Kirche warten: „Ich bitte um Vergebung auch für die Sünden der Unterlassung seitens der Verantwortlichen der Kirche, die nicht angemessen auf Missbrauchsanzeigen von Angehörigen und Missbrauchsopfern reagiert haben. Dies hat denen, die missbraucht wurden, zusätzlich Leid zugefügt und andere Minderjährige in Gefahr gebracht, die Risiken ausgesetzt waren.“

Franziskus bat die Missbrauchsopfer „demütig“ um Vergebung. Die Taten der Kleriker bezeichnete er als „Sakrileg“. Er hoffe, dass die von ihm eingesetzte Kinderschutzkommission dazu beitrage, „dass wir in der Weltkirche die bestmöglichen Strategien und Maßnahmen ergreifen zum Schutz von Minderjährigen und zur Schulung von Kirchenmitarbeitern, um diese Strategien und Maßnahmen umzusetzen“. Nach dem Gottesdienst traf sich Franziskus mit den Betroffenen und ihren Begleitpersonen zum Einzelgespräch. Jede Begegnung dauerte etwas mehr als eine halbe Stunde.

Franziskus hat mit seinen Worten und mit den Gesprächen noch einmal ein klares Zeichen gesetzt, dass es ihm ernst ist bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sowie bei der Prävention. Nachdem in den ersten Monaten seines Pontifikats das drängende Thema des Missbrauchs etwas ins Hintertreffen geraten schien, hat der Papst dieses wieder ganz nach oben auf der Agenda geholt. Es wird sich jetzt in der Praxis zeigen müssen, ob diese Linie auch von den Mitarbeitern im Vatikan und den einzelnen Diözesen umgesetzt wird. Zwar wurde vor wenigen Tagen ein ehemaliger Nuntius aus dem Klerikerstand entlassen; doch darf dies kein Einzelfall bleiben. Vor allem müssen die Stukturen der Vertuschung aufgedeckt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und die Päventionsmaßnahmen auch wirklich implementiert werden. An dieser Stelle gibt es noch viel zu tun in der katholischen Weltkirche.

P.S. Bisher gibt es bei Radio Vatikan nur eine ausführliche Zusammenfassung der Papstpredigt in deutscher Sprache.

P.P.S. Gestern tagte im Vatikan auch die neue Kinderschutzkommission. Bei den Beratungen ging es unter anderem um die Frage nach zusätzlichen Mitgliedern. Es sollen möglichst alle Kontinente sowie weitere Betroffene an der Arbeit beteiligt werden, um so eine größere Effektivität zu erreichen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.