Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Zuviel Zentralismus?

Blick in die Konzilsaula (dpa)

Gibt es in der katholischen Kirche zuviel Zentralismus? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, sieht im Zentralismus auf jeden Fall eine der unbearbeiteten Aufgaben des II. Vatikanischen Konzils. Das erklärte er gestern Abend in München im Rahmen einer Jubiläumsveranstaltung zum 50. Jahrestag der Eröffnung des Konzils. Als Beispiel nennt Lehmann etwa den Bereich der Liturgie. Da habe das Konzil durch die Liturgiereform relativ viel Freiheit ermöglicht. Doch heute bestimme etwa Rom über ein neues Gebet- und Gesangbuch für die Kirche in Deutschland. „Wir haben uns auch einfach manches gefallen lassen,“ wird der Kardinal zitiert. In einigen Angelegenheiten „hätte man auf den Tisch hauen müssen“.

Wie viel Freiheit haben die Ortskirchen? Was muss mit Rom abgesprochen werden und wo können etwa Bischöfe autark handeln? Immerhin haben sie „eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt“ des Lehrens und Leitens. Müssen sie da etwa bei der Ernennung von Theologen an den Universitäten unbedingt in Rom Rücksprache halten? Können sie nicht auch alleine über ein neues Gesang- und Gebetbuch entscheiden? Wer entscheidet, wie ein liturgisches Buch – derzeit konkret das Messbuch – richtig ins Deutsche übersetzt wird: Rom oder die entsprechende Fachkommission der Deutschen Bischofskonferenz? Ein weiteres Beispiel ist etwa der lange Streit um den Ausstieg der katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung in den 1990er Jahren. Die Liste könnte man weiter fortführen. Das Konzilsjubiläum dürfte auch bei der Frage nach dem Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche eine gute Gelegenheit sein, über die richtige Zuordnung nachzudenken – und die Frage, ob es nicht doch zuviel Zentralismus gibt.

Erzbischof Müller vorerst nicht Kardinal

Es ist eine doppelte Überraschung: Benedikt XVI. hat für den 24. November ein Konsistorium einberufen – doch Erzbischof Gerhard-Ludwig Müller, der Chef der Vatikanischen Glaubenskongregation und damit dritte Mann in der katholischen Kirche, ist nicht dabei. Eine ungewöhnliche Entscheidung; galt es doch gleichsam als ungeschriebenes Gesetz, dass Müller, ein enger Vertrauter des Papstes, bei der nächsten Kardinalskreierung mit dabei sein würde. Gut, der ehemalige Regensburger Bischof ist mit seinen 64 Jahren noch jung und kann daher auch noch etwas warten; doch kann ein so wichtiger Posten im Vatikan längere Zeit ohne den Kardinalspurpur bleiben? Haben sich etwa im Vatikan die Kräfte durchgesetzt, denen Müller nicht zuletzt wegen seiner guten Beziehungen zum Befreiungstheologen Gustavo Gutiérrez zu liberal ist, und die eigentlich schon seine Ernennung zum Chef der Glaubenskongregation verhindern wollten?

Sechs neue Kardinäle gibt es Ende November. Dazu gehören die Erzbischöfe von Abuja in Nigeria, John Olorunfemi Onaiyekan, Bogota, Rubén Salazar Gómez, und Manila, Luis Antonio Tagle, sowie der maronitische Patriarch Béchara Boutros Raï (Libanon) und der syro-malankarische Großerzbischof Baselios Cleemis Thottunkal (Indien). Mit dem kleinen Konsistorium schafft der Papst einen kleinen Ausgleich zur letzten Kardinalskreierung im Februar dieses Jahres. Damals kamen 10 der 22 neuen Kardinäle aus der römischen Kurie; viele von ihnen Italiener. Das hatte zu Unmut geführt. Mit dem Konsistorium am 24. November wären genau 120 Kardinäle wahlberechtigt (d.h. unter 80 Jahren) in einem Konklave. Paul VI. hatte festgelegt, dass diese Grenze nicht überschritten werden soll. Allerdings hatte Benedikt XVI. sie bei früheren Konsistorien auch schon überschritten.

Interessant ist der sechste neue Kardinal: Erzbischof James Michael Harvey. Der 63-Jährige US-Amerikaner ist seit 1998 Präfekt des Päpstlichen Hauses; d.h. er koordiniert die Termine des Papstes. Harvey gehört zu den engsten Mitarbeitern des Pontifex und begleitet ihn zu allen öffentlichen Auftritten im Vatikan und Italien. Harvey soll Erzpriester der Basilika Sankt Paul vor den Mauern werden, kündigte der Papst an. D.h. sein Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses muss neu besetzt werden. Diese Aufgabe könnte Georg Gänswein übernehmen, der bisherige Privatsekretär des Papstes. Damit wäre ihm das Bischofsamt sicher. Seit Wochen wird in Rom über eine entsprechende „Beförderung“ Gänsweins spekuliert. Diese Ernennung zum Bischof könnte schon in Kürze  erfolgen. Sie wäre auch ein Vertrauensbeweis Benedikts XVI. gegenüber seinem Privatsekretär, der im Rahmen der Vatileaks-Affäre in den vergangenen Monaten immer wieder auch in der Kritik stand. Eine Bischofsernennung Gänsweins wäre allerdings auch ohne die gleichzeitige Berufung zum Präfekten des Päpstlichen Hauses möglich – analog zum letzten Pontifikat. Da hatte Papst Johannes Paul II. seinen langjährigen Sekretär Stanislaw Dziwisz 1998 unter Beibehaltung seiner bisherigen Aufgabe zum Bischof und  „Beigeordneten Präfekten des Päpstlichen Hauses“ ernannt.

Piusbrüder schließen Williamson aus

Bischof Richard Williamson (dapd)

Jetzt ist es offiziell. Die traditionalistische Piusbruderschaft hat den Holocaustleugner Bischof Richard Williamson ausgeschlossen. Als Begründung heißt es, der Bischof habe „sich seit mehreren Jahren von der Führung und Leitung der Priesterbruderschaft entfernt und sich geweigert, den Respekt und den Gehorsam zu bezeigen, den er seinen rechtmäßigen Oberen schuldet.“ In einer Erklärung heißt es, der Generalobere der Piusbruderschaft, Bischof Bernard Fellay, habe Williamson bereits am 4. Oktober ausgeschlossen, ihm aber eine Frist eingeräumt, sich unterzuordnen. Diese habe Williamson verstreichen lassen und im Gegenzug den Generaloberen zum Rücktritt aufgefordert. Ist das der erste Schritt zur Spaltung der Piusbruderschaft? Denn auch Richard Williamson hat seine Anhänger, vor allem die Hardliner, die jegliche Gespräche mit dem Vatikan ablehnen.

Williamson ist der Grund, dass nach der Aufhebung der Exkommunikation gegen die vier Bischöfe der Piusbruderschaft im Januar 2009 ein Sturm der Entrüstung um die Welt ging. Der britische Bischof hatte mehrfach den Holocaust geleugnet und rückt bis heute nicht von seiner Position ab. Erst vergangene Woche legte er Widerspruch gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg wegen Volksverhetzung ein. Eines der Interviews, in denen Williamson den millionenfachen Mord an den Juden leugnete, hatte er Ende 2008 im Priesterseminar der Piusbruderschaft im bayerischen Zaitzkofen gegeben.

Der Vorgang um Bischof Williamson hat nur mittelbar etwas mit den aktuellen Gesprächen zwischen den Traditionalisten und dem Vatikan zu tun. Rom hatte schon lange klar gemacht, dass für den Holocaustleugner kein Platz in der katholischen Kirche ist. Im Frühjahr hatte der Vatikan das Schicksal der drei übrigen Bischöfe der Traditionalisten von den Verhandlungen mit dem Generaloberen der Piusbruderschaft, Bischof Fellay, abgekoppelt. Dieser Schritt wurde von Beobachtern als Zeichen dafür gewertet, dass am Ende der Gespräche nur ein Teil der Traditionalisten zurückkehren könnte.

Doch seit Juni sind die Gespräche ins Stocken geraten. Auch der Ausschluss Williamsons wird daran nichts ändern. Denn es geht um inhaltliche, theologische Fragen im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil. Der Versuch der Piusbrüder, den Papst und Teile der römischen Kurie gegeneinander auszuspielen ist nicht aufgegangen. In einem eigenen Brief an den Generaloberen hatte Benedikt XVI. im Sommer diesem noch einmal bestätigt, dass er die Anerkennung des Konzils fordert. Eine Antwort der Piusbruderschaft auf dieses päpstliche Schreiben steht bislang aus. Daher will im Vatikan auch derzeit niemand die Türe offiziell zuschlagen; auch wenn die Piusbrüder selbst ja schon von einem Scheitern der Gespräche ausgehen. Ewig wird man das Verfahren nicht in der Schwebe halten können. Die Gläubigen erwarten klare Verhältnisse.

Kein Platz für Frieden!

Es sollte eine Solidaritätsgeste werden; doch angesichts der jüngsten Gewalt in Syrien und im Libanon fällt die für diese Woche geplante Reise einer Vatikan-Delegation in die syrische Hauptstadt Damaskus bis auf Weiteres aus. Zwar dauerten die Vorbereitungen laut Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone weiter an, doch gebe es derzeit kein Datum für die Reise. Am vergangenen Dienstag hatte Bertone angekündigt, dass auf Wunsch des Papstes eine hochrangige Delegation nach Damaskus reisen werde. Angesichts der Tragödie in dem Nahoststaat und dem Leiden der Bevölkerung wolle die Kirche ein Zeichen der Verbundenheit setzen, so die Begründung. Genauere Informationen gab es nicht. Wen sollte oder soll die Delegation treffen? Hat sie ein politisches Mandat oder handelt es sich um eine reine Solidaritätsreise?

Nach den jüngsten Attentaten vom Wochenende muss der Vatikan die Lage erst neu sondieren. Am Sonntag waren bei einem Anschlag in einem christlichen Viertel der syrischen Hauptstadt Damaskus mindestens 13 Menschen getötet worden. Seit dem Anschlag auf den libanesischen Geheimdienstchef in einem christlichen Viertel von Beirut am Freitag ist die Lage auch im Libanon äußerst angespannt. Droht dort auch ein Bürgerkrieg? Versucht Syrien, das Nachbarland zu destabilisieren?

Benedikt XVI. am 16. September 2012 in Beirut

Es ist erst vier Wochen her, dass Papst Benedikt XVI. dort mit dem Papamobil fuhr, wo jetzt in Beirut Panzer stehen. Was ist geblieben von seiner Friedensbotschaft? Noch klingen seine Worte nach vom Libanon als dem Vorbild für das Zusammenleben von Religionen und Konfessionen, Christen und Muslime. Werden sie jetzt von Gefechtslärm endgültig übertönt? Obwohl auch dem Papst bekannt ist, wie fragil die Machtbalance im Libanon und damit auch der Frieden dort ist, setzt er große Hoffnung in den Zedernstaat. Die nächsten Tage werden zeigen, ob das Modell Libanon auch eine solche politische Krise, wie sie aktuell besteht, überlebt oder doch scheitert angesichts politischer Machtinteressen von außen.

Für die katholische Kirche kommt der Syrienkonflikt, wie schon zuvor die Umwälzungen im Kontext des Arabischen Frühlings, einem Drahtseilakt gleich. In den eigenen Reihen gibt es Unterstützer und Gegner des syrischen Machthabers Assad. So hatte etwa der melkitische Patriarch Gregoire III. Laham in der Vergangenheit mehrfach eine zu einseitige Wahrnehmung Assads als „Bösewicht“ kritisiert. Der Vatikan konzentriert sich bisher stets darauf, eine politische Lösung des Konflikts zu fordern. Deutliche Worte gab es von Benedikt XVI. zu Beginn seiner Libanonreise Mitte September, als er sich für einen sofortigen generellen Stopp von Waffenimporten aussprach. Der Vatikan erscheint aktuell etwas ratlos. Wäre nicht gerade angesichts der neuen Gewaltwelle eine Friedensmission angebracht gewesen?

Papst, Konzil und Piusbruderschaft

Benedikt XVI. spricht derzeit oft über das Konzil

Wenn Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen vom II. Vatikanischen Konzil spricht, rückt er interessanter Weise selten die großen Konstitutionen etwa über die Liturgie (Sacrosanctum Concilium) oder die Kirche (Lumen Gentium) in den Mittelpunkt. Nein, seine Themen sind die Papiere über Religionsfreiheit, das Verhältnis der Religionen und die Ökumene. Zuletzt geschehen an diesem Wochenende bei der Verleihung des „Ratzinger-Preises 2012“ im Vatikan. Die beiden Preisträger, der französische Philosoph Remi Brague (65) und der US-amerikanische Theologe Brian Daley (72), beschäftigten sich mit „zwei zentralen Aspekten der Kirche in unserer Zeit“, so der Papst: Ökumene und interreligiöser Dialog. Er verwies ausdrücklich auf die beiden entsprechenden Konzilsdokumente „Unitatis Redintegratio“  und „Nostra aetate“ und erklärte, dass er noch ein weiteres Dokument hinzufügen möchte, das sich als „außergewöhnlich wichtig erwiesen habe“: die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit.

Ist es Zufall, dass Benedikt XVI. im Vorwort zum Konzilsband seiner Gesammelten Werke, der Ende November erscheint, schreibt: „Die Begegnung mit den großen Themen der Neuzeit fand unerwartet nicht in der großen Pastoralkonstitution statt, sondern in zwei kleineren Dokumenten, deren Wichtigkeit erst nach und nach in der Rezeption des Konzils zum Vorschein gekommen ist.“ Er meint auch hier: „Dignitatis humanae“ und „Nostra aetate“. Die großen Konstitutionen über Kirche, Liturgie und Offenbarung werden nur am Rande erwähnt. Warum betont Benedikt XVI. in den Tagen des Konzilsjubiläums gerade die Themen Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiöser Dialog? Und das, wo er doch bisweilen nicht gerade als großer Freund der Ökumene gilt!?

Übrigens sieht er die Konzils-Papiere durchaus auch kritisch. Zu Nostra aetate merkt er in dem bereits erwähnten Vorwort an, dass die Rezeption des „großartigen Textes“ auch Schwächen zum Vorschein gebracht habe: „Er spricht von Religion nur positiv und lässt dabei die kranken und gestörten Formen von Religion beiseite, die geschichtlich und theologisch von großer Tragweite sind: Der christliche Glaube war deshalb von Anfang an nach innen wie nach außen auch religionskritisch.“

Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiöser Dialog sind übrigens die Themen, bei denen die traditionalistische Piusbruderschaft – neben der Liturgie – die größten Schwierigkeiten mit dem Konzil hat. Und genau die, stellt Benedikt XVI. jetzt als die „großen Themen“ heraus. Das wird die Piusbrüder nicht freuen. Der deutsche Distriktobere, Franz Schmidberger, hatte ja diese Woche noch einmal erklärt, dass eine Einigung mit Rom derzeit kaum denkbar erscheint. Am Wochenende gab es erneut Spekulationen, die Piusbruderschaft schließe den Holocaustleugner Richard Williamson aus ihren Reihen aus. Eine offizielle Bestätigung gibt es aber bisher nicht. Dass für einen Holocaustleugner kein Platz in der katholischen Kirche ist, hat der Vatikan ja vor langer Zeit klargestellt. Mit der Betonung der genannten Konzilsdokumente, wird einmal mehr deutlich, dass inhaltlich auch für die anderen Piusbrüder kein Platz zu sein scheint. Es sei denn, sie bewegen sich. Doch dafür gibt es nach wie vor keine Anzeichen.

Halbzeit

Blick in die Synodenaula

Ein Spiel dauert 90 Minuten – das ist spätestens seit gestern Abend und dem 4:4 der deutschen Fußballnationalmannschaft im Spiel gegen Schweden jedem klar. Und eine Synode dauert drei Wochen. Bis zur Halbzeit – heute – ist noch nicht allzu viel passiert. Aber vielleicht ist es ja wie im Fußball und die zweite Halbzeit bringt noch spannende entscheidende Momente. Es gab viel Theorie zum Thema Neuevangelisierung, aber nur vereinzelt praktische Vorschläge. Die Rolle der Familie und der Medien im Rahmen der Neuevangelisierung wurde mehrfach angesprochen. Viele Beiträge kreisen um die Themen Pfarrei, geistliche Gemeinschaften und Basisgemeinschaften. Wobei vor allem die Letztgenannten immer wieder als wichtige Größe für eine Neuevangelisierung angeführt werden.

Vor allem Bischöfe aus Lateinamerika, Afrika und Asien berichten über gute Erfahrungen mit diesen kleinen christlichen Gemeinschaften. Der Erzbischof von Davao (Philippinen), Romulo Valles: „Der christliche Glaube wird besser gestützt und genährt, vertieft und geschützt, wenn er von den Einzelnen und Familien in diesen kirchlichen Basisgemeinschaften gelebt und praktiziert wird. In diesen Gemeinschaften werden das Glaubenszeugnis, das Glaubensbekenntnis und die notwendige Glaubenskatechese intensiver erlebt.“ Der Erzbischof von Addis-Abeba, Berhaneyesus Demerew  Souraphiel, weist darauf hin, dass in den Basisgemeinschaften die Laien eine entscheidende Rolle spielen. „Durch die Einrichtung der Laienämter, die in dem begrenzten Bereich der Gemeinde ausgeübt werden müssen, wird die Mission zu einer konkreten Realität.“ Entsprechend sprach sich auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode für mehr Rechte für Laien aus. Er forderte, „die Möglichkeiten zur kirchlichen Beauftragung von Verantwortlichen in Liturgie, Katechese und Diakonie für Männer und Frauen zu erweitern. So bleiben wir Kirche im Volk, Kirche unter den Menschen und in den Häusern und Familien.“ Kommt auch in Europa die Zeit der Basisgemeinschaften?

 

Bischof Franz-Josef Bode bei der Synode

Übrigens kam das Thema „wiederverheiratete Geschiedene“, das in Deutschland gerade intensiv diskutiert wird und bisweilen gerne als typisch deutsches Thema gebrandmarkt wird, bereits mehrfach zur Sprache. Es wurde allerdings nicht von deutschsprachigen Bischöfen eingebracht. Vielmehr nahmen sich etwa der italienische Bischof Bruno Forte und der Erzbischof von Panamá, José Domingo Ulloa Mendieta, des Themas an. Vielleicht sollten die deutschen Bischöfe bei ihrer Suche nach neuen Wegen zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen das Gespräch nicht nur mit Rom suchen, sondern auch mit ihren Bischofskollegen in anderen Ländern.

Benedikt XVI. und das Konzil

Die großen Jubiläumsfeiern sind eröffnet. Der Papst feierte in Rom, Bischöfe weltweit in ihren Diözesen. Landauf, landab gibt es in den nächsten Monaten Akademietagungen, Diskussionsveranstaltungen und Gedenkfeiern. Ob sie eine Antwort finden werden auf die Frage, was das Konzil gebracht hat?

„Aggiornamento“ war das große Stichwort. Wie kann die Kirche in der modernen, pluralen Welt ihre Botschaft verkünden? Wie schafft sie den Sprung vom Mittelalter in die Moderne ohne ihre wesentlichen Prinzipien über Bord zu werfen? Diese Frage trieb Papst Johannes XXIII. um, als er Ende Januar 1959 für viele überraschend das Konzil einberief. Über das Ergebnis streiten ein halbes Jahrhundert später Bischöfe, Professoren und Laien rund um den Globus. Das Konzil fand nicht die eine Antwort zur Lösung aller Probleme. In den 16 Dokumenten, die verabschiedet wurden, stecken viele Kompromissformeln. Das bietet weiten Interpretationsspielraum.

Papst Benedikt XVI. rief angesichts des Jubiläums auf, die Originaltexte zu studieren. Diese müssten „von der Masse der Veröffentlichungen befreit werden, die sie häufig verdunkeln statt erhellen“. Die Originale zu lesen schütze „vor den Extremen anachronistischer Nostalgien einerseits und eines Vorauseilens andererseits“. Interessanterweise spricht Benedikt in seiner Predigt am Donnerstag auch von „Neuheit“, die das Konzil brachte; allerdings „Neuheit in Kontinuität“. Im Streit mit der traditionalistischen Piusbruderschaft geht es ja seit Jahren um die Frage, sind manche Beschlüsse des Konzils mit der katholischen Tradition unvereinbar oder nicht. Dazu gehören etwa die Reform der Liturgie, die Anerkennung der Gewissens- und Religionsfreiheit oder aber auch die Öffnung für die Ökumene.

Der junge Theologe Ratzinger und Kardinal Frings - Reformer beim Konzil? (dpa)

Das große Konzilsjubiläum ist eröffnet und damit auch die Zeit intensiver Diskussionen über das Konzil und seine Folgen. Macht die Kirche etwa heute wieder eine Rolle rückwärts hinter die Errungenschaften des Konzils? Welche Rolle spielte der junge Theologe Joseph Ratzinger als Berater des Kölner Kardinals Josef Frings und offizieller Konzilstheologe? Denkt er heute als Papst anders über das Konzil als in den 1960er Jahren? Ist die Kirche überhaupt jemals in der Moderne angekommen? Oder ist das Konzil am Ende gescheitert?

Benedikt XVI. hat angekündigt, in den nächsten Monaten bei den wöchentlichen Generalaudienzen seine Sicht des Konzils darzustellen. Das dürfte spannend werden. Ende November kommt zudem ein neuer Band der Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers heraus, in dem auf rund 1.300 Seiten alle Texte Ratzingers zum Konzil zusammengefasst sind – auch seine Vorlagen für die Interventionen von Kardinal Frings beim Konzil. Dann wird sich zeigen, ob das Klischee vom Wandel des jungen Reformers Ratzinger hin zum Papst, der der Kirche eine Rolle rückwärts verordnen will, wirklich taugt.

Ein Meilenstein in der Kirchengeschichte

Bischöfe am 11.10.2012 beim Einzug auf dem Petersplatz

Heute wie vor 50 Jahren: Bischöfe beim Einzug

50 Jahre sind im Gedächtnis der katholischen Kirche so gut wie nichts – angesichts einer zweitausendjährigen Tradition. Und dennoch markiert das Jubiläum, das heute zur Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren begangen wird, einen wichtigen Abschnitt. Noch leben Männer, die an diesem historischen Ereignis teilgenommen haben, noch können sich Menschen daran erinnern, welch großartigen Aufschwung die katholische Kirche damals erlebt hat. Und andererseits ist die Begeisterung dieser Jahre den Nachgeborenen nur noch schwer zu vermitteln, ist die Sorge groß, dass Vieles in Vergessenheit gerät.

Vieles ist in diesen Tagen zum Konzil gesagt und geschrieben worden, von Papst und Bischöfen, Laien und Verbänden. Allen gemeinsam ist das Ringen um die Situation der Kirche heute. Denn das damals von Johannes XXIII. geforderte Aggiornamento, die „Verheutigung“ der Kirche, bleibt ein dringendes Anliegen. Und während die einen (Piusbrüder) immer noch die Reformen von damals negieren wollen, haben die anderen Angst, dass sie rückgängig gemacht werden. Vieles ist noch gar nicht realisiert, was damals mutig gedacht und angestoßen wurde.

Im Grunde kann es aber nicht darum gehen, das Zweite Vatikanum umzusetzen oder nicht. Wichtiger ist es, die aktuellen Zeichen der Zeit und ihre Anforderungen zu erkennen und nach neuen Wegen zu suchen. Ob es der gegenwärtig tagenden Bischofssynode gelingt, an den Geist des Konzils anzuknüpfen, die Not zu sehen und mutige Schritte zu gehen?

Mehr Bescheidenheit für die Kirche?

Benedikt XVI. beim Eröffnungsgottesdienst der Synode

Ein bunter Blumenstrauß an Themen ist es, der in den ersten Tagen bei einer Bischofssynode zusammengetragen wird. So ist es auch dieses Mal bei der XIII. Ordentlichen Bischofssynode, die seit Montag im Vatikan tagt. Motto: „Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens“. Jeder der 262 Synodenväter darf drei Minuten reden; dazu kommen die Experten und Vertreter anderer christlicher Kirchen. Nach drei Tagen zeichnen sich noch kaum inhaltliche Trends ab. Einige Synodenväter schließen sich der Position Papst Benedikts XVI. an, der in einer frei gehaltenen Meditation am ersten Tag feststellte, dass die Lauheit die „größte Gefahr für den Christen“ sei. Viel ist von „Selbstevangelisierung“ der Kirche die Rede, bevor man andere evangelisieren könne.

In den wenigen Statements kam auch schon mehrfach die Forderung, dass die Kirche bescheidener werden müsse, näher bei den Menschen sein müsse. „Man kann den Menschen mit leerem Magen nur dann das Evangelium glaubwürdig verkünden, wenn man selbst einen leeren Magen hat!“ wird ein Bischof aus Guatemala zitiert. Da denkt man natürlich rund um das 50-Jahr-Jubiläum der Eröffnung des Konzils am 11. Oktober 1962 schnell an den „Katakombenpakt“. Kurz vor Abschluss des Konzils trafen sich am 16. November 1965 in einer römischen Katakombe 40 Bischöfe und versprachen, künftig auf Machtinsignien und Prunk zu verzichten, ein einfaches Leben zu führen und einen „Pakt mit den Armen“ zu schließen. Eines der prominentesten Mitglieder war Bischof Dom Helder Camara.

Interessant war heute der Beitrag des Erzbischofs von Brüssel, André Leonard. Er forderte eine bessere Anerkennung der Frauen in der Kirche. Zwei Drittel der Katholiken seien Frauen. Allerdings fühlten sich viele von ihnen diskriminiert. Zwar könne die katholische Kirche aus theologischen Gründen keine Frauen zu Priestern weihen, dennoch müsse ihnen die Kirche mit „starken Gesten“ die Wertschätzung für ihre Arbeit deutlich machen: „Ohne glückliche Frauen, die in ihrem Wesen anerkannt werden und die stolz auf ihre Zugehörigkeit zur Kirche sind, wird es keine Neuevangelisierung geben.“ Von den insgesamt 356 Teilnehmern der Synode sind übrigens nur 28 Frauen (d.h. knapp 8%), rund die Hälfte von ihnen ist Mitglied eines Ordens.



Eine große Ehre

Mit einem feierlichen Hochamt wird heute in Rom die Generalversammlung der Bischofssynode eröffnet. Ein routinemäßiges Treffen, dem dennoch große Bedeutung zukommt – so viele Bischöfe wie selten sind dafür angereist. Doch die eigentliche Sensation des Tages besteht in einem anderen Teil dieses Gottesdienstes: Papst Benedikt XVI. erklärt Hildegard von Bingen und Johannes von Avila zu Kirchenlehrern.

Hildegard von Bingen

Die neue Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen

Die deutsche Ordensfrau ist damit nach Katharina von Siena, Teresa von Avila und Therese von Lisieux erst die vierte Frau der Kirchengeschichte, der diese Ehre zuteil wird. Die Zahl der Kirchenlehrer insgesamt steigt mit dem heutigen Tag auf 35.

Damit ein Heiliger zum Kirchenlehrer erklärt werden kann, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: herausragende Lehre (eminens doctina), vorzügliche Heiligkeit seines Lebens (insignis vitae sanctitas) und die Erklärung der Kirche (ecclesiae declaratio). Die Schriften der heiligen Hildegard werden damit in ihrer besonderen Bedeutung für das Leben der Kirche gewürdigt.

Ganzheitliche Sicht

Gemeint sind damit allerdings nicht ihre Rezepte für Dinkelplätzchen oder Herzwein, mit denen die Deutsche es geschafft hat, selbst in säkularen Kreisen berühmt zu werden. Sie war viel mehr als ein Kräuterweiblein, mehr als eine Komponistin mittelalterlicher Kompositionen und mehr als eine große Beobachterin der Natur, ihrer Gesetze und Auswirkungen auf den Menschen. Ihre Visionen, die sie schon vom dritten Lebensjahr an hatte, sind eine großartige Schau, die vor allem wegen der ganzheitlichen Sicht des Menschen und seiner Beziehung zu Gott wertvoll sind. Als Geschöpf Gottes steht der Mensch mit der gesamten Schöpfung und Natur in Verbindung, Gott lässt sich in allen Dingen der Natur ergründen.

Vorbild für heute

Hildegard von Bingen war eine fromme Frau, aber auch sehr lebenspraktisch und energisch. Sie war Ratgeberin für Kirchenmänner und Fürsten, sie mischte sich ein und ermahnte den Klerus zu mehr Seelsorge und Barmherzigkeit. Sie scheute sich auch nicht vor dem Konflikt mit der Kirche; wegen ihres Ungehorsams (die Nonnen hatten unerlaubterweise einen exkommunizierten Adeligen auf dem Klostergelände beerdigt) stand das von ihr gegründete Kloster sogar zeitweise unter Interdikt (eine Kirchenstrafe, die u.a. den Ausschluss von der Eucharistiefeier beinhaltet). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Mainzer Domkapitel, mit dem sich Hildegard mehrfach angelegt hatte, eine frühe Heiligsprechung zu verhindern wusste. Erst in diesem Jahr hat der Papst sie offiziell heiliggesprochen – zur Verwunderung vieler, die sie längst als Heilige verehrten.

Als vorreformatorische Frau kann Hildegard von Bingen auch eine Brücke sein zwischen den Konfessionen. Sie ist auch für moderne Frauen und Männer zum Vorbild geeignet und hat uns heute noch viel zu sagen.