Eine große Ehre

Mit einem feierlichen Hochamt wird heute in Rom die Generalversammlung der Bischofssynode eröffnet. Ein routinemäßiges Treffen, dem dennoch große Bedeutung zukommt – so viele Bischöfe wie selten sind dafür angereist. Doch die eigentliche Sensation des Tages besteht in einem anderen Teil dieses Gottesdienstes: Papst Benedikt XVI. erklärt Hildegard von Bingen und Johannes von Avila zu Kirchenlehrern.

Hildegard von Bingen

Die neue Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen

Die deutsche Ordensfrau ist damit nach Katharina von Siena, Teresa von Avila und Therese von Lisieux erst die vierte Frau der Kirchengeschichte, der diese Ehre zuteil wird. Die Zahl der Kirchenlehrer insgesamt steigt mit dem heutigen Tag auf 35.

Damit ein Heiliger zum Kirchenlehrer erklärt werden kann, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: herausragende Lehre (eminens doctina), vorzügliche Heiligkeit seines Lebens (insignis vitae sanctitas) und die Erklärung der Kirche (ecclesiae declaratio). Die Schriften der heiligen Hildegard werden damit in ihrer besonderen Bedeutung für das Leben der Kirche gewürdigt.

Ganzheitliche Sicht

Gemeint sind damit allerdings nicht ihre Rezepte für Dinkelplätzchen oder Herzwein, mit denen die Deutsche es geschafft hat, selbst in säkularen Kreisen berühmt zu werden. Sie war viel mehr als ein Kräuterweiblein, mehr als eine Komponistin mittelalterlicher Kompositionen und mehr als eine große Beobachterin der Natur, ihrer Gesetze und Auswirkungen auf den Menschen. Ihre Visionen, die sie schon vom dritten Lebensjahr an hatte, sind eine großartige Schau, die vor allem wegen der ganzheitlichen Sicht des Menschen und seiner Beziehung zu Gott wertvoll sind. Als Geschöpf Gottes steht der Mensch mit der gesamten Schöpfung und Natur in Verbindung, Gott lässt sich in allen Dingen der Natur ergründen.

Vorbild für heute

Hildegard von Bingen war eine fromme Frau, aber auch sehr lebenspraktisch und energisch. Sie war Ratgeberin für Kirchenmänner und Fürsten, sie mischte sich ein und ermahnte den Klerus zu mehr Seelsorge und Barmherzigkeit. Sie scheute sich auch nicht vor dem Konflikt mit der Kirche; wegen ihres Ungehorsams (die Nonnen hatten unerlaubterweise einen exkommunizierten Adeligen auf dem Klostergelände beerdigt) stand das von ihr gegründete Kloster sogar zeitweise unter Interdikt (eine Kirchenstrafe, die u.a. den Ausschluss von der Eucharistiefeier beinhaltet). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Mainzer Domkapitel, mit dem sich Hildegard mehrfach angelegt hatte, eine frühe Heiligsprechung zu verhindern wusste. Erst in diesem Jahr hat der Papst sie offiziell heiliggesprochen – zur Verwunderung vieler, die sie längst als Heilige verehrten.

Als vorreformatorische Frau kann Hildegard von Bingen auch eine Brücke sein zwischen den Konfessionen. Sie ist auch für moderne Frauen und Männer zum Vorbild geeignet und hat uns heute noch viel zu sagen.

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Michaela Pilters

Ich leite seit 1985 die ZDF-Redaktion „Kirche und Leben/kath“. Bevor ich zum ZDF kam, war ich bei der Katholischen Nachrichtenagentur in Bonn und beim Hessischen Rundfunk in der Kirchenredaktion - also viele Jahre Erfahrung mit kirchlichen Themen. Mein Studium der katholischen Theologie (Diplom) habe ich in München gemacht.