Ad Limina: Wenn Welten aufeinanderprallen
Der Ad Limina-Besuch der deutschen Bischöfe ist am Freitag mit einem kleinen Paukenschlag zu Ende gegangen. Der Vatikan schlug den Bischöfen ein Moratorium für den Synodalen Weg vor. Die Idee wurde aber während der rund vierstündigen Debatte wieder verworfen. Stattdessen verständigte man sich darauf, „das Zuhören und den gegenseitigen Dialog in den kommenden Monaten fortzusetzen“. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung des Vatikans und der Bischofskonferenz vom Freitagabend hervor. Papst Franziskus nahm an dem Treffen, anders als erwartet, nicht teil. Bereits bei den Gesprächen während der Woche war deutlich geworden, dass es mit Blick auf die zentralen Reformfragen des Synodalen Wegs keine Einigung geben wird. Ob wenigstens eine Annährung gelungen ist, wird sich zeigen, wenn die Wolken des Gewitters der kontroversen Debatte vom Freitagmorgen verzogen sind und die Veranstaltung mit etwas Abstand betrachtet werden kann.
Mehr Zuhören als früher
Beim Rückblick auf die fünf Tage im Vatikan bleibt bei vielen Bischöfen ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits berichteten vor allem diejenigen, für die es nicht der erste Ad Limina-Besuch war, über positive Veränderungen. Während früher viele Kurienchefs Verfehlungen der Bischöfe aufgezählt hätten und Befehle für die Zukunft erteilten, seien sie jetzt in großer Zahl sehr stark als Hörende aufgetreten. Manch ein Kurienchef muss das gar auf die Spitze getrieben haben, wie der Chef der Klerusbehörde, Kardinal Lazarus You Heung-sik, der jegliche Festlegung in seinen Antworten vermieden haben und mit freundlichem Lächeln immer wieder betont haben soll, dass er nur Hörender sei.
An anderer Stelle wurden die Gespräche dann doch etwas konkreter. Einer der Höhepunkte soll die Begegnung mit dem Chef des Dikasteriums für Glauben, Kardinal Luis Francisco Ladaria, gleich am Montag gewesen sein. Am Ende habe es langanhaltenden Applaus für das offene und klare Gespräch gegeben. Nicht nur bei diesem Gespräch wurde deutlich, dass es an vielen Stellen weniger die Themen des Synodalen Wegs sind, die den Kurialen Kopfzerbrechen bereiten. Diese würden auch an anderen Stellen der Weltkirche als drängend erlebt. Vielmehr sei es die Methodik und das Tempo, die den deutschen Weg bestimmten. Immer wieder sprachen Kuriale, wie das auch Papst Franziskus macht, vom „so genannten Synodalen Weg“. Die Methodik erinnert viele römische Kritiker eher an ein Parlament als an einen synodalen Prozess.
Papstabsens als Vorteil
Papst Franziskus nahm sich am Donnerstag mit mehr als zwei Stunden doppelt so viel Zeit für die Begegnung mit den deutschen Bischöfen als vorgesehen. Daraufhin zog er es vor, am Freitag nicht an dem interdikasteriellen Treffen mit der Bischofskonferenz teilzunehmen. Enttäuschung gab es bei den Bischöfen darüber nicht. Bei Licht betrachtet dürfte diese Entscheidung auch Vorteile bringen. Dadurch dass der Papst an diesem Freitag bei dem Schlagabtausch nicht dabei war, kann er künftig als Vermittler auftreten. Hätte er sich heute in die Debatte eingemischt, wären unter Umständen bestimmte Fragen bereits entschieden. Die Punkte, die in dem gemeinsamen Kommuniqué von Vatikan und Bischofskonferenz benannt sind, stimmen mit den von Franziskus in der Vergangenheit genannten Punkten überein.
Wenn Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin auf die Gefahr von „Reformen der Kirche, aber nicht innerhalb der Kirche“ hinweist, erinnert das an das Wort von Franziskus von der zweiten evangelischen Kirche, die er nicht möchte, aber auch an die Sorge, die eine Reihe von Bischöfen etwa in Polen oder Nordeuropa geäußert hatten, dass die deutschen Bischöfe aus dem weltweiten Konsens des Katholischen ausscherten. Dass der Vatikan die Reformbemühungen zu den Strukturen der Kirche kritisch sieht, ist auch bekannt. Hier bereitet den Römern vor allem der Synodale Rat Sorgen, der künftig paritätisch besetzt aus Laien und Bischöfen über zentrale Fragen des Wegs der Kirche in Deutschland entscheiden soll. Als weitere schwierige Punkte wurden das Weiheamt und seine Zugangsbedingungen und die christliche Anthropologie konkret benannt. Beim ersteren sieht der Vatikan die Debatte um Weiheämter für Frauen, sei es Diakonenamt oder Priesteramt, sowie die Forderung nach Abschaffung des Pflichtzölibats kritisch, beim zweiteren spielt die Erklärung auf die Texte zur Erneuerung der Sexualethik an.
Bätzing: Volk wird gehört
Mit Blick auf die deutsche Seite hatte der Konferenzvorsitzende, Bischof Georg Bätzing, die Arbeit des Synodalen Wegs vorgestellt und eigens betont, dass der Prozess „auf dem Hören des Volkes Gottes und dem Schmerz angesichts der von Mitgliedern des Klerus begangenen Missbrauchstaten beruht“. Vor allem erster Punkt ist wichtig, nachdem der Papst in seiner jüngsten Äußerung zur Kirche in Deutschland bei der fliegenden Pressekonferenz vor knapp zwei Wochen den Verdacht geäußert hatte, dass Volkes Stimme bei dem deutschen Prozess verloren gehen könnte. Immer wieder kann man bei Gesprächen mit Kurialen hören, die Reformideen der Bischöfe gingen an den Wünschen und Anliegen der einfachen Gläubigen vorbei.
Mit dem Ende des Ad limina-Besuchs ist nichts verloren. Viele Punkte konnten die Bischöfe ansprechen, die jenseits des Synodalen Wegs unter den Nägeln brennen. Auch die Vorgänge im Erzbistum Köln wurden thematisiert. Wie das von Kurienseite aufgenommen wurde, darüber gibt es unterschiedliche Erzählungen. Die einen sagen, Kardinal Marc Ouellet als Chef des Bischofsdikasteriums habe das Thema schroff zurückgewiesen und auf die Zuständigkeit des Papstes verwiesen, andere berichten, dass es interessante Entwicklungen gegeben habe. Am Montag treffen sich die Diözesanbischöfe bereits zum Ständigen Rat. Dann werden sie eine erste Bilanz der Reise ziehen.
Mehr Dialog
Nach dem Ad Limina-Besuch bleibt ein Thema wichtig, das schon davor das zentrale war: Reden, Reden, Reden. „Dass das Zuhören und der gegenseitige Dialog in den kommenden Monaten fortgesetzt werden sollen, so dass sie eine Bereicherung für den deutschen Synodalen Weg und den synodalen Prozess der Kirche auf Weltebene darstellen“, darauf verständigten sich die Kurienchefs und die Bischöfe am Freitag. Der große Showdown ist ausgeblieben, doch die Römer haben ihre Kritik noch einmal gebündelt und klar vorgetragen. Die Begegnung vom Freitag könnte zum reinigenden Gewitter werden, wenn beide Seiten wirklich offen sind für den Dialog.
4 Kommentare
DIE RÖMISCHE KURIE HÄLT SICH FÜR DAS MASS ALLER DINGE
Die gegenwärtige weltkirchliche Situation erinnert an den Beginn des II. Vatikanum im Jahr 1962. In den ersten Sitzungen wurde darum gerungen, wer die Regie der Versammlung innehaben würde: Der römische Apparat oder das Kollegium der Bischöfe? Die Bewahrer oder die Erneuerer? Am dritten Tag setzen sich die Weltbischöfe mit dem Segen des Papstes gegen die Kurie durch.
Die bis zum Herbst 2024 auf unterschiedlichen Ebenen Dialoge und Debatten führende Weltsynode ist zwar kein Konzil, aber es ist schon beeindruckend, dass 112 Bischofskonferenzen beim vatikanischen Synodensekretariat Lageberichte eingesandt haben, aus denen das im Oktober veröffentlichte Arbeitspapier „Mach den Raum deines Zeltes weit“ destilliert wurde. Seither lässt sich belegen, dass der deutsche SYNODALE WEG KEIN SONDERWEG ist, sondern die Reformanliegen der deutschen Kirche weltweit diskutiert werden.
Beispielsweise scheiben die Autoren: „In fast allen Berichten wird die Frage vollständiger und gleichberechtigter TEILHABE FÜR FRAUEN aufgeworfen.“ (Nr. 64) Oder ein Zitat der Union der GeneraloberInnen: „Sowohl in der Kirche als auch im geweihten Leben gibt es den weit verbreiteten Wunsch nach einem flachen (PARTIZIPATORISCHEN) und weniger hierarchischen, pyramidenförmig aufgebauten FÜHRUNGSSTIL“ (Nr. 81).
Wie anmaßend erscheint vor diesem Hintergrund die Rundum-Missbilligung des Synodalen Weges durch die Kardinäle Ladaria und Ouellet, die sowohl gegenüber der Methodik und den Inhalten wie auch den Vorschlägen Bedenken und Vorbehalte haben. Besonders verräterisch erscheinen mir zwei Punkte der gemeinsamen Erklärung von Vatikan und Deutscher Bischofskonferenz.
Dem Vernehmen nach war es Kardinal Marc Ouellet, der für den deutschen Synodalen Weg ein MORATORIUM vorschlug, was auf nicht weniger als das Aus dieses Formats hinausgelaufen wäre. Das ist in gewisser Weise eine Reminiszenz an die Regentschaft von Johannes Paul II. zusammen mit Joseph Ratzinger, die so etwas wie den Synodalen Weg einfach durch eine Top-Down-Verfügung erledigt hätten.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin malt das Menetekel von „Reformen der Kirche, aber nicht innerhalb der Kirche“ an die Wand. Das ist ein starkes Stück, wenn der zweite Mann der Kirche mehr als 60 deutsche Mit-Bischöfe per hierarchischer DEFINITIONSMACHT außerhalb der Kirche ansiedelt, nur weil diese – wohlgemerkt in grundsätzlicher Loyalität zu Rom – den teutonischen Erneuerungsweg mitgestalten.
Die profunden Texte des Synodalen Weges werden von nicht wenigen Ortskirchen rezipiert werden, und bei der Bischofssynode 2024 in Rom werden die Weltbischöfe und nicht die Kurie den Ausschlag geben. Möge sich der von Ouellet gefürchtete Flächenbrand als die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes erweisen.
Sollte sich die Methodik des deutschen Synodalen Weges als die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes erweisen, kann man Ihnen nur zustimmen. Allerdings hätte er dann zuerst im Feminismus, in den die Gendertheorie behandelnden Sozialwissenschaften und der gesetzgebende Gewalt der westlichen Demokratien gewirkt und müsste von dort aus in die Kirche hineinwirken…
Ich stimme den Ausführungen von Erasmus in seinem Kommentar zu.
Bleibt zu hoffen, dass das „Hören“ der Kurialen und des Papstes sich nicht als ein hohler Ritus mit „pseudo-kollegialem“, „großväterlich-gönnerisch- wohlwollendem“ Heiligenschein um die immer noch Machthabeden in der Kurie erweist- in dem Sinne etwa – Ihr könnt uns alles,d.h. eure so drängenen Probleme, vortragen wie eine un-mündige Schulklasse dem Schulleiter gegenüber.
Merkt euch aber, was „verhandelbar“ ist und was nicht, bestimmen immer noch die Spitzenvertreter der Heiligen Herrschaft ( = Hierarchie ).
Zu hoffen ist, dass niemand auf ein derartiges
Täuschungsmanöver hereinfällt, wenn es denn stattfindet oder schon stattgefunden hat Es wäre ein böses Erwachen und sehr schmerzhaft für das „Volk Gottes“ und die so erwachsenen, vernünftigen, gestandenen, verantwortungsbewussten Bischöfe in Deutschland und anderswo.
Aber schon jetzt ist die Standfestigkeit der Mehrheit der Deutschen Bischöfe bewundernswert, weil sie ein Moratorium verhindert haben und den Synodalen Weg mit aller Kraft in Zusammenarbeit mit vielen Laiinnen und Laien selbstbewusst fortsetzen wollen. Vergesssen wir nicht, Die Kurienkardinäle in Rom repräsentieren eine verschwindend kleine Minderheiit im Vergleich zu über 1 Milliarde Katholiken der Völker.
Ich war von dem veröffentlichten Einleitungsstatement, das Bischof Bätzing beim Treffen mit den drei Kurienkardinälen gehalten hat, sehr angetan.
Er hat sich nicht nur entschieden an die Seite der Laien gestellt, sondern war auch Manns genug zu kritisieren, „dass der BRIEF DES PAPSTES (vom 29. Juni 2019) auf den eigentlichen Ausgangspunkt des Synodalen Weges, nämlich den sexuellen Missbrauch, den mangelhaften Umgang damit durch kirchliche Autoritäten, die Vertuschung durch Bischöfe und auch die anhaltende Intransparenz in der Bearbeitung durch römische Stellen keinen Bezug nimmt.“
Es ist nicht nur der Papst, sondern es sind ebenso die Kurialen, die sich dem ubiquitären klerikalen Missbrauchsskandal nicht entschieden stellen. Bätzing nahm die Gelegenheit wahr, den römischen Spitzenvertretern reinen Wein einzuschenken:
„Alle Bemühungen um EVANGELISIERUNG werden wenig fruchten, wenn nicht zuvor radikale Ehrlichkeit über Fehler und
systemische Mängel in unserer Kirche dazu führen, konsequent, strukturell und bis hinein in die kirchliche Praxis und Lehre nach Umkehr und Erneuerung zu suchen.“
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