Pastor gesucht
Hätten die Kardinäle auf einschlägigen Portalen eine Stelleanzeige für den nächsten Papst geschaltet, dürfte eine Eigenschaft sicherlich ziemlich weit oben stehen: ein Seelsorger wird gesucht. Das lässt sich aus den dürftigen Kommuniqués herauslesen, die das Vatikanpresseamt nach den Kardinalsberatungen veröffentlicht. „Ein Seelsorger, der nahe am konkreten Leben der Menschen ist“, heißt es nach der 10. Generalkongregation heute Morgen. Am Nachmittag ging es um die Unterstützung der Kardinäle für den neuen Papst, damit dieser „ein wahrer Seelsorger“ sein könne, „ein Führer, der es versteht, über die Grenzen der katholischen Kirche hinauszugehen, indem er den Dialog fördert und Beziehungen zu anderen religiösen und kulturellen Welten aufbaut“. Auch heute war die Synodalität wieder ein Thema.
Papst mit Krisenerfahrung?
Mittlerweile sind alle Papstwähler in der Stadt. An den beiden Kongregationen heute haben jeweils 132 Papstwähler teilgenommen, einer fehlte jeweils. Wobei Vatikansprecher Matteo Bruni bereits in den vergangenen Tagen wiederholt darauf hinwies, dass es sich bei fehlenden Papstwählern nicht zwangsläufig immer um dieselben handeln muss. Insgesamt waren am Morgen 179 Kardinäle und am Nachmittag rund 170 Kardinäle anwesend. In beiden Sitzungen gab es heute noch einmal insgesamt knapp 50 Wortmeldungen. Die Kriege in der Welt und die konkrete Erfahrungen der betroffenen Ortskirchen war heute mehrfach Thema. Dabei lag der Fokus offenbar auf Konflikte in Afrika und Asien. Der Umgang mit Konflikten, die Fragmentierung der Welt waren somit immer wieder Thema bei den Beratungen. Die Frage wird sein, welcher Kardinal bringt hier Kompetenzen mit?
Mit Blick auf den weltweiten synodalen Prozess wurde festgestellt, dieser werde „als konkreter Ausdruck einer Ekklesiologie der Gemeinschaft gesehen, in der alle aufgerufen sind, sich zu beteiligen, zuzuhören und gemeinsam zu unterscheiden“. Zugleich wurde „eine große Besorgnis über Spaltungen innerhalb der Kirche selbst geäußert“. Dieses Thema wurde in den vergangenen Tagen bereits angesprochen und von einer „offenen Wunde“ gesprochen. Hier brauche es beim neuen Pontifex echte Fähigkeiten zum Brückenbauen, war am Rande in Gesprächen mit Kardinälen zu hören. Immer wieder wurden in den Debatten der vergangenen Tage neben Lehrschreiben von Papst Franziskus die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils zitiert allen voran Lumen Gentium, Gaudium et Spes und die Verbum.
Zimmer bereit
Am Samstag wurden die Zimmer zugelost durch den Camerlengo, Kardinal Kevin Farrell. Ab Dienstagmorgen bis Mittwoch vor dem Gottesdienst „Pro eligendo Romano Pontifice“ können die Kardinäle ihre Zimmer beziehen. Weil die Appartements in Santa Marta nicht ausreichen, werden auch Räume im angrenzenden Alt-Santa Marta genutzt. Heute wurden zudem rund 100 Personen vereidigt, die für den reibungslosen Ablauf des Konklaves sorgen und sozusagen mit in die Konklave-Blase einziehen. Dazu gehören neben Mitarbeitern aus dem Päpstlichen Zeremonienbüro, Mitglieder der Päpstlichen Schweizergarde und der Vatikanischen Gendarmerie auch medizinisches Personal, Küchenpersonal, Fahrer, Techniker und andere. Ab Mittwochmittag 15 Uhr werden im Vatikan die Mobilfunk- und Telekommunikationsanlagen abgeschaltet bis zum „Habemus papam“. Die Kardinäle müssen bei Ankunft in Santa Marta ihre Handys abgeben. Sie erhalten sie nach der Wahl zurück.
Dass die Kardinäle einen Pastor suchen, überrascht zunächst nicht. Doch wenn man die kurzen Statements des Presseamts genau liest und auch bei Gesprächen mit Kardinälen genau hinhört, ist doch eine Tendenz zu erkennen. Ein Menschenfischer, der auf Augenhöge mit den Menschen, ganz gleich ob gläubig oder nicht, kommuniziert, auf sie zugeht. Das passt nicht auf jeden Papabile. Wobei am Ende eine Vorhersage schwierig bleibt, denn das Konklave entwickelt seine eigene Dynamik.
3 Kommentare
Wenn ich etwas ironisch sein darf – Pastor und Seelsorger ist gut, Führer gefällt mir weniger. Nicht nur wegen der uns allbekannten Konnotation, sondern der Begriff hat für mich einen etwas sektiererischen Beigeschmack. Ausserdem schließt er meiner Ansicht nach einen jeglichen synodalen Zugang grundsätzlich aus und dann wären wir wieder in der Ära von JP II und B XVI…
Dem stimme ich zu. Und ein so herausragender Führer oder Theologe war B16 auch nicht. Er galt als ausgesprochen führungsschwach und selbst Gerhard Müller bezeichnete ihn als „eigentlich nur mittelmäßigen Essayisten“. Zündende theologische Gedanken wie bei Romano Guardini oder Hans Urs von Balthasar oder Henry de Lubac oder Karl Rahner findet man bei ihm nicht.
Vielen Dank, lieber Herr Erbacher, für die spannenden Einblicke!
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