Franziskus in Sri Lanka – Tag 1
21 Salutschüsse, ein Spalier aus 40 Elefanten, Trommelklänge, Tänze und Zehntausende am Straßenrand – das war der Empfang für Papst Franziskus in Sri Lankas Hauptstadt Colombo. Nur fünf Monate nach seiner Visite in Südkorea besucht der Pontifex erneut Asien. Erste Station seiner einwöchigen Reise ist Sri Lanka. Zum Auftakt standen Versöhnung, Wiederaufbau, Menschenrechte und der interreligiöse Dialog im Zentrum des Besuchs. Auf dem Weg von Rom nach Colombo hatte Franziskus die knapp 80 mitreisenden Journalisten begrüßt. Er dankte ihnen für ihre Arbeit; sagte aber nichts Inhaltliches zur Reise oder zu anderen aktuellen Themen. Der Montag war der Tag der politischen Rede vor den Diplomaten – des „state of the world“ aus päpstlicher Sicht.
Versöhnung ist schwierig, aber möglich
Gleich bei seiner Begrüßung am Flughafen in Colombo benannte Franziskus die zentralen Themen seiner ersten Etappe. Er sei gekommen, die Katholiken zu stärken und deren Bereitschaft zu unterstreichen, am „heiklen Versöhnungs- und Aufbauprozess“ mitzuarbeiten. Dabei unterstrich Franziskus die besondere Verantwortung der Religionen. In Sri Lanka tobte von 1982 bis 2009 ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen. Auch mehr als fünf Jahre danach ist das Land noch immer tief gespalten. Die Fronten verlaufen entlang der Volks- und Religionsgruppen. Die Aussöhnung zwischen den mehrheitlich buddhistischen Singhalesen, die mit 75 Prozent die Bevölkerungsmehrheit stellen, und den mehrheitlich hinduistischen Tamilen (15 Prozent der Bevölkerung) steht noch am Anfang. Die Katholiken gehören beiden Volksgruppen an und sehen sich daher in einer Mittlerrolle.
Es sei keine leichte Aufgabe, „das vom Konflikt hinterlassene bittere Erbe von Ungerechtigkeit, Feindseligkeit und Misstrauen zu überwinden“. Dies könne nur gelingen, wenn man das Böse mit dem Guten besiege. Verschiedenheit dürfe nicht mehr als Bedrohung angesehen werden sondern als „Quelle der Bereicherung“. Damit dies gelingen könne, müssten alle Menschen beteiligt werden. „Alle müssen frei sein, ihre Anliegen, Bedürfnisse, Wünsche und Befürchtungen zu äußern.“ Diese Worte von Franziskus dürfen sicherlich als eine Forderung für mehr Einbindung der Tamilen in die gesellschaftspolitischen Prozesse gewertet werden. Franziskus fordert die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte. Damit hat Franziskus einen wunden Punkt angesprochen, denn etwa die Meinungs- und Pressefreiheit sind in Sri Lanka stark eingeschränkt. Journalisten, die kritisch über das Land berichteten, erhalten nur schwer ein Visum.
Dialog bedeutet nicht, eigene Identität aufzugeben
Bei der interreligiösen Begegnung am späten Nachmittag betonte Franziskus die Bedeutung des Dialogs für ein friedliches Miteinander der Religionen, für ein besseres Verständnis und die gegenseitige Achtung. Er unterstrich zugleich, dass „dieser Dialog und diese Begegnung, um erfolgreich zu sein, auf eine vollständige und freimütige Darlegung der jeweiligen Überzeugungen gegründet sein“ müssen. Der interreligiöse Dialog und die Ökumene sollten dazu beitragen zu erkennen, „dass man weder seine ethnische noch seine religiöse Identität aufgeben muss, um mit den Brüdern und Schwestern in Harmonie zu leben“. Zu Beginn des Treffens hatte Franziskus an die die Aussagen des II. Vatikanischen Konzils erinnert, dass die katholische Kirche „nichts von alledem ablehnt, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“ (Nostra aetate 2). Er sprach von der „hohen Wertschätzung“ der katholischen Kirche für die „Lebens- und Handlungsweisen“, die „Gebote und Lehren“ der anderen Religionen. Zugleich forderte er, dass Gewalttaten verurteilt werden müssten. „Um des Friedens willen darf man niemals zulassen, dass religiöse Überzeugungen zur Rechtfertigung von Gewalt und Krieg missbraucht werden.“ In Sri Lanka gibt es immer wieder christenfeindliche Übergriffe radikaler Buddhisten. Und auch in anderen Ländern Asiens geraten die Christen zunehmend unter Druck etwa durch extremistische Hindus in Indien oder islamistischen Terror in Indonesien.
Bei der interreligiösen Begegnung sprachen Vertreter der vier großen im Land vertretenen Religionen. Hindus und Buddhisten, mehr als 600 Mönche nahmen laut Vatikan an der Veranstaltung teil, stimmten jeweils ein Gebet an, ebenso als Vertreter des Christentums der anglikanische Bischof von Colombo. Der muslimische Vertreter, Scheich Maulawi Fazil, verurteilte in seiner Rede die Anschläge von Paris in dieser Woche und Pakistan vor wenigen Wochen scharf. Der Islam habe in seinem Ursprung keine Verbindung zur Gewalt, so Fazil. Extremisten und Terroristen missbrauchten den Islam zur Rechtfertigung ihrer Taten. Die Religionen müssten sich für Frieden und Koexistenz einsetzen, so Fazil.
Programmänderung wegen Massen und Wetter
Der überschwängliche Empfang der Srilanker forderte seinen Tribut. Die Fahrt mit dem Papamobil in die Stadt dauerte eine Stunde länger als geplant, weil der Tross nur langsam vorankam. Franziskus wollte für die 28 Kilometer lange Strecke bewusst den offenen Jeep – und dies bei tropischen Temperaturen, d.h. knapp 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit. Angesichts des Wetters und des Nachtflugs von Rom nach Colombo brauchte der 78-jährige Pontifex nach der langen Papamobilfahrt eine kleine Pause. So wurde das gemeinsame Mittagessen mit den Bischöfen Sri Lankas im Erzbischöflichen Palais gestrichen. Rund 180 Seminaristen warteten dort im Garten vergeblich auf den Papst. Am Nachmittag absolvierte der Papst das geplante Programm. Die Planung mit einem vollen Zeitplan am ersten Tag war sicherlich etwas zu ambitioniert gewesen für einen 78-Jährigen, der über Nacht aus dem römischen Winter kam.
Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte am Abend beim Briefing schmunzelnd: der Papst wolle im offenen Wagen fahren; heute habe er dafür seinen Preis bezahlt. Am Ende der Strecke, die statt gut einer Stunde schließlich zwei Stunden dauerte, sei er etwas erschöpft gewesen. Lombardi sprach von mehr als 300.000 Menschen entlang der Strecke des Papamobils. Dies sei überraschend gewesen, so der Vatikansprecher. Man bezeichne das Viertel von Colombo, durch das der Weg führte, wegen der hohen Katholikendichte dort als „Klein-Rom“. Doch in einem Land, in dem die Katholiken eine solch kleine Minderheit seien, wie in Sri Lanka, sei ein solcher Besuch aus seiner Sicht bisher einmalig.
P.S. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin überbrachte den Bischöfen das Geschenk des Papstes. Es ist ein Dokument des Königs Keerthi Sri Rajasinghe di Kandy aus dem 18. Jahrhundert, das ausdrücklich die christliche Mission und den Bau von Kirchen im heutigen Sri Lanka genehmigt. Das Original schenkten die katholischen Bischöfe des Landes Papst Leo XIII. (1878-1903) Jetzt kommt eine Kopie davon wieder zurück. Sicherlich ist es kein Zufall, dass sich die Bischöfe gerade jetzt dieses Geschenk gewünscht haben. Mit sieben Prozent der rund 21 Millionen Einwohner des Landes sind sie die kleinste der vier „großen“ Religionen (Buddhisten 70%, Hindus 13%, Muslime 10%). Entsprechend schwierig ist ihr Stand in dem Land, das noch immer von den ethnischen und ideologischen Gräben gekennzeichnet ist. Dass die Christen sowohl unter den Tamilen als auch den Singhalesen vertreten sind, bringt ihnen einerseits eine Mittlerrolle, andererseits wurden sie in den Zeiten des Bürgerkriegs oft zwischen den Fronten zerrieben.
P.P.S. Ein Zitat noch aus der Begrüßungsrede des Papstes am Flughafen in Colombo, das weit über Sri Lanka hinaus Bedeutung hat: „Es ist eine fortwährende Tragödie in unserer Welt, dass sich so viele Gemeinschaften mit sich selbst im Krieg befinden. Die Unfähigkeit, Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten, ob alt oder neu, zu versöhnen, ließ ethnische und religiöse Spannungen auftreten, die oft von Gewaltausbrüchen begleitet sind.“