Zuviel Zentralismus?
Gibt es in der katholischen Kirche zuviel Zentralismus? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, sieht im Zentralismus auf jeden Fall eine der unbearbeiteten Aufgaben des II. Vatikanischen Konzils. Das erklärte er gestern Abend in München im Rahmen einer Jubiläumsveranstaltung zum 50. Jahrestag der Eröffnung des Konzils. Als Beispiel nennt Lehmann etwa den Bereich der Liturgie. Da habe das Konzil durch die Liturgiereform relativ viel Freiheit ermöglicht. Doch heute bestimme etwa Rom über ein neues Gebet- und Gesangbuch für die Kirche in Deutschland. „Wir haben uns auch einfach manches gefallen lassen,“ wird der Kardinal zitiert. In einigen Angelegenheiten „hätte man auf den Tisch hauen müssen“.
Wie viel Freiheit haben die Ortskirchen? Was muss mit Rom abgesprochen werden und wo können etwa Bischöfe autark handeln? Immerhin haben sie „eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt“ des Lehrens und Leitens. Müssen sie da etwa bei der Ernennung von Theologen an den Universitäten unbedingt in Rom Rücksprache halten? Können sie nicht auch alleine über ein neues Gesang- und Gebetbuch entscheiden? Wer entscheidet, wie ein liturgisches Buch – derzeit konkret das Messbuch – richtig ins Deutsche übersetzt wird: Rom oder die entsprechende Fachkommission der Deutschen Bischofskonferenz? Ein weiteres Beispiel ist etwa der lange Streit um den Ausstieg der katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung in den 1990er Jahren. Die Liste könnte man weiter fortführen. Das Konzilsjubiläum dürfte auch bei der Frage nach dem Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche eine gute Gelegenheit sein, über die richtige Zuordnung nachzudenken – und die Frage, ob es nicht doch zuviel Zentralismus gibt.