Schwarzer Rauch

Jetzt geht es endlich los. Vor über einem Monat hat Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht angekündigt; seit knapp zwei Wochen ist er im Ruhestand. Seit heute Mittag sind die 115 Kardinäle nun im Konklave und suchen einen Nachfolger. 19.41 Uhr stand fest, was alle erwartet hatten, der erste Wahlgang war erfolglos. Der schwarze Rauch quoll deutlich sichtbar aus dem kleinen Kamin auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Einige Beobachter hatten schon Sorge, dass er Spuren an der Außenwand des Gebäudes hinterlassen könnte. Die chemischen Zusätze haben ganze Arbeit geleistet. Bleibt zu hoffen, dass auch bei der Farbe weiß, wann immer sie kommen mag, der Zusatz ein genauso deutliches Signal produziert. Aber darauf müssen wir wohl noch eine Weile warten; denn bis zuletzt gingen viele Kardinäle davon aus, dass einige Tage notwendig sein werden, um zur 2/3-Mehrheit zu kommen. Allerdings berichteten sie auch, dass einer der führenden Kurienkardinäle die Devise ausgegeben habe, jeder solle mit zwei oder drei persönlichen Favoriten ins Konklave gehen, sich dann aber schnell der Mehrheit anschließen. Wenn sich am morgigen Tag in den vier Wahlgängen eine solche Dynamik entwickelt, könnte doch schon sehr bald ein neuer Papst auf die Mittelloggia des Petersdoms treten.

Schwarzer Rauch nach 1. Wahlgang (dpa)

Interessant war die Predigt von Kardinaldekan Angelo Sodano. Er zog ja mit seinen 85 Jahren nicht mehr mit ins Konklave ein. Daher war der Gottesdienst heute Morgen seine letzte Gelegenheit, den Wählern eine Botschaft mit auf den Weg zu geben. Starke Akzente setzte er meines Erachtens nicht. Die Predigt ist nicht zu vergleichen mit der brillanten Ansprache des damaligen Kardinaldekans Joseph Ratzinger vor dem Konklave 2005. Damals sprach ein Theologe von Weltrang; heute ein alt gedienter Diplomat. Allerdings finden sich doch einige Hinweise darauf, wie der sich den neuen Papst vorstellt. Sodano sprach von der Liebe Gottes gegenüber den Menschen, die „sich besonders im Kontakt mit Ungerechtigkeit, Armut, allen Zerbrechlichkeiten des Menschen, seien sie psychisch oder moralisch“. Das erinnerte doch an die Brechungen in den Lebensläufen vieler Menschen heute, auf die die Kirche heute oft noch mit großer Härte reagiert, die wiederum von vielen Menschen nicht mehr verstanden wird. Erinnert sei an das Kommunion-Verbot von wiederverheiratet Geschiedenen. Will Sodano einen Papst, der hier „barmherzig“ ist? Das wäre neu. Bisher war er nicht für solche Ideen bekannt. Allerdings muss man sagen, Sodano stand seinerzeit im Streit um die kirchliche Beteiligung an der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung an der Seite der Mehrheit der deutschen Bischöfe, die für einen Verbleib waren. Sein mächtiger Gegenspieler war der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger. Ratzinger konnte sich mit seiner Position durchsetzen. Die deutschen Bischöfe mussten aussteigen aus dem staatlichen System.

Und warum hat Sodano in seiner Predigt so stark das Thema Einheit bemüht? Selbstverständlich ist es die wichtigste Aufgabe des Papstes, sich um die Einheit der Kirche zu kümmern. Doch klang das fast etwas danach, als forderte Sodano die Kardinäle zur Einheit auf. Gab es da etwa in den letzten Tagen des Vorkonklaves Uneinigkeit? Naja – es wurden in den Kardinalskongregationen durchaus offene Worte gesprochen. Vor allem der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone musste sich viel Kritik anhören. Doch wenn man ehrlich ist, war die Kritik doch längst bekannt. Immer wieder hatten Kardinäle und Bischöfe aus der ganzen Welt nach einer Reform der Kurie verlangt, nach mehr Kollegialität und einem anderen Miteinander von Ortskirche und Zentrale. Doch die Stimmen wurden mit einer arroganten und selbstherrlichen Haltung überhört oder nicht ernst genommen. Umso heftiger war es jetzt, als viele Kardinäle ihrem Frust Luft verschafft haben. Denn seit dem 28. Februar hält Benedikt XVI. nicht mehr seine schützende Hand über Bertone. Ratzinger hat sich zurückgezogen und ließ vor dem Ende seines öffentlichen Wirkens keinen Zweifel daran, dass er sich nicht mehr einmischen wird. Bertone ist nun auf sich alleine gestellt. Seine Zukunft ist ungewiss, ja sogar am unsichersten von allen ehemaligen Kurienchefs. Es wäre eine große Überraschung, wenn er noch lange im Amt bliebe. Normalerweise ist es üblich, dass der neue Papst die Chefs der Dikasterien „bis auf Weiteres“ wieder einsetzt. Bei Bertone darf man gespannt sein.

Kardinaldekan Angelo Sodano beim Gottesdienst (dpa)

Und noch eine letzte Anmerkung zur Predigt Sodanos. Im dritten Teil ging er auf den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden ein, der zur Sendung des Papstes gehöre. Er meinte zwar, die letzten Päpste hätten in diesem Bereich viel Gutes getan für die Völker und die Weltgemeinschaft. „Beten wir dafür, dass der zukünftige Papst dieses Werk unermüdlich weltweit fortführen möge“, so Sodano. Die Politik scheint den Diplomaten wichtig zu sein. Für ihn ist sie ein konstitutives Element des Papstamts, wie der Einheitsdienst und die Verkündigung. Eine Kritik am letzten Pontifikat war immer wieder, dass die politische Dimension zu kurz gekommen sei, das politische Gewicht, das die katholische Kirche unter Johannes Paul II. gewonnen habe, zumindest in Teilen wieder verspielt habe. Sodano war als Kardinalstaatssekretär in der Wojtyla-Ära für die Diplomatie zuständig. Er sah so manche Entwicklung in diesem Bereich unter Benedikt XVI. kritisch. Er hofft sicher, auf einen politischeren Papst.

Das könnte eventuell ein Kandidat aus Lateinamerika sein. Die Kardinäle von dort bringen oft eine interessante Mischung mit: theologisch konservativ, aber sozial sehr engagiert. Wenn der Kandidat nun noch Durchsetzungskraft und Charisma mitbringt, steht der Wahl nichts mehr im Weg. Doch wer wird es dann? Zuletzt war zu hören, dass eine ganze Reihe von Kardinälen nach dem Theologen Ratzinger nicht schon wieder einen „großen Denker“ will, sondern einen der zupackt und nahe bei den Menschen ist. Das könnte für den oft als Intellektuellen bezeichneten Mailänder Kardinal, Angelo Scola, ein Nachteil sein, auch wenn ihn die Buchmacher und viele Journalistenkollegen nach wie vor als den großen Favoriten sehen. Übrigens ist auch das sehr oft genannte Kriterium der Führungsstärke mit Vorsicht zu sehen, denn der Grat zum Machtmensch ist schmal. Und den wollen die wenigsten Kardinäle auf dem Stuhl Petri sehen. Die Zeichen stehen auf Kollegialität. Ob sich das am Ende auch durchsetzt, ist noch offen.

P.S. Morgen wird vier Mal gewählt. Sind alle Wahlgänge erfolglos, gibt es gegen 12 und 19 Uhr schwarzen Rauch. Weißen Rauch gibt es um diese Uhrzeiten, wenn im 3. oder 5. Wahlgang ein Kandidat die 2/3-Mehrheit schafft. Ist das im 2. oder 4. Wahlgang der Fall, ist gegen 10.30-11.00 Uhr bzw. 17.30-18.00 Uhr mit weißem Rauch zu rechnen. Live gibt es den Schornstein ab morgen Vormittag auf heute.de.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.