Kein Datum; aber ein Maulkorb

Helle Aufregung heute Mittag um kurz nach 13 Uhr. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte gerade mit seinem täglichen Briefing begonnen, da piepsten die Smartphones der Journalisten. Die Sprecherin der US-Kardinäle teilte kommentarlos mit, das geplante Pressebriefing der Kardinäle George und Dolan falle aus. Was war hier los? Mehrfach angesprochen auf die Absage reagierte Lombardi etwas gereizt. Er habe keinem Kardinal Vorschriften zu machen; das müssten die Kardinäle untereinander ausmachen. Klar sei aber, dass das Vorkonklave ein Prozess sei, in dem die Kardinäle zunehmend schwiegen. Das Konklave sei kein Kongress. Das Kollegium als Ganzes möchte ein Klima der Verschwiegenheit, so seine Begründung. Außerdem würden auch die Kardinäle anderer Nationen keine eigenen Briefings machen. Weiter wollte er die Vorgänge nicht kommentieren.

Gestern durften sie noch: US-Kardinäle DiNardo und O'Malley beim Briefing.

Sister Walsh brachte dann im Verlauf des Nachmittags noch etwas Licht ins Dunkel: In der Generalkongregation hätten sich die Kardinäle besorgt gezeigt, dass vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten, nachdem sie italienische Zeitungen gelesen hatten. Aus diesem Grund hätten die US-Kardinäle sich entschlossen, keine Interviews mehr zu geben. Wer bei den Briefings der US-Kardinäle in den letzten Tagen war, weiß, dass diese nichts Vertrauliches ausgeplaudert haben. Wenn in den italienischen Zeitungen Insiderinfos aus den Kardinalsversammlungen zu lesen waren, dann haben andere das Schweigegebot gebrochen. Für die Journalisten ist das ärgerlich; denn mit dem täglichen US-Briefing hatten sie wenigstens aktuelle Bilder und eine Geschichte zu erzählen. Jetzt bleibt alles den Spekulationen und Indiskretionen überlassen.

Unterdessen gibt es noch immer kein Datum für den Beginn des Konklaves. Noch immer fehlen zwei Papstwähler (Kardinal Nycz aus Polen und Pham Minh Man aus Vietnam). Die sollen aber spätestens morgen eintreffen. Da es morgen wieder zwei Kardinalsversammlungen gibt, könnte es sein, dass in der Nachmittagssitzung eine Entscheidung fällt. Noch gehen viele davon aus, dass das Konklave zwischen dem 11. und 13. März beginnt. Allerdings gibt es auch schon Stimmen, die wieder vom ursprünglichen Datum, 15. März sprechen. Der Gesprächsbedarf unter den Kardinälen scheint doch groß zu sein. Heute musste die Redezeit auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt werden. 18 Purpurträger ergriffen das Wort (damit bisher insgesamt 51). Wieder waren die Situation der Kurie und das Verhältnis der römischen Zentrale zu den Bischöfen und Bischofskonferenzen in aller Welt ein Thema. Und es ging um das Profil des künftigen Papstes angesichts der aktuellen Herausforderungen der Kirche. Zumindest bis gestern gab es in den Generalkongregationen noch keine wirkliche Diskussion sondern eher einzelne Vorträge. Das berichtete gestern Kardinal O’Malley beim bisher letzten Briefing der US-Kardinäle. Der Erzbischof von Boston zählt übrigens zu den Papabili, die hier in den letzten Tagen ständig im Kurs steigen. Mehr zu ihm und anderen möglichen Kandidaten ab morgen hier im „Papstgeflüster“.

Der Kardinal, der mit dem Fahrrad kam. (ap)

Seit heute sind übrigens alle deutschen „Senatoren“ hier. Gestern Abend waren noch die Kardinäle Lehmann und Wetter angereist. So nehmen jetzt die sechs deutschen Wähler (Kasper, Meisner, Cordes, Lehmann, Marx, Woelki) sowie die drei über 80-Jährigen (Wetter, Becker, Brandmüller) an den Generalkongregationen teil. Normalerweise sind die Kardinäle gehalten, im Talar mit roter Schärpe zu den Beratungen zu kommen. Kardinal Barbarin aus Lyon wählte heute aber das Fahrrad, den schwarzen Anzug und eine Windjacke. Die Gendarmen erkannten ihn daher zunächst nicht und wollten ihn zum Lieferanteneingang schicken; der Irrtum wurde schnell bemerkt und Barbarin durfte den von zwei Schweizergardisten gesäumten „Kardinalseingang“ benutzen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.