Größtes Konklave aller Zeiten

Beim siebten Treffen haben die Kardinäle heute eine Art Kassensturz gemacht. Die Mitbrüder, die mit Finanz- und Wirtschaftsfragen befasst sind, berichteten dem Kollegium über die Situation des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats. Unter ihnen war auch Kardinal Reinhard Marx, der Koordinator des Wirtschaftsrats, der über die aktuellen Herausforderungen berichtete und, so der Vatikan im Anschluss, Vorschläge für eine nachhaltige Wirtschaftsführung machte. Offiziell bestätigt wurde heute auch, dass alle 135 Kardinäle unter 80 ins Konklave einziehen dürfen. Papst Johannes Paul II. hatte 1996 in der Konklaveordnung eigentlich festgelegt, dass die Zahl der Wähler 120 nicht überschreiten solle. Nach Ansicht der Kardinäle habe Papst Franziskus mit der Ernennung von mehr Kardinälen von dieser Regelung dispensiert. Nach aktuellem Stand werden aber maximal 133 Purpurträger in die Sixtina einziehen, denn zwei haben sich bereits krank entschuldigt. Und auch in der Causa Becciu gab es heute eine offizielle Erklärung.

Frauen sitzen auch in diesen Tagen in der zweiten Reihe im Vatikan. Schwester Nathalie Becquart, Untersekretärin im Sekretariat der Bischofssynode, beim Trauergottesdienst im Petersdom (Foto: epa)

Emeritierter Kardinal

Die Kardinäle teilten mit, dass sie die Entscheidung von Kardinal Giovanni Angelo Becciu zur Kenntnis genommen haben, dass er nicht am Konklave teilnehmen werde zum Wohl der Kirche und um einen geordneten Ablauf der Wahl zu ermöglichen. „Die Kardinalskongregation drückt ihre Wertschätzung für diese Geste aus und hofft, dass die zuständigen Justizorgane den Sachverhalt endgültig aufklären können“, heißt es in einer Erklärung. Dem Vernehmen nach gibt es ein Scheiben des verstorbenen Papstes an Kardinal Becciu, in dem er ihm mitteilt, dass er den Status einen emeritierten Kardinals habe. Er kann also wie die Kardinäle, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, den Purpur tragen und bei Konsistorien oder eben aktuell den Generalkongregationen dabei sein. Aber er hat kein Recht, an der Wahl teilzunehmen. Ob es dieses Schreiben gibt, dazu will sich der Vatikan nicht äußern.

Trotz des Verzichts von Becciu ist es das größte Konklave aller Zeiten. An den letzten beiden Papstwahlen haben 115 Kardinäle teilgenommen. Jetzt werden es nach aktuellem Stand 133 sein, eine Steigerung um 15 Prozent. Das bringt logistische Herausforderungen mit sich. Das Gästehaus Santa Marta hat nur rund 120 Zimmer. Laut Vatikan werden einige Purpurträger in Alt-Santa Marta wohnen müssen. Die beiden Gebäude seien verbunden, so dass dies keine Probleme beim Ablauf bringe. Wer in welchem Zimmer wohnen wird, entscheidet das Los. Die Fensterläden werden verriegelt sein, so dass die Kardinäle keinen Kontakt nach außen aufnehmen können. Zugleich bedeutet das aber auch, dass kein Tageslicht ins Zimmer fällt.

Systemfehler der Reformen

Beim Kassensturz wurde einer der vielen Systemfehler deutlich, die Franziskus durch seine halben oder manchmal auch nicht richtig durchdachten Reformen provozierte. Die Gouverneurin des Staats der Vatikanstadt, Raffaela Petrini, die seit 1. März regiert, nimmt nicht am Vorkonklave teil. So musste heute ihr Vorgänger, Kardinal Fernando Vérgez Alzaga, den Finanz- und Wirtschaftsbericht zum Vatikanstaat vortragen. Kardinal Christoph Schönborn als Chef des Aufsichtsrats des IOR berichtete über die Lage der Vatikanbank und auch der Päpstliche Almosenmeister und Caritasminister, Kardinal Konrad Krajewski, berichtete über seine Arbeit.

An den Beratungen heute nahmen 181 Kardinäle teil, davon sind 124 Papstwähler. Es fehlen also noch immer neun. Nach den Finanzberichten gab es 14 Wortmeldungen. Dabei ging es laut Erklärung des Vatikan um die Ekklesiologie des Volkes Gottes „unter besonderer Berücksichtigung des Leids, das durch die Polarisierung innerhalb der Kirche und die Spaltung der Gesellschaft verursacht wird“. Mehrfach sei der Wert der Solidarität betont worden, „gelebt in einer enger Verbindung mit der bischöflichen Kollegialität, als Ausdruck einer differenzierten Mitverantwortung“. Ebenso sei wiederholt über das Thema Berufung zum Priesteramt und Ordensleben gesprochen worden im Zusammenhang mit einer spirituellen und pastoralen Erneuerung der Kirche. Dabei wurde mehrfach Bezug genommen auf Dokumente des II. Vatikanischen Konzils, allen voran die Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“ und die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“. Beim Thema Evangelisierung sei es um die Kohärenz zwischen der Verkündigung des Evangeliums und dem konkreten Zeugnis im Leben gegangen.

Kritik an „Fratelli tutti“

Gestern waren bei der sechsten Generalkongregation ebenfalls schon 124 Wähler unter den 183 anwesenden Kardinälen. Der Abt von Sankt Paul vor den Mauern, Dom Donato Ogliari, hatte die erste von zwei geistlichen Betrachtungen gehalten, die vor der Wahl vorgesehen sind. Im Anschluss diskutierten die Kardinäle in rund 20 Wortmeldungen über die Herausforderungen, mit denen die Kirche in den unterschiedlichen Ländern konfrontiert ist. Dabei hätten die Vortragenden ihre jeweiligen Erfahrungen aus den verschiedenen Kontinenten eingebracht.

Offiziell werden keine Details aus den Beratungen mitgeteilt. Wie zu hören ist, sind es vor allem die jüngeren Kardinäle sowie die aus dem Globalen Süden, die vermehrt das Thema Synodalität ansprechen. Aus Afrika waren wohl Stimmen zu hören, die den Umgang von Papst Franziskus mit dem Islam kritisch sahen. Sie wünschten sich eine klarere Abgrenzung und auch einen kritischeren Umgang. Der verstorbene Pontifex hatte versucht, mit den moderaten Kräften der anderen Religionen Allianzen zu schmieden gegen einen Missbrauch der Religion für Gewalt und Unterdrückung sowie für den Einsatz für eine friedlichere und gerechtere Welt. Die Idee der „Geschwisterlichkeit aller“, Fratelli tutti, sahen schon zu Lebzeiten konservative Kreise in der katholischen Kirche kritisch.

Eine Woche bis Start

Am Donnerstag haben die Kardinäle frei. Am Tag der Arbeit können sie sich ganz ihren informellen Zirkeln widmen. Dort werden, anders als in den offiziellen Beratungen, durchaus auch Namen diskutiert. In einer Woche wird es dann ernst. Wie es Tradition ist, werden am 7. Mai am Morgen um 10 Uhr die Kardinäle im Petersdom die Messe „Pro Eligendo Romano Pontifice“ feiern. Am Nachmittag ziehen sie ab 16.30 Uhr in einer feierlichen Prozession im Apostolischen Palast von der Cappella Paolina über die Sala Regia in die Cappella Sistina ein. Nach der Vereidigung findet der erste Wahlgang statt.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

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