Millimeterarbeit bei der Synode

Gut die Hälfte der Bischofssynode zur Synodalität ist vorüber. Bisher ist nicht abzusehen, ob am Ende konkrete Ergebnisse herauskommen, die den aktuellen Herausforderungen für die katholische Kirche gerecht werden. Über den Beratungsverlauf dringt wenig nach außen. Wie schon bei der letzten Synodalversammlung im Oktober 2023 sind die Synodalen gehalten, alles, was in der Synodenaula passiert, „vertraulich zu behandeln“. Entsprechend gibt es nur zusammenhanglose Informationen und einen groben Themenüberblick durch die offiziellen „Pressesprecher“ der Synode. Am Anfang gab es durchaus ein Grummeln in der Aula, nachdem der oberste Glaubenspräfekt am ersten Tag ein Dokument zur Rolle der Frau in der Kirche angekündigt hatte und im selben Atemzug erklärte, dass die Zeit für ein Diakonat der Frau noch nicht reif sei. Doch zu starken Protesten kam es nicht. Zur Halbzeit am Wochenende war allerdings zu hören, dass sich die Synodalen mehr Konkretheit bei den Debatten wünschen.

38 Tische – eine Weltkirche – viele Herausforderungen: die zweite und entscheidende Weltsynode zur „Synodalität“. (Foto: Erbacher)

Am Anfang zu unkonkret

Vielleicht ist es kein Zufall, dass mit Kardinal Jean Claude Hollerich, der Erzbischof von Luxemburg, Generalrelator und damit eine der Schlüsselfiguren der Synode ist. Kennt er sich doch als zuständiger Bischof für die Echternacher Springprozession aus mit Prozessen, die weniger zielstrebig nach vorne gehen, sondern bisweilen eher seitwärts oder gar rückwärts sich bewegen. Diesen Eindruck kann man bekommen, wenn man mit Synodalen spricht. Vor allem über die ersten gut eineinhalb Wochen klagten viele. Die Beiträge seien zu unkonkret gewesen; viele hätten sich in ihren Wortmeldungen im Plenum bei der freien Rede nicht auf das Instrumentum laboris bezogen, sondern hätten irgendetwas erzählt, was ihnen gerade auf dem Herzen lag zur Situation der Kirche in ihrem Heimatland oder der Situation in der Welt.

Das Arbeitsdokument ist – nach einer allgemeinen Einführung– in drei große Teile gegliedert, die nacheinander bearbeitet werden. Im zweiten Modul, die Grundlagen wurden als erstes Modul bezeichnet, ging es um „Beziehungen“. Dabei kamen die Beziehungen der Getauften untereinander mit ihren je eigenen Charismen und Fähigkeiten in den Blick, dann die Beziehungen zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Priestertum, also zwischen den Gläubigen und dem Klerus, sowie schließlich die Beziehungen zwischen den (Orts-)Kirchen in der einen Kirche. Dabei wurden auch kritische Punkte benannt, etwa dass viele Beziehungen in der Kirche belastet sind durch die unterschiedlichen Formen des Missbrauchs in der Kirche, durch Verletzungen im Umgang mit Frauen, mit Homosexuellen, mit den Menschen, die nicht zu 100 Prozent der Lehre des Katechismus entsprechen. Die Formulierung „nicht der traditionellen Lehre der Kirche entsprechen“ soll hier bewusst vermieden werden, denn die Frage stellt sich, was wirklich „traditionelle Lehre“ ist.

Rolle der Frau

Ein zweiter Punkt wurde bereits in diesem Modul wiederholt angesprochen: die Situation der Frauen in der Kirche. Auch wenn der Papst durch die Auslagerung in eine Arbeitsgruppe im Frühjahr versucht hatte, das Thema aus der Debatte herauszuhalten, ploppte es immer wieder auf. Es ist schwierig, dieses Thema bei Strukturdebatten in der Kirche nicht zu bearbeiten. Viele andere „heiße Eisen“ mögen da außen vor bleiben wie etwa die Frage nach dem Pflichtzölibat oder der Sexualmoral. Aber bei ekklesiologischen Fragen kann die Frage nach der Rolle der Laien und damit auch explizit der Frauen nur schwerlich ausgeklammert werden, gerade wenn es um die Glaubwürdigkeit der Kirche geht. Dabei wird deutlich, dass die Stimmen für eine stärkere Beteiligung der Frauen bei Leitung und Entscheidung nicht nur aus westeuropäischen Ländern kommen, sondern auch aus dem globalen Süden.

So erklärte etwa der brasilianische Kardinal Leonardo Steiner bei einem der Pressebriefings, „viele unserer Frauen sind heute schon Diakoninnen“. Zwar gebe es das Amt natürlich noch nicht offiziell, doch die Arbeit, die die Frauen in den Gemeinden verrichteten, könnten schlicht nicht anders bezeichnet werden. Auch aus der Synodenaula ist zu hören, dass Ordensfrauen sehr offen über ihre Arbeit berichteten und allen im Saal klar sei, dass sie bereits heute machen, was laut Kirchenrecht bisher nicht vorgesehen ist, von vielen aber schon lange gefordert wird. Bereits die Amazonassynode 2019 förderte diese Diskrepanz zwischen Realität und Lehre zu Tage. Damals konnte der Papst noch darüber hinweggehen. Doch der Druck im Kessel wird immer größer, so dass es dem Vatikan immer schwieriger gelingt, den Deckel geschlossen zu halten.

Problem der Entscheidungen

Die Frauenfrage stellt sich gerade im dritten Modul, das Ende der zweiten Woche diskutiert wurde. Da ging es um Entscheidungsprozesse, Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Kirche. Der Exerzitienmeister der Synode und designierte Kardinal, Timothy Radcliffe, brachte es in seiner Meditation zur Einführung der Diskussionen des zweiten Teils auf den Punkt: „Wie können Männer und Frauen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind, gleich und doch verschieden sein? Wir dürfen der Frage nicht ausweichen, wie die Jünger, indem wir entweder die Gleichheit oder den Unterschied leugnen. Und wie kann die Kirche die Gemeinschaft der Getauften sein, die alle gleich sind, und doch der Leib Christi, mit unterschiedlichen Rollen und Hierarchien?“

Dabei stellt sich eine wichtige Frage: Im Kontext der aktuellen Debatten nach Entscheidungsfindung wird gerne zwischen „decision making“ und „decision taking“ unterschieden. Das eine sei die Beratung im Vorfeld einer Entscheidung, das zweite dann die eigentliche Entscheidung. Bei ersterem könnte durchaus das Volk Gottes beteiligt werden, das zweite liege dann in der Hand des Priesters, Bischofs oder Papstes. Doch diese Art der Unterscheidung teilen nicht alle. Das birgt Diskussionsstoff in der Aula. Dieses dritte Modul führt zu einem der Kernherausforderungen des aktuellen synodalen Prozesses: Wie kann das synodale Prinzip mit dem hierarchischen Prinzip der Kirche in Einklang gebracht werden?

Fortsetzung in 2025?

Die Beratungen verlaufen zäh. Die theologischen Expertinnen und Experten sind auch bei dieser Versammlung nur am Rande eingebunden. Das führt immer wieder zu Kritik bei Synodalen. Immerhin haben sie der Synodenregie an der Stelle mit den Arbeitsgruppen die Stirn geboten. Nach den Berichten aus den zehn Gruppen am ersten Tag sollte es das eigentlich gewesen sein. Doch die Synodalen wollten mit Vertretern dieser Gruppen diskutieren und auch noch Impulse für deren Arbeit geben. So wurde der freie Nachmittag am kommenden Freitag gecancelt und es gibt jetzt die Möglichkeit zu einem Austausch. Auch wurde noch einmal betont, dass man jederzeit Eingaben machen könne.

Doch viele Synodale sind offenbar skeptisch. Einige fordern ein weiteres Treffen – zumindest einer kleinen von der Synodalversammlung beauftragten Gruppe – im kommenden Jahr, wenn im Mai 2025 die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorlegen. Bevor über 2025 gesprochen wird, geht es jetzt erst einmal darum, die aktuelle Synodalversammlung zu einem guten Ende zu führen und konkrete Ergebnisse vorzulegen. Dafür bleiben den Synodalen noch gut eine Woche. Am 26. Oktober soll das Schlussdokument vorliegen, über das dann abgestimmt wird.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Verfassen Sie einen Kommentar

Alle Kommentare werden vor der Veröffentlichung von uns geprüft. Kommentare, die Verlinkungen enthalten, werden nicht veröffentlicht. Hinweise zum Datenschutz