Der Papst zwischen Comedians und Weltpolitik
Größer hätte der Spagat kaum sein können. Am Freitagmorgen hat Papst Franziskus im Vatikan rund 100 Comedians aus der ganzen Welt getroffen, am Nachmittag sprach er beim G7-Gipfel in Apulien mit den Mächtigen der Welt. Am Morgen wertschätzende Worte an die Menschen des Humors, die aus Sicht des Papstes zu den wenigen gehörten, „die die Fähigkeit haben, mit sehr unterschiedlichen Menschen verschiedener Generationen und kultureller Hintergründe zu sprechen“. Am Nachmittag mahnende Worte an die Politik, Bedingungen zu schaffen, dass eine „positive Nutzung“ der KI möglich werde. Franziskus forderte klare ethische Grenzen für die Nutzung dieser Technologie. Am Rande des G7-Treffens führte er unzählige bilaterale Gespräche mit Staats- und Regierungschefs.
Mit am Tisch der Mächtigen
Wer Zweifel am Gesundheitszustand des Pontifex hat, wird in diesen Wochen eines Besseren belehrt. Die Agenda ist voller Termine. Im Vatikan stehen täglich ein halbes Dutzend Treffen auf der offiziellen Agenda, die inoffiziellen Begegnungen kommen noch dazu. Munter reist der 87-Jährige durch Italien: Mailand, Verona und gestern der G7-Gipfel in Apulien, Anfang Juli geht es nach Triest. Während Franziskus am Freitagmorgen am Ende der langen Reihe der 100 Comedians, die er einzeln begrüßte, etwas müde wirkte, war er am Nachmittag beim G7-Gipfel gut gelaunt, fügte mehrfach bei der rund 20-minütigen Rede zur Künstlichen Intelligenz spontan Gedanken hinzu und führte bis in den späten Nachmittag hinein Einzelgespräche mit den anwesenden Politikern, darunter den Präsidenten von Frankreich, den USA, der Türkei und Indiens.
Auch wenn viele Beobachter die Teilnahme von Franziskus am G7-Gipfel in Apulien als Coup der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni werten, dürfte der Benefit vor allem auf der Seite des Pontifex liegen. Nachdem er seine Teilnahme an der letzten Weltklimakonferenz in Dubai Ende 2023 auf Rat seiner Ärzte kurzfristig absagen musste, bot ihm das G7-Treffen nun die Bühne, um zu zeigen, dass aus seiner Sicht die großen Herausforderungen der Gegenwart nicht ohne ethisches Fundament und nicht ohne Religionen angegangen werden können. Seit langem sucht er die Allianz mit den moderaten Kräften in den Religionen, damit diese nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung der gegenwärtigen Herausforderungen sind. Dazu zählen neben den Kriegen die Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, der Klimawandel und technologische Entwicklungen wie die KI.
Papst beeindruckt Comedians
Und Franziskus scheint gerade in der persönlichen Begegnung auch zu beeindrucken. Das lässt sich zumindest aus den Reaktionen der Comedians lesen nach der Audienz am Freitagvormittag. Bei der Katholischen Nachrichtenagentur ist zu lesen, dass etwa Torsten Sträter gar über einen Wiedereintritt in die Kirche nachdenke. „Wir haben alle schon Papstwitze gemacht, das ist vollkommen klar. Trotzdem hier zu sitzen, und der Papst hält eine Mischung aus Predigt und Rede – das war erhebend. Ich will gar nichts Ironisches, Komikermäßiges dazu sagen: Es war beeindruckend“, erklärte Sträter im Anschluss an die Audienz. Hazel Brugger findet es gut, „dass die katholische Kirche so eine Geste bringt und nicht nur Humor akzeptiert, sondern ihn auch fördert“. In der Tat hatte der Papst vor allem lobende und würdigende Worte für die Comedians. Selbst über Gott könne man Witze machen, so Franziskus. Allerdings sei die Grenze dann erreicht, wenn religiöse Gefühle verletzt werden.
Sträter, Brugger, Frier, Kaptan, Mittermeier, Reiners – die Auswahl der Comedians aus dem deutschen Sprachraum konnte zum Teil verwundern. Sind sie doch auch mit vielen Spitzen gegen Glaube, Religion und katholische Kirche unterwegs. Der Papst kennt hier keine Berührungsängste, sieht das Positive, das die Comedians mit dem Humor bei Menschen bewirken können. Bei allen Spitzen und Kritik an der Institution scheint dem Papst etwas anderes viel wichtiger: „Ihr erinnert uns daran, dass der Homo sapiens auch ein Homo ludens ist, dass Spiel und Lachen für das menschliche Leben von zentraler Bedeutung sind, um sich auszudrücken, um zu lernen, um Situationen einen Sinn zu geben.“
3 Kommentare
„Mit am Tisch der Mächtigen“ Benedikt erwähnt in seiner Jesus-Trilogie den Umstand, dass einer der gewählten leitenenden Strategen im Jüdischen Krieg des Jahres 66 der Althohepriester Hannas II. war. Die Folge des brutalen Krieges war das Ende des Tempels und die Vertreibung der Juden aus ihrem Land. Er verweist auch auf Quellen, die von seltsamen Vorzeichen berichten, die die letzten Tage des Tempels ankündigten. „Lasst uns von hier fortziehen“, soll nachts im Tempel zu vernehmen gewesen sein.
Und diese seltsamen Vorzeichen sind glaubwürdig ? Seltsam ist für mich einzig, daß solche „Vorzeichen“ oder auch Wunder sich heute kaum noch ereignen. Woran mag das liegen ? Sind wir ihrer nicht mehr würdig oder handelt es sich vielleicht doch nur um frommen Aberglauben, wobei mir das Wort „frommm“ in diesem Zusammenhang doch ziemlich schwer fällt.
Andererseits: Wenn man schon sich herablässt, den allmächtigen Herrgott existieren zu lassen, dann möchte man doch auch ein wenig Mitspracherecht haben, was er tun darf und welche Grenzen er haben soll. Er soll sich bitte in der Bibel verstecken oder auch in Gebäuden, damit er bei Gelegenheit verfügbar bleibt. Wenn ich nun mit diesem gedanklichen Ansatz das Bild in diesem Artikel betrachte und in solchen Zusammenkünften kluge und „erfolgreiche“ Weltpolitik versucht wird, dann frage ich mich angesichts der vielen behaupteten Probleme, wieso keiner selbst als Atheist die Psychologie der Religion dafür einsetzt, um das über viele Medienkanäle verbreitete menschliche Leid zu lindern. Oder wird deswegen wenig zielführend gehandelt, weil es nur angebliche Katastrophen sind und es sei nur die Einbildung des naiven Betrachters, diese als schlimm zu bewerten? Wenn selbst die göttliche Funktion als letzter Strohhalm nicht mehr nachgefragt wird, dann braucht es auch keinen Gott zu haben. Diese grosse Diskrepanz bringe ich einfach nicht zusammen. Die Welt sagt: Wir sind tolerant gegenüber Gläubigen, ihr könnt uns vertrauen, weil wir euch schützen mit den geeigneten Mitteln, ob es einen Herrgott gibt ist Privatsache, weil wir für Realpolitik stehen. Kann sein, dass es mir widerstrebt, das Ganze einfach als das Grosse Spiel zu akzeptieren oder — wie passend zum Bild — als die grosse Comedy-Show.
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