Endspurt bei der Synode – erste Krise

Die Synode geht in die letzte und vorerst entscheidende Woche. Während bisher trotz kontroverser Diskussionen und Positionen alles in geordneten Bahnen verlief, zeichnete sich am Montag eine erste Krise ab. Eigentlich sollte eine Botschaft an die Gläubigen verabschiedet werden. Doch es gab Widerstand gegen den Text. Das alleine wäre nicht so schlimm; ein Text lässt sich nachbessern. Doch es gab einmal mehr Stimmen, die nach dem Charakter der Veranstaltung im Vatikan fragten und damit letztendlich die Legitimität der ganzen Synode in Zweifel zogen. Inhaltlich wurden am Morgen die Synodalen noch einmal darauf eingeschworen, dass die Zeichen auf Veränderung in der katholischen Kirche stehen. Im Auftrag der Synodenregie zeigte der australische Theologe Ormond Rush in einem Impulsreferat auf, wie ausgehend vom II. Vatikanischen Konzil der Traditionsbegriff dynamisch und eben nicht statisch zu verstehen sei. Als Gewährsmann für diese Interpretation führte er keinen geringeren als den jungen Konzilstheologen Joseph Ratzinger an.

Gespräche am Rande. Bischof Georg Bätzing (sitzend) und Bischof Franz-Josef Overbeck (stehend) beim Smalltalk mit dem Papst. (Quelle: Erbacher)

Legitimität angezweifelt

Es wird ernst bei der Weltsynode in Rom. In dieser Woche stehen Entscheidungen an. Und schon bei einer eher harmlos erscheinenden Abstimmung kommt es zu Komplikationen. Die „Botschaft an das Volk Gottes“, die bei früheren Synoden eher eine sehr allgemeine Schilderung des Themas mit Bezügen zur aktuellen Weltlage und einem aufmunternden Charakter war, wurde am Montag nicht wie geplant verabschiedet und veröffentlicht. Der Informationschef der Synode und vatikanische Medienminister, Paolo Ruffini, erklärte, es habe noch einige Änderungswünsche gegeben, die nun bis Mittwoch eingearbeitet werden sollen. Doch neben inhaltlichen Diskussionen, tauchte am Montag erneut eine kirchenrechtliche Frage auf: Welchen Charakter hat die Veranstaltung im Vatikan, die sich Bischofssynode nennt, bei der 80 Personen, also rund 20 Prozent der Teilnehmenden keine Bischöfe sind, aber Stimmrecht haben?

Schon in den ersten Tagen der Versammlung im Vatikan wurde bei der allgemeinen Debatte über den weltweiten Synodalen Prozess von einigen Synodalen, die vor allem aus dem konservativen Lager kamen, die Frage nach dem kirchenrechtlichen Fundament gestellt. Damals hatte sich Franziskus in die Debatte eingeschaltet und festgestellt, dass es kein Zurück mehr hinter das aktuelle Format geben werde. Das Thema verschwand dann etwas aus dem Blick, wird in der Woche der Entscheidungen aber wieder aktuell. Die Kritiker des Formats lassen sich dabei auch nicht von den Beschwörungen etwa eines Kardinal Christoph Schönborn beruhigen, der beim Pressebriefing am Montag feststellte, dass es sich weiterhin um eine Bischofssynode handle. Das Wesen der Synode habe sich seit der Einrichtung durch Papst Paul VI. nicht verändert, so der Wiener Erzbischof. Sie sei weiterhin ein beratendes Organ für den Papst, „um die kollegiale Verantwortung für die Lehre und das Leben der Kirche auszuüben“. Daran ändere sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Papst den Teilnehmerkreis geweitet habe. Ähnlich hatte sich der Generalsekretär der Synode, Kardinal Mario Grech, in der Vergangenheit wiederholt geäußert.

In Richtung Veränderung

Die Gegner dieser Erweiterung und des gesamten Synodalen Prozesses des Papstes haben in den vergangenen drei Wochen gespürt, dass bei aller Offenheit der Debatten es doch eine Grundrichtung gibt. Es geht darum, die Kirche auf Veränderungen einzustimmen, auf eine neue Vielfalt. Die italienische Ordensfrau Maria Grazia Angelini, die zusammen mit dem ehemaligen Dominikaneroberen Timothy Radcliffe die Synode geistlich begleitet, stellte heute zur Einstimmung auf die letzte Woche fest: „So scheint mir die Synode berufen zu sein, eine Synthese als Aussaat zu wagen, einen Weg zur Reform – neuer Form – zu eröffnen, den das Leben braucht.“ Und sie gab auch eine Richtung vor: weg von einer die Gläubigen bevormundenden Kirche hin zu einem auf den einzelnen Menschen konzentrierten Agieren: „Das bedeutet, dass sich die Pastoral entschieden von jeder statistischen, effizienten, prozessualen und als System errichteten Perspektive distanziert. Es geht darum, sich auf die Gewissensbildung der Getauften zu konzentrieren.“

Es mag eine Überinterpretation sein, doch der Gedanke liegt nicht ganz fern bei den Ausführungen Radcliffes zum Start der entscheidenden Woche. Er erinnerte an Abraham und Sarah, denen Nachkommenschaft verheißen war. „Sarah lacht, als sie diese Verheißung zum dritten oder vierten Mal hört, als sie im Zelt versteckt den Fremden in Genesis 18 zuhört. Wahrscheinlich ist es ein bitter-süßes Lachen. Sie hat das alles schon einmal gehört, aber sie ist unfruchtbar geblieben. Aber in einem Jahr wird sie Isaak gebären, das Kind des Lachens.“ Radcliffe sprach über die Zeit zwischen dem Ende der aktuellen Synode und der Versammlung im Oktober 2024. Sind es die Hoffnungen derer, die auf Veränderung warten, die „alles schon einmal gehört haben“, ohne dass etwas passiert ist. Radcliffe scheint große Hoffnungen zu setzen in die Zwischenphase; allerdings sieht er auch die Gefahren, wenn er zum Ende seines Impulses an die Synodalen appelliert: „Werden wir in diesen elf Monaten fruchtbare, hoffnungsvolle Worte sprechen oder Worte, die zerstörerisch und zynisch sind? Werden unsere Worte die Ernte nähren oder giftig sein? Werden wir Gärtner der Zukunft sein oder gefangen in alten sterilen Konflikten? Jeder von uns wählt.“

Ratzinger als Gewährsmann

Von der Grundrichtung war schon die Rede. Dass der australische Priester und Theologieprofessor Ormond Rush ausgerechnet Joseph Ratzinger als Gewährsmann heranzieht für die Feststellung, dass das II. Vatikanum keinen statischen, sondern einen dynamischen Traditionsbegriff definierte, ist sicher kein Zufall. Rush erklärte mit Verweis auf die Konzilskonstitution über die Offenbarung Dei Verbum, dass die göttliche Offenbarung nicht etwas sei, das in der Vergangenheit geschehen sei. Vielmehr handle es sich um eine „fortwährende Begegnung in der Gegenwart“ zwischen Gott und Mensch. Der Heilige Geist leite die Entwicklung der apostolischen Tradition „auf drei miteinander verbundenen Weisen“, so der Theologe: „durch die Arbeit der Theologen, durch die gelebte Erfahrung der Gläubigen und durch die Aufsicht des Lehramtes“.

Mit Ratzinger stellt Rush fest, „nicht alles, was es in der Kirche gibt, muss deshalb auch eine legitime Tradition sein; mit anderen Worten, nicht jede Tradition, die in der Kirche entsteht, ist eine wahre Feier und Vergegenwärtigung des Geheimnisses Christi“. Es gebe sowohl eine verfälschende als auch eine legitime Tradition. „Folglich darf die Tradition nicht nur affirmativ, sondern muss auch kritisch betrachtet werden“, betont Rush. Er verglich die Situation der Synode mit der beim ersten Apostelkonzil. Damals hätten die Jünger Antworten finden müssen auf Fragen, zu denen Jesus keine spezifischen Anweisungen hinterlassen habe. „ Sie und der Heilige Geist mussten gemeinsam zu einer neuen Anpassung des Evangeliums Jesu Christi in Bezug auf diese neue Frage kommen, die zuvor nicht vorgesehen gewesen war.“

Die Freiheit des Papstes

Die Spannung steigt. Noch ist offen, was am Ende dieser Weltsynode herauskommen wird und wie die Phase bis zur nächsten Versammlung gestaltet sein wird. Für den Papst und die Kirche steht viel auf dem Spiel. Vor allem die Gegner von Reformen bringen sich in Position. Doch bei allen Zweifeln an der Legitimität der aktuellen Versammlung, mehr als beratende Funktion haben die Beschlüsse nicht. Am Ende ist der Papst an nichts gebunden. Das kann Problem und Chance zugleich sein.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Erasmus
    24.10.2023, 2:22 Uhr.

    „… es gab einmal mehr Stimmen, die nach dem Charakter der Veranstaltung im Vatikan fragten und damit letztendlich die Legitimität der ganzen Synode in Zweifel zogen.“ (Erbacher)
    Einer der Protagonisten dieser Stimmen ist sicher Gerhard Ludwig KARDINAL MÜLLER. Dieser gab am 7. Oktober der Rheinischen Post ein Interview, bei dem er sich herausnimmt, Papst Franziskus wegen dessen Umgangs mit den Erzbischöfen Gänswein und Woelki zu kritisieren. Nach seiner Sicht der Weltsynode befragt, charakterisierte er diese als Versammlung einiger ausgewählter Bischöfe, „um bestimmte Themen untereinander und mit dem Papst zu besprechen.“ Von Nicht-Bischöfen oder gar Laien keine Rede.
    Aber damit nicht genug. MÜLLER – und das als gehorsamspflichtiger Kardinal – VERSTEIGT SICH wider besseren Wissens zu der den Papst degradierenden Falschaussage, dieser „könne nicht alles tun und lassen, wie es gerade seinem persönlichen Gusto entspricht.“ Und Bischöfe würden von Christus berufen und nicht wie Minister ernannt.
    Am 19. Oktober widerspricht der Kirchenrechtler NORBERT LÜDECKE auf katholisch.de Kardinal Müller frontal und zerlegt dessen argumentative Konstrukte nach allen Regeln der Kunst. Die Quintessenz lautet: Der Papst ist als „DOMINUS CANONUM an seine eigenen Gesetze nicht gebunden“, und er kann „als höchster Hirte der Kirche seine Amtsvollmacht sehr wohl und jederzeit ‚nach Gutdünken‘ (AD PLACITUM) ausüben.“
    Kardinal Müller wurde 2017 von Franziskus als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre entlassen, ohne dass er einen Anspruch auf eine Begründung gehabt hätte. Er hatte schon bisher bei Bischofssynoden nur ein beratendes und kein beschließendes Stimmrecht. Mit der vom Papst verfügten UMGESTALTUNG DER BISCHOFSKONFERENZ ZUR KIRCHENSYNODE im April dieses Jahres wird ihm jetzt nicht nur zugemutet, mit Nicht-Bischöfen und sogar Laien auf Augenhöhe zu debattieren, sondern diese haben auch noch das gleiche Stimmrecht, wie er, der ‚große Theologe‘.
    Die Synodenskeptiker haben das Problem, dass sie zu Zeiten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gegenüber Kirchenkritikern gerne den PRIMAT DES PAPSTES ins Feld geführt haben und jetzt bei Franziskus nicht einfach einen anderen Maßstab anlegen können. Daher handelt es sich aus meiner Sicht NICHT um eine KRISE, SONDERN um einen STURM IM WASSERGLAS.

  • Silvia
    25.10.2023, 11:12 Uhr.

    Mir gefällt das neue Synodenmodel ausgesprochen gut, vor allem auch die neue Sitzordnung an den runden Tischen.

    Wenn es kirchenrechtliche Bedenken gibt, weil sich die Synode noch Bischofssynode nennt, könnte man in Zukunft den Namen ändern, z.B. in Kirchensynode.

    Aber bereits jetzt spricht man ja schon meistens von Weltsynode, eben, weil es keine reine Bischofssynode mehr ist.

    Diese neue Form der Synode ist an sich bereits eine Reform.

    • Zufälliger Gastleser
      26.10.2023, 17:03 Uhr.

      „Runde Tische“ haben schon einmal ins Nichts gutgemeinter Erwartungen geführt und geblieben ist die Überwältigung durch einen feixend-triumphierenden Systemgegner. Mit ihrer Tradition (es gibt keine verfälschende vs. legitime, nur eine gültige) gibt die Kirche sich selbst auf, löst sich auf und liefert den Zeitgeisten vollends sich aus. Erbärmlich. Das mündet in die „Demokratur“ des Relativismus; jenes Relativismus vor dem der letzte (der letzte?) Papst warnte. – Schon wird eine Donna Haraway in „Laudate Deum“ angeführt. Nancy Fraser hätte mir da eher gefallen. In der Tradition läge ganz andere Substanz – sogar dem „Kapitalozän“ zu widerstehen – bereit. Traurig wie ein großes und äonenlang widerständiges Erbe billig verspielt wird. Dazu wurde der „Mißbrauch“ wie früher die „Sittlichkeitsprozesse“ mißbraucht. Und ausgerechnet die hochverkopften Proponenten, die einer sog. Transformation wortredend auf den Leim gehen, merken nichts. – In 20 oder 30 (oder Deo volente in 100 Jahren) wird es intelligente Aufsätze, in kirchlichen und weltlichen Samisdat-Publikaten darüber geben, wie: doof das alles war.

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