Auf Werbetour in Asien
Es war eine Gratwanderung , die Papst Franziskus bei seiner 43. Auslandsreise vollziehen musste. Mit der Mongolei, eingerahmt von Russland und China, suchte er sich einen idealen Ort aus, um Botschaften in Richtung der diplomatischen Sorgenkinder zu senden. Zugleich musste er seine Worte und Gesten gut abwägen, damit die Gesprächsfäden zu den beiden mächtigen Nachbarn nicht ganz abreißen. Doch seine Botschaft ging weit über die beiden Großmächte hinaus, überall dorthin, wo die katholische Kirche in der Minderheit ist oder in ihrem Handeln eingeschränkt ist: Keine Regierung müsse die Kirche fürchten, weil sie keine politische Agenda verfolge, sondern das Wohl aller Menschen in einem Land fördern wolle. Dazu passte, dass der letzte Programmpunkt der Reise am Montagmorgen der Besuch eines Sozialzentrums in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator war. Franziskus nutzte jede Gelegenheit, um den Beitrag der Kirche für die Gesellschaft zu hervorzuheben. Dabei wies er zum Abschluss der Reise den Vorwurf zurück, beim sozialen Engagement der Kirche gehe es um Proselytismus.
Historische Reise
Historisch war der Besuch – ganz gleich, welche Früchte er konkret tragen wird. Denn mit Franziskus kam erstmals ein Papst in die Mongolei. Johannes Paul II. hatte zwar 2003 einen Anlauf unternommen, doch die Reise konnte am Ende nicht durchgeführt werden. Früchte der aktuellen Visite werden auf unterschiedlichen Ebenen erwartet. Die Ortskirche hofft, dass sich ihr Handlungsspielraum verbessern wird, auf Verwaltungsebene sich Prozesse vereinfachen. Dass diese Erwartung durchaus berechtigt ist, zeigen Erfahrungen nach der Kasachstanreise des Pontifex vor einem Jahr. Der zuständige Länderreferent des Hilfswerks „Kirche in Not“, Peter Humeniuk, berichtete am Rande des Besuchs in Ulan Bator, dass sich nach der Reise des Pontifex in das Kaukasusland für die Kirche einiges verbessert habe, etwa mit Blick auf Visafragen für kirchliche Mitarbeiter.
Franziskus hatte bei dieser Reise nicht nur die Mongolei im Blick. Für ihn schien es wichtig zu sein, seine Kirche als kompatibel für jede Gesellschaft zu präsentieren. Das ist gerade in Asien ein wichtiger Punkt. In vielen Ländern, nicht nur in China, gibt es Vorbehalte gegenüber den Christen. Schnell wird ihnen vorgeworfen, aus dem Ausland gesteuert zu sein und ausländische politische Interessen zu vertreten. Dazu kommen aggressive Missionsmethoden einzelner christlicher Gemeinschaften, die gerade in Ländern, in denen die Christen in der Minderheit sind, immer wieder zu Problemen führen. Franziskus versuchte diese Punkte zu entkräften. Nicht, dass seine Positionen neu wären, doch die Hoffnung scheint, dass sie vor Ort in Asien ausgesprochen noch einmal besser gehört werden.
„Edles China“ und „großes Russland“
Während Russland in den vergangenen Tagen wenig in den Blick geriet, zog sich das Werben um China beinahe wie ein roter Faden durch die Reise. Direkt oder indirekt angesprochen, versuchte Franziskus Vorbehalte abzubauen und Brücken aufzubauen. Bei der fliegenden Pressekonferenz auf dem Rückweg von Ulan Bator nach Rom zeigte er sich zufrieden mit den Beziehungen zu China. Es sei nicht leicht, aber es gebe eine vatikanisch-chinesische Kommission, die gut arbeite. Wenn man genau hinhört, gibt es allerdings auch Zwischentöne. Wenn der Papst in seinem Gruß am Sonntag vom „edlen chinesischen Volk“ spricht, dann ist das keine Aussage über das Verhalten der Regierung. Immer wieder hatte Franziskus in der Vergangenheit die chinesische Kultur gewürdigt. Damit meint er eine Jahrtausende alte Tradition, nicht die aktuelle Politik.
Ähnlich erklärte er bei der fliegenden Pressekonferenz auch seine jüngsten Äußerungen zu Russland. Bei einer Videoschalte zum Treffen junger Katholiken in Sankt Petersburg hatte Franziskus vor wenigen Tagen vom „großen Russland“ unter Peter I. und Katharina II. gesprochen. Das hatte nicht nur in der Ukraine für Irritationen gesorgt. Angesprochen darauf erklärte Franziskus, er habe dabei keineswegs imperialistischem Gebaren das Wort reden wollen, sondern sein Anliegen sei ein anderes gewesen. Zunächst sei es wichtig, dass die Jugend das Erbe ihres Landes kenne. Deshalb sei ihm auch immer der Austausch zwischen Jungen und Alten wichtig, Enkeln und Großeltern. Um dieses Erbe auszuführen, habe er vom „großen Russland“ gesprochen. „Denn das Erbe Russlands ist sehr gut und sehr schön“, führte der Papst aus. „Denkt an das Feld der Literatur, das Feld der Musik, bis hin zu Dostojewski“. Drittens, und das sei vielleicht nicht glücklich gewesen, gestand Franziskus ein, als er über Russland, weniger im geografischen als vielmehr im kulturellen Sinne gesprochen habe, habe er sich daran erinnert, was man in der Schule gelernt habe: Peter I. und Katharina II. Es sei ihm dieser dritte Punkt in den Sinn gekommen. Er habe dabei aber nicht an den Imperialismus gedacht, sondern an dieses Erbe im Bereich der Kultur.
Eine größere Rolle spielte Russland sonst bei dieser Reise nicht. Das war durchaus anders zu erwarten. Zwar gab es wiederholt eindringliche Friedensappelle, doch dabei bezog sich Franziskus nicht auf konkrete Konflikte. Dass er in seiner Rede an Politik und Zivilgesellschaft indirekt Kritik am Besitz von Atomwaffen übte, war einer der wenigen Punkte, die mit dem großen Nachbarn in Verbindung gebracht werden konnte, außer seinen allgemeinen Äußerungen zur Einhaltung von Menschenrechten für alle und der Betonung der Religionsfreiheit, die nicht nur in China sondern auch in Russland nicht umfassend gewährleistet ist. Das zeigt, der Fokus des Pontifex lag auf China und der Situation der Kirche in Asien.
Weniger Reisen und Kontroverse um Synode
Bei der fliegenden Pressekonferenz wirkte Franziskus am Montag müde. Auf die Frage, welche Reisen er plane, nannte er außer Marseille keine weiteren Ziele. Die französische Mittelmeerstadt wird der Papst in knapp drei Wochen besuchen. Er deutete zwar noch Planungen für eine weitere Europareise an, wurde aber nicht konkret. Vor wenigen Wochen hatte er in einem Zeitschrifteninterview vom Kosovo als möglichem Reiseziel gesprochen. Aufhorchen ließ seine Äußerung, dass ihm das Reisen längst nicht mehr so leicht falle wie noch vor Jahren. Das hörte sich für die mitreisenden Journalisten nicht so an, als gebe es aktuell große Reisepläne. Für 2024 gab es Spekulationen über eine Reise nach Indien und im Rahmen einer weiteren Lateinamerikareise in seine Heimat Argentinien. Nichts dergleichen erwähnte Franziskus.
Ausführlich äußerte er sich zur bevorstehenden Synode zur Synodalität. Dabei betonte er, dass es einen geschützten Raum geben müsse, in dem die Beratungen stattfinden könnten. „Wir müssen das synodale Klima bewahren“, mahnte er. Es handle sich um einen religiösen Prozess nicht um eine TV-Sendung, wo man über alles spricht. Er erinnerte daran, dass es immer nach einer bestimmten Anzahl von Wortbeiträgen drei Minuten Stille gebe. „Ohne diesen Geist des Gebets gibt es keine Synodalität, das ist Politik, Parlamentarismus.“ Angesprochen auf die schon im Vorfeld scharfe Kritik an der Synode etwa durch den US-amerikanischen Kardinal Burke, der die Synode als Büchse der Pandora bezeichnet habe, erklärte Franziskus, wenn man diesen Ideen auf den Grund gehe, steckten dahinter Ideologien. Diese Personen verteidigten eine „Lehre in Anführungszeichen, die eine Lehre wie destilliertes Wasser ist, keinen Geschmack hat und nicht die wahre katholische Lehre ist, die im Glaubensbekenntnis steht“.
Auf die Frage, wie offen und transparent der Beratungsprozess sein werde, stellte Franziskus klar, dass die Kommunikation über eine Kommission laufen werde unter Leitung des Präfekten des Dikasteriums für Kommunikation, Paolo Ruffini. Diese werde täglich über die Beratungen berichten. Sie werde versuchen, „sich nicht auf Geschwätz einzulassen, sondern genau die Dinge über die Synodenprozesse zu sagen, die für die Kirche konstruktiv sind“. Diese Feststellung des Papstes führte im Anschluss an die Pressekonferenz zu Diskussionen unter den Journalisten, aber auch mit dem Vatikanpressesprecher Matteo Bruni. Die Journalisten hatten die Hoffnung, dass es bei der Synode eine größere Offenheit und Transparenz gebe als in der Vergangenheit. In den vergangenen Wochen war etwa von Livestreams der Generaldebatten die Rede gewesen. Wenn der Papst sagt, dass die Kommission das kundtut, „was für die Kirche konstruktiv“ ist, befürchten viele, dass es hier gefilterte Informationen geben wird. Die Debatten während des rund zehnstündigen Fluges zeigten, dass es hier in den kommenden Wochen noch viel Gesprächsbedarf gibt.
Die „Letzte Generation“ und Johannes XXIV.
In seiner Apostolischen Exhortation, die am 4. Oktober, dem Gedenktag des Heiligen Franziskus, als Update zur Umweltenzyklika Laudato si veröffentlicht wird, möchte er einige Probleme aufzeigen, die im Kontext der Weltklimakonferenzen noch nicht gelöst worden seien und dringend einer Lösung bedürften. Angesprochen auf die „Letzte Generation“ stellte er fest, die Jugendlichen seien besorgt und dachten an die Zukunft. „Und in diesem Sinne finde ich es gut, wenn sie gut kämpfen. Aber wenn Ideologie oder politischer Druck im Spiel sind oder dazu benutzt werden, dann geht das nicht“, erklärte der Pontifex. Mit Blick auf die Beziehungen zu Vietnam und die Frage, ob er eine Reise dorthin plane, stellte Franziskus fest, dass es auf beiden Seiten einen guten Willen gebe, in den Beziehungen voranzukommen. Die noch bestehenden Probleme würden früher oder später sicher überwunden werden. Was eine mögliche Reise angehe, sieht er sie in seiner Amtszeit wohl nicht mehr kommen. „Ich bin sicher, dass Johannes XXIV. dorthin reisen wird“, sagte er scherzhaft.
Für den Papst dürfte die 43. Auslandsreise sicher ein Erfolg sein. Die Journalisten bleiben mit einem etwas mulmigen Gefühl zurück. Das bezieht sich zum einen auf seine Anmerkungen zu den Reisen, zum anderen auf die Äußerungen zur Öffentlichkeitsarbeit bei der Synode. Was die Reisen anbetrifft, steigt Franziskus bereits am 22. September wieder in den Flieger, um an einer kirchlichen Mittelmeerkonferenz in Marseille teilzunehmen. Wenige Tage später beginnt dann die Synode. Es wird ein interessanter Herbst und die Spannung steigt vor allem mit Blick auf Synode.
2 Kommentare
Was den Namen seines Nachfolgers betrifft, dürfte Johannes XXIV., nach menschlichen Überlegungen, ein sicherer Tip für dahingehende Wetter sein.
Ich freue mich immer sehr, wenn Sie, sehr geehrter Herr Erbacher, täglich von den Papstreisen berichten, auch wenn ich nicht jede ihrer Ansichten und Einschätzungen teile. Für die Berichterstattung vielen Dank!
Man muss es Papst Franziskus hoch anrechnen, dass er in seinem Alter und mit seiner angeschlagenen Gesundheit überhaupt noch Reisen unternimmt und dazu noch solche entfernten Ziele wie jetzt zum Beispiel die Mongolei besucht. Das stärkt mit Sicherheit den Glauben der kleinen katholischen Gemeinschaft in diesem Land. Und auch wenn manche Äußerungen des Heiligen Vaters verwirren können, sind seine Botschaften doch meistens sehr angebracht. Von den Artikeln die man über die Reise des Papstes in die Mongolei lesen konnte (nicht nur hier im Blog von Papstgeflüster), habe ich allerdings etwas den Eindruck bekommen, dass er eigentlich lieber in China wäre. Das ist irgendwie etwas merkwürdig, wenn dem Nachbarland eine, zumindest gefühlt, so große Aufmerksamkeit zuteil wird. Ich habe mich gefragt, ob die Mongolei selbst da nicht vielleicht etwas zu kurz kommt. Vielleicht ist diese Einschätzung aber auch etwas übertrieben oder die Berichterstattung hat generell ein sehr großes Augenmerk auf diesen Aspekt der Papstreise gelegt.
Tja, ich frage mich schon länger, wie lange Papst Franziskus ein solches Pensum noch durchhält. Vor einem Monat der Weltjugendtag in Lissabon, jetzt die sehr weite Reise in die Mongolei, demnächst der Kurztrip nach Marseille. Das ist schon für jüngere Menschen nicht ohne. Dann folgt das Konsistorium mit der Kreierung neuer Kardinäle und direkt im Anschluss die Synode. Ob es nicht besser wäre, sich etwas zu schonen?
Einige englischsprachige Medien sprachen in der letzten Zeit von einem Papst in Eile. So kommt es auch mir vor. Denn auf der Synode wird mit Sicherheit auch kontrovers diskutiert werden, sowas kann ebenfalls sehr an den Nerven zehren.
Wahrscheinlich wird es dann in diesem Jahr nach Marseille keine weitere Papstreise geben. Und wer kann heute sagen, ob Papst Franziskus im Jahr 2024 noch die Kraft für weitere Reisen haben wird? Im Artikel oben ist ja schon angeklungen, dass vorerst nur die Reise nach Marseille geplant ist. Ich fände es jedenfalls schade, wenn danach keine Papstreise von Franziskus mehr käme. Er hat sich ja stets Reiseziele ausgewählt, die wirklich ungewöhnlich waren, auch wenn er natürlich auch als Papst Orte besucht hat, die durchaus bekannt und wichtig sind wie zum Beispiel New York, Abu Dhabi, Rio de Janeiro und Jerusalem (um nur einige zu nennen). Dennoch hat er den Schwerpunkt seiner Reisen auf die wirklich armen und oft unterentwickelten Gegenden der Erde gelegt.
Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja noch die ein oder andere Überraschung in dieser Hinsicht. Es muss ja kein zehnstündiger Flug sein. Benachteiligung und Armut findet man auch in Europa. Wie wäre es mit einem Besuch in einem nordenglischen Arbeiterviertel? Auch dort könnte der Heilige Vater Trost spenden und Hoffnung wecken. Oder noch einmal Afrika? Die Worte von Papst Franziskus werden auch dort sehr gebraucht. Und es ist nun einmal etwas anderes wenn der Papst seine Botschaft direkt vor Ort verkündet als sonntäglich beim Angelus in Rom.
Ich wünsche Papst Franziskus eine gute Gesundheit, damit er mit weiteren Reisen die Herzen der Menschen berühren kann.
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