Roma locuta – Causa Gänswein finita?
Jetzt ist es offiziell. Erzbischof Georg Gänswein kehrt zum 1. Juli in seine Heimat Freiburg zurück. Papst Franziskus hat keine neue Verwendung für den langjährigen Sekretär von Benedikt XVI. In einer Mitteilung des Vatikan heißt es heute, Gänsweins Aufgabe als Präfekt des Päpstlichen Hauses habe bereits am 28. Februar geendet. Allerdings gibt es in der Erklärung ein kleines Schlupfloch für eine künftige Verwendung, indem formuliert wird, dass der 66-Jährige „vorerst“ in seine Ursprungsdiözese zurückkehre. Der Vorgang ist ungewöhnlich und schwierig für alle Beteiligte. Aus Freiburg gibt es zu möglichen künftigen Aufgaben Gänsweins keine Informationen. Lediglich eine erste Bleibe scheint gefunden im Priesterseminar im Schatten des Münsters.
Lange Zeit im Vatikan
Seit 1995 lebte und arbeitete Georg Gänswein am Vatikan. Zunächst ab 1995 in der Gottesdienstkongregation auf Wunsch des dortigen Präfekten, bevor er ein Jahr später auf Wunsch Kardinal Ratzingers an die Glaubenskongregation wechselte. 2003 übernahm er die Aufgabe des persönlichen Assistenten und Sekretärs des damaligen Glaubenspräfekten. Nach dessen Wahl zum Papst im April 2005 folgte Gänswein als Sekretär ins Appartamento im 3. Stock des Apostolischen Palasts und nach der Emeritierung zog er mit ins Kloster Mater ecclesiae in den Vatikanischen Gärten. Alle kennen Don Giorgio im Vatikan und er kennt nahezu alle, ist bestens vernetzt und nutzt diese Verbindungen.
Mit dem Posten an der Seite des einflussreichen Glaubenspräfekten und späteren Papst hatte er Einblicke in wichtige und delikate Vorgänge. Er weiß viel und hält mit Kritik am amtierenden Papst nicht hinterm Berg. Dass er manch interne Information unter anderem in Buchform in die Öffentlichkeit trug und auch seine Kritik an Franziskus, gefiel dem Pontifex nicht. Ob das das Fass zum Überlaufen brachte und zu der Entscheidung führte, dem deutschen Erzbischof keine neue Aufgabe zu übertragen, wird noch zu klären sein. Vielleicht bietet sich die nächste fliegende Pressekonferenz auf dem Rückweg vom Weltjugendtag in Lissabon Anfang August an, um Franziskus zu der Personalie zu befragen.
Was wäre Alternative?
Bei Licht betrachtet ist es allerdings auch schwierig, eine neue Aufgabe für den ehemaligen Papstsekretär zu finden, wenn eine Grundbedingung ist, dass er den Vatikan und Rom verlässt. Und es macht durchaus Sinn, dass der Sekretär eines ehemaligen Papstes räumlich Distanz zu seinem alten Wirkungsfeld bekommt. Angesichts der Forderung nach Professionalisierung der Amtsinhaber, käme eine Aufgabe als Nuntius, in früheren Zeiten gerne als Versorgungsposten genutzt, nicht in Frage. Gänswein als Diözesanbischof nach Deutschland zu schicken, wäre auch nicht passend – immerhin sind gerade drei Bischofsstühle vakant: Paderborn, Bamberg und Osnabrück. Allerdings wäre der Papst nur in Bamberg frei in der Ernennung, in den anderen beiden Fällen wählt das Domkapitel aus einer Dreierliste. Da werden die Optionen schon überschaubar.
Doch ist ein Rückzug ins Private für einen 66-jährigen Erzbischof und ehemaligen Papstsekretär wirklich die einzige Möglichkeit? Franziskus soll ihm noch zugerufen haben, er könne an einer Universität unterrichten. Auch das scheint aber keine wirkliche Option zu sein. So liegt es jetzt „vorerst“ an ihm und dem Freiburger Erzbischof, sich Gedanken über die Zukunft Gänsweins zu machen. Aus dem Hause des Ordinarius Burger war in den vergangenen Tagen immer zu hören, man habe keine belastbaren Informationen weder aus dem Vatikan noch vom Nuntius in Berlin. Jetzt hat der Papst Fakten geschaffen und die Suche nach neuen Aufgaben geht weiter, allerdings nicht in Rom, nicht in der Weltkirche, sondern in der badischen Heimat.
P.S. Papst Franziskus wird laut Vatikan am Freitagmorgen das Krankenhaus verlassen.
10 Kommentare
„Allerdings wäre der Papst nur in Bamberg frei in der Ernennung“. Das stimmt so nicht. Der Papst ist durchaus gebunden an die Vorschlagslisten, die das entsprechende Domkapitel im Vakanzfall, alle drei Jahre die acht bayerischen Kapitel und der Nuntius einreichen. Man höre und staune: Im Vatikan hält man sich an diese Vorgehensweise. Als bei der vorletzten Würzburger Vakanz Bischof Hofmann NICHT auf einer der drei Listen stand, bat der Vatikan doch tatsächlich das Domkapitel in Würzburg um eine neue Liste mit dem Namen. Und das Domkapitel hat dem willfahren.
Man muss natürlich auch kritische Frage stellen:
Was hat Gänswein als Sekretär von Erzbischof Saier zu den Missbrauchsfällen gewusst?
Warum hast Erzbischof Saier Gänswein in den 90er Jahren nach Rom abgeschoben?
Was hat Gänswein als Sekretär von Kardinal Ratzinger zu allen Missbrauchsfällen in der Kirche gewusst (schließlich mussten alle Fälle am Ende der Amtszeit von Ratzinger bei Ratzinger gemeldet werden)?
Hat Papst Franziskus nicht vielleicht auch gute Gründe jenseits der kirchenpolitischen Torpedos durch B16/Gänswein und den unappetitlichen Indiskretionen über den armen B16 und dessen Verdauung, Gänswein nicht auf einen Verantwortungsposten zu setzen?
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Gänswein nur „vorläufig“ als Privatmann in sein Heimatbistum Freiburg zurück beordert worden.
Dh., da könnte immer noch in Zukunft eine neue Aufgabe für ihn gefunden werden.
Insgesamt hat die Kirche momentan größere Probleme als Gänswein, der sich u.a. mit dem Erscheinen seines Buches kurz nach Benedikts Tod undiplomatisch verhalten hat. Der Papst sitzt nun mal am längeren Hebel, wie jeder Chef überall auf der Welt.
Welche größere Aufgabe gibt es eigentlich für einen Geistlichen, der mal Kartäuser werden wollte, als ohne großes Aufhebens sein Leben mit dem Gebet verbringen zu dürfen?
ENDE EINES DREIJÄHRIGEN URLAUBS
Am 15. Januar 2020 erschien in Frankreich das Buch „Des profondeurs de nos coeurs“ (AUS DEN TIEFEN UNSERER HERZEN). Als Autoren firmierten Benoît XVI und Cardinal Robert Sarah. In der Mitte des Buchcovers sind beide hohen kirchlichen Würdenträger abgebildet.
Der Erscheinungszeitpunkt ist nicht zufällig. Im Abschlusspapier der AMAZONIEN-SYNODE im Herbst 2019 findet sich der Vorschlag, dem gravierenden Priestermangel durch die Weihe von sogenannten „VIRI PROBATI“ – also im Glauben und Leben bewährten verheirateten Männern – zu Diakonen zu begegnen. Papst Franziskus ist Anfang 2000 dabei, das nachsynodale Schreiben zur Amazonien-Synode zu erstellen.
Konservative Kreise in Rom befürchteten eine LOCKERUNG DES ZÖLIBATS und Kardinal Sarah zeigte mit seinem Buch Flagge und hatte es auch geschafft, den Papa emeritus mit ins Boot zu holen. Was die CO-AUTORENSCHAFT BENEDIKTS angeht, steht die Aussage Sarahs gegen diejenige Gänsweins. Aber unabhängig davon findet sich in Sarahs Buch ein Beitrag Benedikts mit dem Titel „DAS KATHOLISCHE PRIESTERTUM“, der inhaltlich eindeutig ist. Der katholische Priester stehe „in der Berührung mit dem göttlichen Geheimnis“ und verlange daher „eine Ausschließlichkeit für Gott, die eine andere, das ganze Leben umgreifende Bindung wie die Ehe neben sich ausschließt“.
Dass der emeritierte Papst im Alter von 92 Jahren diesen Aufsatz schrieb, steht im klaren Widerspruch dazu, dass er ja angekündigt hatte, für die Welt verborgen bleiben zu wollen. Aber zum MEDIALEN SKANDALON wurde die Angelegenheit erst dadurch, dass die französische Erstausgabe Benedikt als Mitautor des Buches auswies. Wir wissen nicht, ob Franziskus vorhatte, „viri probati“ zuzulassen, aber nach diesem Eklat war dieser Reformschritt verunmöglicht. Denn zwei Päpste im Widerstreit ist ein No-Go.
Der Pontifex rechnete die Verantwortung für das brisante Vorkommnis Erzbischof Gänswein zu – was sich gut nachvollziehen lässt – und traf Anfang Februar 2000 die wenig Staub aufwirbelnde Entscheidung, seinen PRÄFEKTEN DES PÄPSTLICHEN HAUSES zu „beurlauben“. Jetzt – drei Jahre und vier Monate später – verlautbarte der Heilige Stuhl in einer kurzen Note von zwei Zeilen, dass Gänsweins Tätigkeit mit dem 28. Februar 2023 geendet hätte und dass der Papst verfügt, dass Monsignore Gänswein zum 1. Juli – einstweilen – in seine Heimatdiözese zurückkehrt.
In dem Beitrag „Eiskalte Dusche“, den der Amazonien-Bischof ERWIN KRÄUTLER aktuell für die Herder Korrespondenz geschrieben hat, kommt dieser auf die liegen gelassenen Chancen der Amazonien-Synode zu sprechen.
In seinem nachsynodalen Schreiben artikuliert Franziskus, dass es dringend notwendig sei zu verhindern, dass den Amazonasvölkern die Feier der Eucharistie als „Nahrung des neuen Lebens und des Sakraments der Versöhnung vorenthalten wird.“ (Nr. 89) Die aus dieser Aussage erwachsene freudige Hoffnung vieler Betroffener wurde allerdings jäh enttäuscht, als Franziskus als Problemlösung offerierte, „Priester für Amazonien aus aller Herren Länder zu ‚importieren‘, anstatt einheimische Berufungen zu fördern.“ (Kräutler)
In diesem Kontext gewahrt der emeritierte Bischof einen „GEWALTIGEN BRUCH“ zu alldem, was der Papst in den Absätzen zuvor geschrieben hat. „Was ist hier passiert? Es scheint beinahe, dass jetzt jemand plötzlich protestiert und ‚Stopp‘ gebrüllt hat: ‚Am PFLICHTZÖLIBAT wird nicht gerüttelt! Auch nicht in Amazonien!‘.“
Wenn Kräutler – so wie es scheint – von dem das Zölibats-Thema betreffenden Konflikt zwischen Sarah, GÄNSWEIN und Benedikt auf der einen und FRANZISKUS auf der anderen Seite nichts gewusst hat, so wäre dessen Befund ein Indiz dafür, dass sich die Einflussnahme Benedikts dahingehend ausgewirkt hat, dass der Papst in seinem nachsynodalen Schreiben über die traditionellen Normbestimmungen nicht hinausgegangen ist.
„eine Ausschließlichkeit für Gott, die eine andere, das ganze Leben umgreifende Bindung wie die Ehe neben sich ausschließt“.
Das ist natürlich so schlechte Theologie, dass es gar keine Theologie ist.
Denn Gott ist ja kein Subjekt, dem man sich zuwenden kann wie einem zweiten Mann oder einer zweiten Frau. Zurecht lehnt ja die Kirche Bi- oder Polygamie ab. Aber Gott ist eben nicht „irgendetwas“ in einem ontologischen Sinne wie eine Frau oder Mann ein „Seiendes ist. Daher kann man sich durchaus auch verheiratet in einer Ausschließlichkeit für Gott widmen wie als Unverheirateter. Das bestätigt nur einmal mehr, dass Ratzinger kein großer Theologe war.
Und ganz davon abgesehen werden sich die Priester in 22 von 23 katholischen Kirchen, die den Papst als Oberhaupt anerkennen fragen, ob sie Priester zweiter Klasse sind. Denn in all diesen Kirchen heiraten Priesterkandidaten vor ihrer Weihe. Und selbst in der römisch-katholischen Kirche sind verheiratete evangelische Pastoren willkommen. Sie müssen sich firmen und nochmals ordinieren lassen, dürfen aber selbstverständlich ihre Frauen behalten und auch weiter Kinder zeugen. Mich berührt es sehr, dass in der Pfarrei Hl. Geist in Regensburg die Kinder des Pfarrer mit ihrem Vater ministrieren. DAS ist gelebter katholischer Glaube. Nicht Theomumpf aus dem Kopf eines über 90jährigen, der nie wirklich gelebt hat […]*
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Der das Vermächtnis von Joseph Ratzinger hochhaltende Bischof von Regensburg, Rudolf Voderholzer, hat auf der Fünften Synodalversammlung im vergangenen März Hans Urs VON BALTHASAR zitiert: „Vielleicht ist die katholische Kirche aufgrund ihrer eigenen Struktur DAS LETZTE BOLLWERK in der Menschheit einer echten Würdigung der Differenz der Geschlechter.“ (Neue Klarstellungen, Einsiedeln 1979, 114)
Es mag ja sein, dass bei dem notwendigen Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau die Perspektive der Differenz der Geschlechter derzeit unterbelichtet ist. Aber das beschworene katholische Bollwerk ist nichts anderes als ein MÄNNLICHES MACHTKARTELL, das Frauen zu Menschen zweiter Klasse macht. Man will im katholischen Männerbund unter sich bleiben und die vorgebliche Gottesnähe des Mannes zelebrieren.
Erstaunlicherweise ist die von Benedikt sehr geschätzte Alte Kirche und die bis ins 11. Jahrhundert währende frühmittelalterliche Kirche ohne das Pflichtzölibat ausgekommen.
In Rom gab es bis ins 11. Jahrhundert auch Diakoninnen und Subdiakoninnen… Gegen die Geschlechterdifferenz ist ja gar nichts einzuwenden, auch nicht, dass die Kirche sie hochhält. Aber darum geht es nicht. Es um Männerherrschaft und das merkt man halt.
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