Franziskus gestaltet Kardinalsrat um
Papst Franziskus hat seinen engsten Beraterkreis neu bestellt. Auffälligste Entscheidung: der Münchner Kardinal Reinhard Marx gehört nicht mehr zum Kardinalsrat. Nach zwei Amtsperioden ernannte der Pontifex den Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich als Europavertreter in das Gremium. Damit verliert die katholische Kirche in Deutschland einen wichtigen Zugangsweg zu Franziskus. Die Entscheidung bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Zerwürfnis zwischen Franziskus und Marx der Grund dafür ist. Bei genauerem Betrachten gibt es durchaus auch inhaltliche Gründe für das Vorgehen.
Neuer Themenschwerpunkt in K9
Knapp zehn Jahre arbeitete der Münchner Erzbischof im Kardinalsrat mit. In dieser Zeit ging es vor allem um zwei Themen: die Säuberung und Neuordnung des Finanzbereichs des Vatikans und die Kurienreform. Beide Projekte sind weitestgehend abgeschlossen. Kardinal Marx ist weiterhin Koordinator des Wirtschaftsrats, des zentralen Kontrollgremiums, das über die Finanzen des Vatikans und des Heiligen Stuhls wacht. Dass Franziskus ihn nun nicht mehr in den Kardinalsrat ernannt hat, überrascht. Zwar wurden auch andere Kardinäle nicht wieder ernannt, doch die Kardinäle Maradiaga und Bertello haben das 80. Lebensjahr überschritten und sind nicht mehr in ihren ursprünglichen Ämtern. Die Kardinäle Seán Patrick O’Malley aus den USA und Oswald Gracias aus Indien wurden ebenso wieder ernannt wie der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.
Bei Parolin ist das durch sein Amt nachvollziehbar. Kardinal O’Malley steht für das Thema Missbrauchsaufarbeitung im Kardinalsrat. Daher lässt sich seine erneute Berufung auch inhaltlich begründen. Mit dem Erzbischof von Luxemburg, Jean-Claude Hollerich, nahm Franziskus den Kardinal in die K9 auf, der wie kein anderer für das Thema „Synodalität“ steht. Hollerich ist Generalrelator bei dem aktuellen weltweiten synodalen Prozess zur „Synodalität“. Wenn der Papst im nächsten Quinquenium dieses Thema forcieren will, macht es Sinn, Hollerich in das Gremium aufzunehmen. Hätte er Marx erneut berufen, hätte er zwei europäische Kardinäle aus einem ähnlichen kirchlichen und gesellschaftlichen Kontext in das Gremium aufgenommen. Daher wird vielleicht auch verständlich, dass er eine zweite europäische Stelle mit dem Erzbischof von Barcelona, Kardinal Juan José Omella Omella, besetzte, der noch einmal eine andere europäische Realität vertritt.
Konsequenzen für deutsche Kirche
Zum Start der K9 vor zehn Jahren waren mit den Kardinälen Oscar Rodríguez Maradiaga und Francisco Javier Errázuriz Ossa zwei Lateinamerikaner dabei, jetzt sind es zwei Europäer und zwei Nordamerikaner. Denn neben Kardinal O’Malley aus Boston ernannte Franziskus auch den Erzbischof von Québec, Kardinal Gérald C. Lacroix, in das Beratergremium. Aus Afrika kommt der Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, aus Südamerika der Erzbischof von Sao Salvador da Bahia, Kardinal Sérgio da Rocha. Schließlich gehört dem Gremium der Gouverneur des Vatikanstaats, Kardinal Fernando Vérgez Alzaga, an. Wie bei Kardinal Parolin ist das wohl eher eine Ernennung aufgrund der Funktion. Vergéz Alzaga löst Kardinal Bertello ab, sein Vorgänger im Amt des Verwaltungschefs des Vatikanstaats.
Kardinal Marx und Papst Franziskus sind sehr unterschiedliche Typen. Deshalb ist die Zusammenarbeit in den vergangenen zehn Jahren auch nicht immer reibungslos verlaufen. Marx pflegte auch in der Gegenwart des Papstes das offene Wort. Ob Franziskus ihn wegen Meinungsverschiedenheiten nicht mehr in die K9 berief, ist Spekulation. Wenn der Papst die Grundgedanken der Kurienreform ernst nimmt, sollte es außer seinem eigenen Posten keinen mehr auf Lebenszeit geben oder mit unendlich vielen Verlängerungen. Für die Deutsche Bischofskonferenz bedeutet die Entscheidung allerdings, dass ein wichtiger Draht zum Kirchenoberhaupt nicht mehr besteht. Das ist angesichts der aktuell angespannten Situation zwischen Deutschland und dem Vatikan keine gute Nachricht.
Ein Kommentar
Dass Marx nicht mehr dem Beratergremium angehört, halte ich für keine Tragödie; nach fast 10 Jahren von dieser Funktion entbunden zu werden, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Ich sehe eigentlich keinen dringenden Anlass, sich in Spekulationen zu ergehen, ob der Kardinal in Ungnade gefallen sein könnte
Dagegen erscheint es etwas befremdlich, dass schon seit längerer Zeit kein Vertreter Ozeaniens in das Gremium ernannt wurde. Derzeit gibt es zwar keinen australischen Kardinal, aber Franziskus hätte die Möglichkeit gehabt unter drei weiteren Kandidaten – aus Papua Neuguinea, Tonga und Neuseeland – einen Mann zu finden.
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