Papst zu Weihnachten: Demut und Dialog

Franziskus hat seine traditionelle Weihnachtsbotschaft dazu genutzt, die Menschen weltweit zum Dialog und der Begegnung aufzurufen. Weihnachten machte Franziskus gleichsam zum Fest des Dialogs. „Er [Gott] wollte sprechen lernen wie jedes Kind, damit wir lernen, Gott, unserem Vater, zuzuhören, einander zuzuhören und als Brüder und Schwestern miteinander zu reden.“ Wie in jedem Jahr erinnerte Franziskus an die zahlreichen Konflikte in der Welt, angefangen vom Nahen Osten, über Afrika bis hin zur Ukraine oder Myanmar. In der Christmette hatte Franziskus das Thema aufgegriffen, das bereits bei der Weihnachtsansprache an die Kurie zentral war: die Demut. „Hören wir auf, zu jammern und lange Gesichter zu machen und lassen wir ab von der Gier, die uns unzufrieden macht“, mahnte er.

In diesem Jahr spendete Papst Franziskus den Weihnachtssegen wieder von der Mittelloggia des Petersdoms. (Quelle: reuters)

Gott in den kleinen Dingen suchen

„Gott sucht die Hirten, die Unsichtbaren; wir wollen gesehen werden“, erklärte Franziskus beim Gottesdienst im Petersdom an Heilig Abend. „Gott sucht nicht Stärke und Macht, er wünscht Zärtlichkeit und innere Bescheidenheit.“ Weihnachten sieht das Kirchenoberhaupt als eine Herausforderung für den Menschen. Er müsse lernen, dass Gott in der „Kleinheit“ gegenwärtig sei. „Gott steigt herab, und wir wollen auf das Podest klettern. Jesus wurde geboren, um zu dienen, und wir verbringen unsere Jahre damit, dem Erfolg nachzujagen“, stellte der Papst fest. Die Hirten an der Krippe stünden für die kleinen Leute, die arbeitende Bevölkerung, so Franziskus. Es sei wichtig, den Menschen durch Arbeit Würde zu verleihen, erklärte er. Sie seien Herr und nicht Sklave der Arbeit. „An dem Tag, an dem wir das Kommen des Lebens feiern, wollen wir erneut sagen: keine weiteren Todesfälle bei der Arbeit. Setzen wir uns dafür ein.“ Hier nahm Franziskus offenbar Bezug auf die sich in letzter Zeit häufenden Arbeitsunfälle in Italien.

Eine neue Kultur des Dialogs wagen

Am Weihnachtstag beim Urbi et orbi standen wieder die großen politischen und gesellschaftlichen Dramen auf der Tagesordnung. Dazu zählen die politischen Konflikte. Doch Franziskus erinnerte auch an die Tragödien in den Familien, kritisierte Gewalt gegen Frauen, erinnerte an die Kinder und Jugendlichen, die unter Mobbing und Missbrauch leiden sowie an einsame und kranke Menschen. Solidarität, Versöhnung und die friedliche Koexistenz durch Dialog, gegenseitige Achtung und Anerkennung der Rechte sowie der kulturellen Werte aller Menschen – diese Appelle richtete Franziskus an die Menschen auf dem amerikanischen Kontinent. Doch sind es Themen, die sich seit langer Zeit durch seine Ansprachen ziehen bei den unterschiedlichsten Anlässen.

Schließlich warnte der Papst davor, dass der soziale Kit durch die Pandemie leiden könnte und der Dialog sowie das gemeinsame Handeln verloren gehen. „Unsere Fähigkeit zu sozialen Beziehungen wird auf eine harte Probe gestellt; es gibt eine wachsende Tendenz dazu, sich zu verschließen, alles allein machen zu wollen; man verzichtet darauf, hinauszugehen, sich zu begegnen und miteinander die Aufgaben zu erledigen.“ Auch im Vatikan war das Weihnachtsfest 2021 von der Coronapandemie gekennzeichnet. Bei der Christmette im Petersdom waren nur 2.000 Gläubige zugelassen, heute auf dem Petersplatz waren nur mehrere tausend Menschen, statt zehntausende in der Zeit vor Corona. Nur wenige Touristen und Pilger sind über die Feiertage in die Ewige Stadt gekommen.

Eine neue Kultur der Begegnung und des Dialogs schaffen – diese Forderung zieht sich durch das gesamte Pontifikat von Papst Franziskus. Angesichts der aktuellen politischen Krisen, aber auch der gesellschaftlichen Herausforderungen durch die Coronapandemie ist für den Papst der Dialog wichtiger denn je.

 

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • bernardo
    28.12.2021, 10:43 Uhr.

    Interessant, dass jener Mann, der sich für seine Demut und Bescheidenheit gerne feiern lässt, zu Demut mahnt.

    • Wanda
      28.12.2021, 22:20 Uhr.

      Mich wundert eigentlich nicht mehr, dass innerkirchliche Probleme bei seinen grossen internationalen Ansprachen keine Rolle spielen, obwohl „seine“ Kirche den allgemeinen (= katholischen) Anspruch stellt. Es wäre auch zu peinlich. Lieber spart er die eigenen Konflikte aus. Ähnlich Vogel Strauss, der den Kopf in den Sand steckt. Das aber ändert nichts an deren Existenz trotz seiner vollmundigen Mahnungen an die profane Welt…

    • Maria
      01.01.2022, 13:50 Uhr.

      Interessannt ist eigentlich nur, mit welchen Argumenten Sie immer wieder beweisen müssen, weshalb Sie diesen Papst ablehnen. Immerhin gestehen Sie ihm Demut zu. Doch woher wollen Sie wissen, dass er sich dafür gerne feiern lässt?

    • Erasmus
      01.01.2022, 17:20 Uhr.

      Wenn ein Papst keinen Anlass dafür gibt, ihn als pompösen Kirchenfürsten anzuprangern, dann kann man ja mal in den Raum stellen, dass sich Franziskus für seine Bescheidenheit feiern lässt.
      Das ist allerdings nicht mehr als eine Luftnummer, wenn Sie, „bernardo“, darauf verzichten, plausibilisierende Indizien anzuführen.

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