Der Papst wird 85
Ein Fest hat heute im Vatikan nicht stattgefunden. Während aus aller Welt Glückwünsche eintrafen, beging Papst Franziskus seinen 85. Geburtstag ohne große Feierlichkeiten. Am Morgen traf er eine Gruppe von Geflüchteten, die jüngst im Rahmen seiner Zyperneise nach Italien gekommen waren. Davor empfing er im Rahmen einer Audienz neue Botschafter und mahnte dabei erneut eine gerechtere Verteilung der Corona-Impfstoffe an. Über den privaten Papst dringt wenig nach außen und so ist auch dieser besondere Geburtstag ein Tag wie jeder andere. Für Journalisten ist es dennoch Anlass, mit Bilanzen und Analysen das Wirken von Jorge Mario Bergoglio unter die Lupe zu nehmen und die Frage nach der Wirkmacht dieses Pontifex zu stellen.
Nicht amtsmüde
Im Verlauf des zu Ende gehenden Jahres wurde wiederholt darüber spekuliert, ob Franziskus zum 85. zurücktritt. Vor allem rund um die überraschende Darmoperation Anfang Juli rauschte es entsprechend im Blätterwald. Doch Franziskus denkt nicht ans Aufhören. Das hat er gerade in den vergangenen Wochen und Monaten unter Beweis gestellt. Gleich zwei Auslandsreisen standen im September und Dezember auf dem Programm, dazu Anfang Oktober eine Reihe von interreligiösen Begegnungen. Auch wenn man beobachten kann, dass der Terminkalender des Papstes durchaus etwas ausgedünnt ist, was man besonders gut bei den internationalen Reisen sieht, ist Franziskus offenbar noch längst nicht amtsmüde.
Gerade hat er im Oktober einen dreijährigen Synodalen Prozess auf Weltebene gestartet. Das Kirchenoberhaupt möchte strukturelle Veränderungen in der Kirche. Alle sollen gehört und in die Entscheidungsfindung eingebunden sein. Doch wie sieht eine „synodale Kirche“ am Ende konkret aus? Bleibt es beim Primat des Weiheamts bei den Entscheidungen oder werden auch hier partizipative Elemente in die Ekklesiologie Einzug halten? Einmal mehr sieht es nach einer Quadratur des Kreises aus, was Franziskus sich und seiner Kirche aufgebürdet hat. Und das ist nicht das erste Mal.
Schon beim synodalen Weg zu Ehe und Familie war das so. Einerseits versuchte Franziskus an der traditionellen Lehre von der Unauflöslichkeit und Sakramentalität der Ehe festzuhalten. Zugleich möchte er, dass Menschen, deren Partnerschaften gescheitert sind, in die Kirche integriert werden, sich nicht ausgeschlossen fühlen. Über eine Fußnote im Abschlussdokument öffnet er einen Weg für den Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene. Bei der Amazonassynode fordert er mutige Schritte der Synodalen. Als dann von einer großen Mehrheit die Viri probati gefordert werden, kneift er. Er sieht die Zeit noch nicht reif dafür und beklagt eine Art Politisierung des Themas und Instrumentalisierung für kirchliche Flügelkämpfe.
Vor Gegnern eingeknickt?
Für die Kritiker von Franziskus ist das Vorgehen ein Beweis dafür, dass er gar keine Reformen in der katholischen Kirche möchte. Oder sie führen an, dass er vor den Konservativen in der katholischen Kirche eingeknickt sei. Doch so einfach ist es nicht. Denn bei genauerem Hinsehen gibt es bereits eine ganze Reihe von Dingen, die sich verändert haben. Unter Franziskus ist die katholische Kirche wieder politischer geworden. Die sozialethischen Themen stehen wieder mehr im Fokus. Das war auch unter Johannes Paul II. so. Doch bei ihm war das gepaart mit einer moralischen Engstirnigkeit, die Franziskus nicht hat. Die Zeiten, in denen die Frage nach der Positionierung zu einzelnen Themen der Sexualmoral wichtiger war bei der Kandidatensuche für ein Amt, vom leitenden Geistlichen über den Bischof bis hin zu Universitätslehrenden, als die persönliche und fachliche Eignung, sind vorbei. Auch ist eine öffentliche Debatte über die „heißen Eisen“ möglich in einer Form, die es bis zum Amtsantritt von Franziskus nicht gab.
Kann innerhalb eines Pontifikats der Reformstau von Jahrzehnten abgebaut werden? Wohl eher nicht. Auch wenn viele Themen wie die Rolle der Frau, der Zugang zum Weiheamt, die Frage nach der priesterlichen Lebensform in den vergangenen Jahrzehnten theologisch bearbeitet wurden, fehlt es noch an einer konzertierten internationalen Abstimmung des theologischen Diskurses. Dazu kommt, dass sich in diesem Pontifikat das Ringen zwischen Eurozentrismus und der Entwicklung zu einer echten Weltkirche weiter zuspitzt. Im Zentrum steht dabei eine Kurie, die nach wie vor möglichst alles einheitlich regeln und auch kontrollieren möchte. Das gelingt immer weniger und erhöht nur den Druck zwischen Ortskirchen und römischer Zentrale.
Kurienreform ist ein Reförmchen
Franziskus scheint dabei der falsche Kandidat zu sein, wenn es darum geht, die Kurie wirklich zu führen und auch zu reformieren. Obwohl im Vorkonklave 2013 als eine der dringlichsten Aufgaben identifiziert, zieht sich die Kurienreform nun schon seit acht Jahren und wird in Häppchen umgesetzt. Dabei gibt es offensichtlich im Finanzbereich Fortschritte, an vielen anderen Stellen knirscht es gewaltig. Im Medienbereich läuft es nicht wirklich rund und professionell, im Megaministerium für „ganzheitliche Entwicklung“ hakt es ebenso und Medienberichten zu Folge verabschiedete sich der Leiter, Kardinal Peter Turkson, am Freitag von den Mitarbeitenden, weil seine vorzeitige Ablösung bevorstehen soll.
Während das Ansehen des Papstes in der eigenen Kirche angeschlagen ist – bei den Konservativen, weil sie ihm trotz erfolgreichem Ausbremsen von Veränderungen immer noch nicht trauen, bei den Reformern, weil er sich eben aufhalten lässt und zu zögerlich ist – steigt sein Ansehen bei vielen Partner im ökumenischen und interreligiösen Dialog sowie im Bereich der Politik. Dabei legt er den Finger oft mitten in die Wunde etwa mit seinen scharfen Worten in Fragen der Migration, des Klimawandels, zu Waffenhandel und einem ungerechten Weltwirtschaftssystem. Gerade bei Letzterem hat er als Erzbischof von Buenos Aires die negativen Auswirkungen vor der eigenen Haustüre erlebt. Hier ist er sich treu geblieben in seiner manchmal auch übertriebenen Wortwahl. Er sieht das als Chance, wachzurütteln, deshalb gibt er auch nicht auf und besucht gegebenenfalls Lesbos noch ein zweites Mal.
Einsamer Kämpfer
Franziskus schwimmt zeitlebens gerne gegen den Strom, will sich nicht in Schubladen einordnen lassen. Vielleicht steht er deshalb auch oft als Einzelkämpfer da, weil er nicht viele Verbündete findet, die ihm mit voller Überzeugung folgen. Gescheitert muss er deshalb nicht sein. Immerhin bricht er mit seinem Verhalten Verkrustungen auf, schafft Luft für Debatten. Allerdings braucht die katholische Kirche auch Entscheidungen und vor allem Antworten auf die drängenden Fragen der Menschen sowie die eigenen internen Probleme. Der Missbrauch stellt weltweit das bisherige System „katholische Kirche“ in Frage. Franziskus muss dafür sorgen, dass die katholische Kirche entschieden handelt und sich neu aufstellt, wenn sie nicht in der völligen Bedeutungslosigkeit versinken will.
11 Kommentare
Es spricht Bände, dass es keine Gratulationen hier gibt, nicht einmal von denjenigen, die der Agenda des Papstes nahestehen. Der Geburtstag interessiert nicht, vielleicht interessiert der Papst nicht, vielleicht die Kirche nicht? Ich wünsche ihm dennoch alles Gute, vor allem Gesundheit und Gottes Segen. Und natürlich, dass er sich etwas weniger um das allgemeine weltpolitische Blabla (wie bringen wir die Themen Frau und Umwelt in den Karneval ein?) und etwas mehr um die inneren Verhältnisse in der Kirche kümmert. Vor allem die deutsche Kirche könnte einige mahnende Worte aus Rom gebrauchen.
Vielleicht sollte Franziskus mal seinen irrlichternden Kardinal Müller einfangen ? Der ist irgendwie vom Heiligen Geist und wohl auch von allen anderen guten Geistern verlassen…
In der Tat hat der Papst einige Erfolge erzielt, um die Geldverschwendung zu begrenzen. Doch es muss noch mehr geschehen. Es ist nicht sinnvoll, Gebete zu sprechen oder an einer Eucharistie teilzunehmen. Zudem brauchen wir ein mystisches und pantheistische Christentum. […]*
*Wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.
Ich bin enttäuscht von Franziskus, was den Umgang mit Frauen betrifft. Ich bin es noch „gewohnt“, dass man etwa damals während des Konzils keine Ministrantin werden durfte – obwohl mich der Umgang mit den Frauen zeitlebens ärgert.
Nur, junge Frauen lassen sich das nicht mehr gefallen. Ich fürchte, die Kirche wird sich mangels Nachwuchs* langsam, aber sicher, auflösen.
*Wer gibt immer noch den Glauben an die Kinder weiter – oder auch nicht; die Mütter!
Viel mehr muss man zu dem Thema „Frauen in der Kirche“ nicht sagen. Die anderen Themen brennen in gleicher Weise, doch nichts geschieht…
Dass sich einiges in der Kirche verändert hat bzw. in Bewegung gekommen ist, lässt sich allein aus dem Vokabular sehen. Wer kannte vor diesem Pontifikat z.B. den Begriff „Klerikalismus“? Und wenn man sich kar macht, wer ihn permanent benützt…..Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Die Liste der Maulkörbe, die früher von Rom verteilt wurden, ist lang – das mussten auch deutsche Bischöfe erfahren, wie u.a. im Zusammenhang mit dem Zugang zu Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene.
Bereits im Lexikon für Theologie und Kirche, der 2. , neubearbeiteten Auflage, weit vor Ihrer Zeit, findet sich das Lemma „Klerikalismus“. Und wird dort, auch für die heutigen Verhältnisse sehr erhellend, bestimmt als: „ein im polit. Kampf vielgebrauchtes, vieldeutiges Schlagwort … Hierbei wissen die Feinde des Klerus bzw. der Kirche das Mißverständliche u. Gehässige, das dem Worte K. anhaftet, geschickt gegen die Verteidiger der Religion u. der Kirche im öffentl. Leben, Personen u. Parteien auszunützen“. Sehr treffend. Wo es eine Selbstverzwecklichung des klerikalen Standes oder die ungerechtfertigte Politisierung meint, wird das selbstverständlich auch damals in der Sache als Mißbrauch gesehen. – „Klerikalismus“ ist mithin auch heute wieder ein diffamatorisches Schlagwort, historisch übel vorbelastet, das die vom Zeitgeist zugerichteten Meinungen kanalisieren und aufbringen soll – umso bedenklicher in einer Zeit, die mit Verkastungserscheinungen in Politik und Medien sehr schonend umgeht, aber so manchen Geistlichen allzuoft vorverurteilender öffentlicher Häme und Anprangerung preisgibt, während inzwischen etwa personalisierende Kapitalismuskritik ideologisch medial gradezu anathematisiert wird.- Und machen Sie sich keine Sorgen über die „Maulkörbe“; ob aus Rom oder anderswoher, an denen wird es nie fehlen, da wechseln nur die Moden!
PEACE!
„Im Verlauf des zu Ende gehenden Jahres wurde wiederholt darüber spekuliert, ob Franziskus zum 85. zurücktritt.“
Neun Jahre ist es her, da ging mal wieder die Welt unter.
Heute ist der 21.12.2021 und keiner denkt mehr an den Anfang der neuen Ära im knotengeknüpften Mayakalender.
Oder was war das für ein Hype um das Anbrechen des Wassermannzeitalters. Da die Sonne von dem Zeichen Fische in das Zeichen Wassermann wechselt, ist das der 20. Februar. Nun haben wir diese Pandemie, die seit 2020 weltweit beträchtliche Opfer fordert und die Welt nachhaltig verändert hat und verändern wird und keiner findet das eigenartig.
Auch ist der 20. Februar Sterbetag von Jacinta Marto, eines der Kinder von Fatima. Sie starb an der Spanischen Grippe, wie auch das Jahr davor ihr Bruder Francesco am 4. April 1919. In der Krone der Marienstatue von Fatima ließ Johannes Paul II. das Projektil einarbeiten, das auf ihn 1981 abgefeuert wurde. Seit der Ansprache von Juan Carlos nach dem Putsch ist auch bekannt, daß „La Corona“ zu übersetzen ist mit „Die Krone“. Warum wurde die Pandemie 100 Jahre zuvor als Spanische Grippe bekannt? Weil der Vorgänger von Juan Carlos, nämlich der Regent Alfons XIII. daran erkrankte und das im Krieg befindliche übrige Europa es für kriegsentscheidend hielt, diesen wichtigen Umstand der Pressezensur zu unterwerfen. Damit war die Krankheit ausschließlich ein spanisches Phänomen.
Auch ist der 20. Februar der Tag des Heiligen Falko von Tongern. Hans Hölzl nannte sich Falco und er hat vom „Schnee auf dem wir alle abwärts fahren“ gesungen. Anfang Februar 2020 hatte für die Pandemieausbreitung in Europa die Ortschaft Ischgl eine bedeutende Rolle.
Was wollen Sie mit Ihrer Aufzählung sagen, den Lauf der Dinge darstellen ? Da gibt es weit entscheidendere Vorgänge, die ihre Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen haben und an denen wir immer noch kauen. Aber man muss kein Prophet sein, um den weiteren, selbstverschuldeten Niedergang der Amtskirche mit ihrem anmassenden Priesteradel vorauszusagen: verblendet, stur und beratungsresistent. Franziskus ist ein Zöderer, der trotz klarer Indikationen diesbezüglich nicht wagt, etwas dagegen zu unternehmen sondern lieber ablenkt, in dem er den Finger gegen die ach so böse profane Welt da draussen ausfährt. Der falsche Mann am falschen Platz…
Aha.
Und was wollen Sie uns damit sagen?
Wäre nicht schlecht, wenn die Migranten ein Bild ihrer Schleuser überreicht hätten. Damit könnte die Staatsanwalt wenigstens eine Fahndung ausschreiben…
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