Amazonassynode öffnet Türen

Nach einer Woche hartem Ringen ist am Wochenende die Amazonassynode im Vatikan zu Ende gegangen. Das Abschlussdokument öffnet viele Türen für ein „aggiornamento“ der katholischen Kirche im Amazonasgebiet. Sollte der Papst den Empfehlungen folgen, hat dies weitreichende Konsequenzen für die katholische Kirche in anderen Teilen der Welt. Die Synodenväter schlagen dem Papst vor, Viri probati zuzulassen und wünschen sich eine neue Debatte über das Frauendiakonat. Ganz im Sinne des Papstes fordern sie eine prophetische Kirche an der Seite der Armen, Indigenen und der ausgebeuteten Natur. Franziskus warnte beim Abschlussgottesdienst vor einer „Religion des Ich“. Diese vergesse „über ihre heuchlerischen Riten und ‚Gebete‘ den wahren Gottesdienst, der niemals die Nächstenliebe außer Acht lässt“. Damit kritisierte er diejenigen, die wie der Pharisäer „stolz darauf [sind], bestimmte Gebote bestmöglich zu erfüllen. Aber er vergisst das wichtigste: Gott und den Nächsten zu lieben“.

Synode als Paradigmenwechsel

Am Anfang der letzten Woche stand die Synode auf der Kippe. Der erste Entwurf für das Abschlussdokument, das den Synodenvätern präsentiert wurde, war für die meisten enttäuschend. Viele fanden die Diskussionen der vorausgegangenen beiden Wochen in dem Papier nicht wieder. Von Wut war die Rede. Bis Mittwochabend erarbeiteten sie über 830 Änderungsmodi. Am Ende scheint es dann noch einmal gut gegangen zu sein. Alle 120 Abschnitte des Dokuments erhielten mehr als zweidrittel Ja-Stimmen.

In gewissem Sinne sieht die Synode einen Paradigmenwechsel. Während früher die Kirche oft an der Seite der Kolonisatoren stand, die die Menschen und das Land ausbeuteten, habe die Kirche heute die historische Chance, „auf Distanz zu gehen zu den neuen kolonisatorischen Mächten, die Völker des Amazonas zu hören und in transparenter Art ihre prophetische Aktivität auszuüben“. Die sozio-ökologische Krise biete die Möglichkeit, Christus in seinem befreienden und humanisierenden Potential erfahrbar zu machen. Der Schrei der Erde, der Armen und der Indigenen fordere zu einer echten ganzheitlichen Umkehr auf zu einem einfachen und maßvollen Leben.

Ökologische Schuld der reichen Länder

Alles Handeln der Kirche ist an dem Auftrag orientiert, eine missionarische Kirche zu sein. Dabei muss sie die Vielfalt der Kulturen und Ethnien berücksichtigen. Das bedeutet eine stärkere Inkulturation sowie einen stärkeren Austausch zwischen den Kulturen. Die Basisgemeinden werden als „Geschenk Gottes“ für die lokalen Kirchen im Amazonas bezeichnet. Neben der Option für die Armen wird die besondere Option für die Indigenen und die Jugend betont. Themen wie Migration, Verstädterung, Menschenhandel werden als besondere Herausforderungen für die Seelsorge benannt.

Fragen der Bildung, der Gesundheitsversorgung sind für die Synodenväter ebenso wichtige Aspekte einer missionarischen Kirche, der es um eine ganzheitliche Entwicklung des Menschen geht. Für sie ist zudem klar, dass die Kirche an der Seite der Menschen Ungerechtigkeit, Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Verletzung der Menschenrechte anprangern muss. Das Papier ist ein klares Bekenntnis zu einer prophetischen Kirche aus der Mitte des Evangeliums heraus. Dabei geht es auch darum, auf internationaler Ebene auf die Missstände im Amazonasgebiet hinzuweisen und die Weltgemeinschaft an ihre Verantwortung für die Verhältnisse dort sowie eine radikale Umkehr zu erinnern. Es ist von der „ökologischen Sünde“ die Rede als einer Aktion gegen Gott, den Nächsten, die Gemeinschaft und die Natur sowie von der „ökologischen Schuld“ der reicheren Länder gegenüber der Amazonasregion.

Frauendiakonat und Viri probati

Mit Blick auf die Kirche selbst wird eine Reform hin zu einer synodalen Kirche gefordert, die das „pluriforme Gesicht“ der Kirche zum Ausdruck bringt. Das Stichwort Dezentralisierung fällt, ohne es näher auszuführen. Außerdem sollen die Räume der Partizipation der Laien erweitert werden, sowohl wenn es um Beratung als auch wenn es um Entscheidungen geht. Verschiedene Vorschläge gibt es, Laien Verantwortung für die lokale Gemeinschaft zu übertragen bis hin zu einem eigens benannten „Leitungsamt für Frauen“. Der Frauendiakonat wird eigens erwähnt. Allerdings bleibt der Abschnitt vage. Papst Franziskus kündigte nach der Abstimmung an, dass er die Kommission zu dieser Frage wieder einsetzen und neu besetzen will, damit weitergearbeitet wird.

Der Abschnitt mit den meisten Gegenstimmen war jener, in dem es um die Viri probati ging. 128 Ja-Stimmen, 41 Nein-Stimmen erhielt dieser Abschnitt; der über das Frauendiakonat war der mit den zweit meisten Nein-Stimmen (30) zu 137 Ja-Stimmen. Interessant ist, dass im Abschnitt über die Viri probati der Begriff selbst nicht fällt. Die Synodenväter schlagen vor, dass im Kontext der Konzilskonstitution Lumen Gentium 26 von den „kompetenten Autoritäten“ Kriterien aufgestellt werden, um Priester zu weihen, die Ständige Diakone sind und „auch eine Familie haben können, die rechtmäßig konstituiert und dauerhaft ist“. Es wird eigens erwähnt, dass einige Synodenväter bei dieser Frage eine universale Befassung mit dem Thema ausgesprochen haben. Doch der Verweis darauf, dass es um Ständige Diakone geht, die zu Priestern geweiht werden, scheint den Abschnitt mehrheitsfähig gemacht zu haben. Somit bleibt es nach dieser Idee beim dreigliedrigen Ordo und durch die Vorschaltung des Diakonats ist bereits eine Spur gelegt, was die Ausbildung anbelangt. Was den Verweis auf LG26 anbetrifft, erschließt sich nicht sofort, warum auf diesen Abschnitt der Konzilskonstitution verwiesen wird, der die Letztverantwortung des Bischofs für den Heilsdienst in der Diözese festschreibt. Soll angedeutet werden, dass die Entscheidung für die Weihe entsprechender Männer auf den Bischof verlagert werden soll? Solche Forderungen gab es durchaus in der Synode.

Was macht der Papst damit?

Nun liegt es also beim Papst, aus den Vorschlägen ein nachsynodales Schreiben zu verfassen. Er kündigte an, das möglichst noch dieses Jahr veröffentlichen zu wollen. Die Synode hat keine Türen zugeschlagen, eher welche geöffnet. Die Teilnehmer aus dem Amazonas kehren nicht mit leeren Händen nach Hause. Allerdings wird der Versuch der Einflussnahme auf den Papst wohl jetzt erst richtig losgehen. Denn er muss nun entscheiden, wie es bei den Viri probati weitergeht und bei den Ämtern für Frauen. Davon wird dann auch entscheidend abhängen, welchen Spielraum der Synodale Weg in Deutschland hat.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

15 Kommentare

  • prospero
    28.10.2019, 13:26 Uhr.

    Mit Blick auf die Kirche selbst wird eine Reform hin zu einer synodalen Kirche gefordert, die das „pluriforme Gesicht“ der Kirche zum Ausdruck bringt. Das Stichwort Dezentralisierung fällt, ohne es näher auszuführen.

    Mit diesen oder ähnlichen Ideen ist man allerdings schon bei Vaticanum II kläglich gescheitert: Selbst wenn deren Wiederbelebung diesmal von päpstlicher Seite mitgetragen werden sollte, wird von den „üblichen Verdächtigen“ zweifellos alles unternommen werden, um solche Pläne scheitern zu lassen. Die Müllers, Brandmüllers, Burkes und ihre Spießgesellen (vor fünfeinhalb Jahrzehnten hießen die Protagonisten Ottaviani, Siri und Co.)werden nicht untätig bleiben.

  • Wanda
    28.10.2019, 15:45 Uhr.

    … der Abschnitt Frauendiakonat bleibt allerdings vage…
    Würde gern wissen, wieviel einfache Gläubige (und Ungläubige) auf der Welt mit dem Rückfall in lateinischen Begriffe, hier: viri probati, überhaupt etwas anfangen können ?
    Und wenn man schon mit grossem Trara und unwahrscheinlichem Aufwand*) das Thema kontrovers und mit Heckenschützen diskutiert, warum bringt man dann nicht gleich das brennende Thema „mulieres probatae“ auf´s Tapet ? Alles was mit Frau und weiblich zu tun hat, scheut man traditionsgemäss wie der Teufel das Weihwasser (im privaten Bereich sieht’s natürlich oft ganz anders aus).
    *) die Reisekosten wären eine beträchtliche Spende für die Amazonas-Indigenen…

  • neuhamsterdam
    29.10.2019, 2:28 Uhr.

    »„auf Distanz zu gehen zu den neuen kolonisatorischen Mächten, die Völker des Amazonas zu hören und in transparenter Art ihre prophetische Aktivität auszuüben“«
    Ich aber sage euch, ich sehe ein Transparent, da wo daraufsteht: SACHZWANG.

    • Wanda
      01.11.2019, 17:09 Uhr.

      neuhamsterdam 29.10. 02:28
      – gehe konform: Realitätssinn für die Sachzwänge ist gefragt.
      Stattdessen schwulstige „prophetische Aktivität“…
      Sind wir bei Zukunftsdeutung und Kaffeesatzleserei ? Da können wir auch gleich auf die Profis wie den bayerischen Mühlhiasl oder Nostradamus*) zurückgreifen.
      *) sagte Karl IX. von Frankreich eine Lebensdauer von 90 Jahren voraus, tat seiner Glaubenswürdigkeit aber keinen Abbruch, als dieser mit bereits 24 Jahren starb. Viele glauben auch heute noch dem nebulösen Blödsinn des Michel de Notre Dame.

      • neuhamsterdam
        04.11.2019, 22:17 Uhr.

        »habe die Kirche heute die historische Chance, „auf Distanz zu gehen zu den neuen kolonisatorischen Mächten, die Völker des Amazonas zu hören und in transparenter Art ihre prophetische Aktivität auszuüben“.«
        Was ist denn mit dem oft formulierten „prophetisch“ gemeint? Im Neuen Testament steht der Ausspruch Jesu: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest deine Propheten!“ Aber der Umweltschutzgedanke, der im Rom formuliert wird, ist weder beschreibend noch warnend oder gar direkt drohend, eher eine als allgemeingültig angesehene Prognose. Bedroht wird doch auch keiner von den Teilnehmern, vielleicht wird dem einen oder anderen ein Haar gekrümmt, nämlich dann, wenn die Begeisterung der Kirchenleute für den Umweltschutz von der Welt gelobt wird.
        Hm… und wenn – wie in diesen Tagen wieder geschehen – ein Aktivist bei seiner Tätigkeit umgebracht wird, wird das dann als prophetisches Geschehen biblifiziert. Aha. Und dieses Prophetische der Indigenen kann die Kirche nun im Gegensatz zu früher möglicherweise transparent (nochmal eine Abschwächung: in transparenter Art) ausüben. Wobei selbstverständlich erwartet wird, ausüben zu dürfen.
        Man ist untröstlich. Und man ist untröstlich, diese vielen Handlungsmöglichkeiten formulieren zu müssen. Genug der Schrecknisse. Ein indianisches Sprichwort sagt: Wenn du ausreichend lange am Ufer des Flusses verharrst, wirst du die Leiche deines Feindes vorbeitreiben sehen.

  • Wanda
    29.10.2019, 17:55 Uhr.

    Wie definiert man denn reiche Nationen, wie arme Nationen ? Ist Brasilien mit dem grössten Anteil des Amazonasgebietes oder „der“ Brasilianer reich ? Ist China eine reiche Nation, wenn man den chinesischen Durchschnittsbürger zum Maszstab nimmt ?
    Als Beispiele: Mexiko, Brasilien, Argentinien, Venezuela sind unermesslich reich, gemessen an den natürlichen Gegebenheiten DEU. Davon kann unsere Industrienation nur träumen.
    Was also sollen diese nebulösen kollektiven Vorwürfe ? Anstelle Ross und Reiter zu nennen mag sich der Vatikan mit den Politikern dieser Länder wie schon immer lieber nicht anlegen.
    Fakten des JRC*, die den C°2-Gesamtausstoss darstellen:
    – Europa 3500 MT, davon DEU 800 MT
    – Japan 1300 MT
    – Indien 2500 MT
    – Russland 1800 MT
    – China 10900 MT
    – USA 5100 MT
    Merkwürdig, dass Lateinamerika fehlt, darf aber aus täglicher Anschauung behaupten, nirgendwo auf der Welt gibt es z.B. so viele Pick-ups und SUV als Luftverschmutzer wie dort und ein Umweltbewusstsein bei den Normalbürgern existiert quasi nicht.
    – Gestatte mir die Frage, der die Amtskirche ganz bewusst und feige ausweicht: wer, wenn nicht die lateinamerikanischen Regierungen erlauben oder verbieten die entsprechende Ausbeutung, wer also trägt die Verantwortung ? Deren immer wieder vermutete und oft nachgewiesene Verbindung zum mächtigen Militär und kriminellen Organisationen lassen wir einmal beiseite.
    Einzig die wenigen von der Amtskirche lange geächteten aktiven Priester vor Ort nannten unter Gefahr für Leib und Leben die politisch Verantwortlichen des eigenen Volkes mit oft tragischen Konsequenzen und wurden dafür vom Vatikan noch gerügt.
    *) JRC = Joint Research Center

    • Wanda
      01.11.2019, 17:16 Uhr.

      P.S. handelt sich um eine Generaldirektion der Europäischen Kommission.

  • Novalis
    29.10.2019, 23:17 Uhr.

    „Damit kritisierte er diejenigen, die wie der Pharisäer ’stolz darauf [sind], bestimmte Gebote bestmöglich zu erfüllen. Aber er vergisst das wichtigste: Gott und den Nächsten zu lieben'“. So möchte ich die kath.net-Christen nennen. Geflüchtete, die nichts als das nackte Leben haben, für die Bedrohung des christlichen Abendlandes halten, meinen, dass die Cappa Magna von Kardinal Burke und die Besserwisserei von Kardinal Müller der Inbegriff des Christlichen sind und im Forum die anderen der Denunziation ausliefern.

  • Novalis
    29.10.2019, 23:19 Uhr.

    „Das Papier ist ein klares Bekenntnis zu einer prophetischen Kirche aus der Mitte des Evangeliums heraus. Dabei geht es auch darum, auf internationaler Ebene auf die Missstände im Amazonasgebiet hinzuweisen und die Weltgemeinschaft an ihre Verantwortung für die Verhältnisse dort sowie eine radikale Umkehr zu erinnern.“
    Genauso muss es sein. Wer hier wieder von der unstatthaften Politisierung des Christentums tönt, sollte sich lieber Fragen, ob es nicht auch eine Politisierung der christlichen Botschaft war, wenn z.B. ein Kardinal Siri Nazikriegsverbrechern zur Flucht vor der gerechten Strafe nach Südamerika verholfen hat.

  • Wanda
    01.11.2019, 16:34 Uhr.

    Carla Maltese
    – Zu Ihrem Punkt 1.)
    Könnte mir gut vorstellen, dass die „Diät“ der Herren Burke und Co. weder von Maís, Pavo, Jitomate noch von Weisskraut und Getreidebrei dominiert wird. Da dürfte es sich schon eher um etwas Gehobeneres handeln und Wein ist den Herren bei ihren geistlichen Amtshandlungen ja sowieso vorgeschrieben…

  • Wanda
    05.11.2019, 17:28 Uhr.

    Mit Verlaub und ohne das Indigenas- bzw. Amazonasproblem zu verniedlichen:
    – fast ganz Lateinamerika, Zentralamerika komplett, steht schon seit Jahrzehnten vor einem viel grösseren und gravierenderen Problem, an dem die ganze (überwiegend katholische) Gesellschaft kaputt geht. Die regionalen Kirchenfürsten lassen sich dazu überhaupt nicht hören und die zentralen in Rom äussern sich nur widerwillig. Viele Regierungen dort sind mehr oder weniger offen involviert und wie die Sicherheitskräfte unterwandert. Läuft etwas gegen die Interessen der Kartelle wird wie soeben mal wieder skrupellos und grausam demonstriert, wer im Lande wirklich das Sagen hat und es bleibt den Regierenden nur die schwache Ausrede, „auch die Kartelle gehörten zum Volk“(!) und man lehne jeden gewaltsamen Konflikt ab“. Eine deutlichere offizielle Bankrotterklärung der Staatsmacht ist kaum vorstellbar.
    Und es ist ein Teufelskreislauf: speziell Jugendliche aus den ärmsten Schichten werden für’n Appel und ’n Ei als williger Nachwuchs für die organisierte Kriminalität bzw. Kartelle angeworben und bilden den Bodensatz, auf dem nur Unheil, Mord und Massaker gedeihen.
    Wie erwähnt: von den Kanzeln hört man dazu nichts, es wird eifrig gebeichtet und dem reuigen Sünder Absolution erteilt, der in seinem SUV oder Pickup die Jungfrau von Guadalupe demonstrativ am Innenspiegel angebracht hat „somos católicos“.
    Hier geht es nicht um Minderheiten sondern die Gesellschaft schlechthin…

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