5 Jahre Papst Franziskus

Es war eine Überraschung: die Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst am 13. März 2013. Zwar hatte sich in den Tagen vor dem Konklave abgezeichnet, dass der Erzbischof von Buenos Aires, der im Konklave 2005 der aussichtsreichste Kandidat nach Joseph Ratzinger gewesen war, auch dieses Mal eine Chance haben würde. Doch als er dann tatsächlich gewählt wurde, war es doch eine kleine Sensation. Zum ersten Mal ein Papst aus Lateinamerika, zum ersten Mal ein Jesuit, zum ersten Mal ein Papst, der sich nach Franz von Assisi nennt. Schon mit dem ersten Auftritt in schlichtem Weiß machte er deutlich, dass sich künftig einiges ändern wird in der katholischen Kirche. Fünf Jahre später zeigt sich, dass sich vieles verändert hat. Es zeigt sich aber auch, dass die Veränderungen vielen nicht schnell genug gehen, wohl auch bisweilen dem Papst selbst, und andere das Ende der katholischen Kirche nahen sehen angesichts dessen, was in den fünf Jahren passiert ist. Eines macht das Pontifikat deutlich: Die katholische Kirche befindet sich in einem Transformationsprozess von einer eurozentrischen Kirche zu einer Weltkirche. Dieser begann zwar bereits mit dem II. Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren. Doch mit dem ersten nicht-europäischen Papst bekommt er einen neuen Schwung. Das führt zu Verunsicherung, Ängsten sowie Widerstand und fordert von allen Beteiligten ein verantwortungsvolles Handeln.

Die TV Dokumentation „ZDFzeit – Mensch Franziskus!“ – heute um 20.15h im ZDF.

Kirche und Theologie „weiter denken“

Die katholische Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder gewandelt und in der Auseinandersetzung mit den jeweiligen „Zeichen der Zeit“ weiterentwickelt. Genau das möchte Papst Franziskus nun auch für das 21. Jahrhundert erreichen. Es geht um ein „weiter denken“ der Kirche in Bezug auf die Strukturen, aber auch die Inhalte. Die Kirche muss auf die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen im Zeitalter der Globalisierung und immer engeren Vernetzung der Kulturkreise reagieren. Franziskus hat eine Vision, wie aus seiner Sicht die katholische Kirche bestehen kann. Mit Blick auf die Strukturen lauten die Stichworte Dezentralisierung und Synodalität, bei den Inhalten sind die Leitplanken Barmherzigkeit, eine Kultur des Dialogs und der Begegnung. Der Papst ist überzeugt, nicht die Dogmen und Regeln dürfen im Mittelpunkt kirchlichen Handelns stehen, sondern die konkrete Situation des einzelnen Menschen. Etwas überspitzt könnte man formulieren: Nicht mehr Rom ist die entscheidende Instanz, sondern das Gewissen des Einzelnen, das in einem Prozess der Unterscheidung, begleitet durch Seelsorger, zu Entscheidungen kommt.

Das führt zwangsläufig zu einem stärkeren innerkirchlichen Pluralismus. Aber ist das wirklich ein Problem? Gab es diesen Binnenpluralismus nicht schon immer in der katholischen Kirche? Nur wird er heute durch die Kommunikationsmittel und die gesteigerte Mobilität direkt erfahrbar. Über die sozialen Netzwerke bekommt man sofort rund um den Globus mit, was in einer bestimmten Gemeinde oder einem Bistum geschieht. Sofort wird es kommentiert und darüber gerichtet, ohne meist die konkreten Hintergründe und Zusammenhänge zu kennen. Schon vor Beginn des aktuellen Pontifikats war immenser Druck im Kessel „katholische Kirche“ und es drohte die Gefahr, dass das Ganze implodiert. Die jungen Kirchen in Lateinamerika, Afrika und Asien werden erwachsen, fordern ein stärker inkulturiertes Christentum. Das führt zwangsläufig zu mehr Pluralismus.

Dialog gefordert

Die katholische Kirche muss lernen, damit positiv umzugehen und etwas vorsichtig sein, vorschnell mit der „Schisma-Keule“ zu schwingen. Denn gab es nicht auch in allen Pontifikaten Teile der katholischen Kirche, die mit dem Kurs des jeweiligen Papstes nicht einverstanden waren? Hätte Johannes XXIII. nicht den Unkenrufen getrotzt, hätte es kein II. Vatikanisches Konzil gegeben. Doch der Gegenwind war heftig. Das gilt auch für die Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Vielleicht waren die Gegner in den früheren Pontifikaten nicht so schnell mit dem „Häresie-Vorwurf“, wie das aktuell der Fall ist. Man versuchte theologisch zu argumentieren oder ging in die innere Emigration. Franziskus fordert eine Kultur des Dialogs und der Begegnung. Er will, dass miteinander diskutiert und gerungen wird, aber nicht übereinander gesprochen und gerichtet. Dabei ist jeder Katholik gefordert, nicht nur die kirchliche Hierarchie. Franziskus denkt die Kirche von unten her. Das Entscheidende passiert für ihn in den Gemeinden. Für ihn ist Entwicklung nur im Diskurs möglich. Und eine Institution wie die katholische Kirche wird im 3. Jahrtausend nur eine Zukunft haben, wenn sie sich weiter entwickelt, wenn sie „weiter gedacht“ wird.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

18 Kommentare

  • Alberto Knox
    13.03.2018, 13:22 Uhr.

    den binnenpluralismus hat ja auch b16 mitverursacht, als er, zum ersten mal in der geschichte der kirche, eine alte liturgieform, die abgeschafft war, neben die reformierte gestellt hat. für immer wird das ganze mit dem makel behaftet sein, dass b16 dabei zur lüge greifen musste, der alte messritus sei nie abgeschafft gewesen.

    • neuhamsterdam
      15.03.2018, 19:50 Uhr.

      Im Prinzip: Ja!
      wikipedia weiß, daß Paul VI. 1976 die alte Messe abschaffte, dann begannen jene 12 Jahre der jüngeren Kirchengeschichte, die kontrovers diskutiert werden, bis zum Jahr 1988, als wieder Duldungen zum Feiern der früheren Form mit Gläubigen durch Papst Johannes Paul II. gewährt wurden.
      Strittig ist offensichtlich, wie die Anordnung von Paul VI. zu interpretieren sei, der diese „Abschaffung“ für alle Katholiken verpflichtend machte, mit Ausnahme von „alten und behinderten Priestern“, die diese Messen aber ohne Gemeinde feiern durften, daß heißt, ob man es von der Gesamtheit der Priester betrachtet oder es nur von den Katholiken als Gemeinde.
      Sowohl als auch. Da hat jede Sichtweise irgendwie recht.
      Frage an Radio Eriwan: War die Trauung gültig? Antwort: Im Prinzip: ja!
      Mir fällt momentan gerade nicht ein, welcher Papst Jerewan besuchte, aber das ist eigenlich auch weniger wichtig. Es hat ein Papst Jerewan besucht.

      • Novalis
        17.03.2018, 21:02 Uhr.

        Es hat nicht jede Seite recht. Das Messbuch von 1962 ist von Papst Paul VI. ausdrücklich abgeschafft worden. Die Erlaubis für alte und kranke Priester stellt – wie wie die Erlaubnis von 1988 – ein Indult dar: eine Erklärung, dass gesetztwidriges Verhalten (nämlich eine Messfeier nach der abgeschafften Form) geduldet wird. Wenn Benedikt XVI. behauptet, dass Messbuch von 1962 sei GEGEN DEN WORTLAUT DER ABSCHAFFUNGSFORMEL und gegen den gesetzgeberischen Willen von Paul VI. nie abgeschafft, dass ist das in meinen Augen bestenfalls ein Anflug von Senilität und schlimmstenfalls eine bewusst unwahre Aussage, also eine Lüge. Und die Piusbrüder haben übrigens über diese Formulierung gelacht.

  • Silberdistel
    14.03.2018, 9:32 Uhr.

    Über die Bedeutung des Franziskus-Pontefikats wird wohl nicht das Kirchenvolk, sondern der Nachfolger-Papst entscheiden. Ob epochale Wende, oder nur Intermezzo.

    • Silvia
      14.03.2018, 15:23 Uhr.

      Silberdistel
      14.03.2018, 9:32 Uhr.

      Da ist was dran. Beinahe wäre in jüngster Vergangenheit ein ganzes Konzil, nämlich das Vaticanum II, in die geschichtliche Bedeutungslosigkeit versenkt worden, obwohl die beiden Konzilspäpste wahrlich ein anderes Format hat als der gegenwärtige Petrusnachfolger.

      Geschichte kann sich auch immer rückwärts entwickeln.

    • Brigitta
      15.03.2018, 1:33 Uhr.

      Ihr Einwand ist zwar richtig. Aber ich hoffe und bete, dass Franziskus noch lange die Kraft hat, diese uns von Gott geschenkte Kirche in die heutige Zeit zu führen.

  • Silvia
    20.03.2018, 11:40 Uhr.

    Silberdistel
    20.03.2018, 9:08 Uhr.
    Wrightflyer
    19.03., 22:14 h

    Ganz genauso ist es, lieber Silberdistel, Sie haben erfasst wie das System der rk Kirche funktioniert.

    Ob die von Franziskus in Angriff genommenen Reformen über sein Pontifikat hinaus Bestand haben und dauerhaft in die kirchliche Lehre eingehen werden, entscheidet sich gewissermaßen im nächsten Konklave. Erst dann wird es wirklich spannend.

  • bernardo
    20.03.2018, 12:44 Uhr.

    Wir wissen nicht, ob mit Papst Franziskus eine „Wende“ eingeleitet wurde oder er nur ein „Intermezzo“ bleibt, wie silberdistel schreibt. Das wird die Geschichte lehren. Ich sehe Franziskus nicht als den „Gorbatschow“ des Vatikans, weil auf dem Kommunismus marxistisch-leninistischer Prägung kein Segen lag, er also „implodieren“ konnte. Die Kirche hingegen, die zweitausendjährige Institution, hat Kinderpäpste, hat einen Alexander VI., einen „Papst in Waffen“ wie Julius II. und jede Menge unfähiger, verschrobener und mediokrer Gestalten überlebt. Eigentlich waren diese gegenüber den guten, gebildeten, wohlmeinenden Päpsten in der Mehrzahl, wie ich vermute.

    Meine Prognose für das nächste Konklave: Die Kardinäle werden einen Mann wählen, der das Pontifikat Franziskus‘ nicht fortsetzt, so dass es sich um ein Intermezzo handeln wird. Auch wenn natürlich die Kontinuität immer betont werden wird von offizieller Seite.

    • Brigitta
      21.03.2018, 11:55 Uhr.

      Hoffentlich sind die Kardinäle klüger als Sie und wählen einen Papst, der die Linie von Franziskus fortsetzt.

    • Wanda
      21.03.2018, 16:28 Uhr.

      Bernardo:
      – demnach ist also bei den Papstwahlen der Heilige Geist in der Regel abwesend ?

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.