Nachtrag zu den ersten Personalentscheidungen

Am Mittwochabend veröffentlichte der Vatikan einen Brief des Papstes an Erzbischof Vincenzo Paglia. Darin schreibt er in ungewöhnlicher klarer Sprache, was er sich von ihm in seinen neuen Funktionen als Chef der Päpstlichen Akademie für das Leben und des Instituts Johannes Paul II. für Ehe und Familie vorstellt. Die Worte zeigen deutlich, dass Franziskus mit der bisherigen Arbeit der beiden Einrichtungen nicht zufrieden zu sein scheint. In Bezug auf das Familieninstitut fordert er mehrfach eine „Erneuerung“ der Arbeit und zwar in einer „pastoralen Perspektive“ und unter „Berücksichtigung der Verletzungen der Menschheit“. Am Donnerstagabend bestätigte der Vatikan, dass Papst Franziskus am 20. September nach Assisi fahren und an der Abschlusskundgebung des Internationalen Friedenstreffens teilnehmen wird.

Der Einfluss von Sant’Egidio

Die Personalie Paglia ist schon interessant. Da wird ein Kurienchef einigermaßen gesichtswahrend in die zweite Reihe zurückversetzt. Denn mit seinen neuen Leitungspositionen gehört Paglia nicht mehr zum „Kabinett“ des Papstes. Auffallend war, dass Paglia, obwohl Familienminister, im synodalen Prozess zu Ehe und Familie keine große Rolle spielte. Er gehörte weder dem Präsidium der Synode an noch den Redaktionsgruppen der Abschlusspapiere. Aber der Erzbischof hat prominente Unterstützer wie den Gründer der römischen Basisgemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Ricardi. Der Erzbischof war über viele Jahre kirchlicher Assistent bei Sant’Egidio. Andrea Riccardi wiederum genießt höchstes Ansehen bei Papst Franziskus. Vor dessen Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche machte Riccardi bei vielen Kardinälen Werbung für den Erzbischof von Buenos Aires. Daher war es eigentlich kaum vorstellbar, dass Franziskus nicht zu dem von Sant’Egidio organisierten 30-Jahr-Jubiläum des Friedenstreffens von Assisi kommen würde.

Papst: Nahe an den Menschen

Paglia wird die beiden neuen Wirkungsstätten auf „franziskanische Linie“ bringen. Das Familieninstitut bot im Rahmen des synodalen Prozesses immer wieder Hardlinern ein Forum. Das ist Papst Franziskus nicht entgangen. Und so ernannte er nicht nur Paglia zum neuen Großkanzler, sondern tauschte auch gleich den Präsidenten des Instituts aus. Das Institut solle „zu einem besonderen Ort werden, um Familien zu helfen, ihre Berufung und Mission in der Kirche und der Welt von heute zu leben“. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch in den Augen des amtierenden Papstes scheint das bisher nicht der Fall gewesen zu sein. Ausdrücklich fordert Franziskus den Dialog mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, auch aus dem Bereich der Ökumene, anderer Religionen und auch nicht christlicher Kulturkreise. Die Grundhaltung der Arbeit wie der gesamten Kirche, so Franziskus, müsse sein, „sich hinunterzubeugen zu den Verletzungen der Menschen “. Das Familieninstitut ist der Lateranuniversität angeschlossen und hat Standorte in der ganzen Welt. Es bietet verschiedene Studienabschlüsse an mit dem Schwerpunkt Ehe- und Familienwissenschaft.

Was die Arbeit der Lebensakademie anbetrifft, scheint diese in den Augen von Franziskus bisher nicht breit genug angelegt gewesen zu sein. Beim Blick auf die Themen der Vollversammlung der letzten Jahre zeigt sich, dass die Akademie sich sehr stark mit bioethischen Fragen beschäftigt hat sowie dem Lebensende. Franziskus geht es um eine „Humanökologie“, die menschliche und soziale Dimensionen mit einbezieht, und schließlich um das Verhältnis der „menschlichen Person zum ganzen Universum“. Franziskus weitet somit die Arbeit der Akademie. Das entspricht seiner Vorstellung des Lebensschutzes, der nicht auf Fragen des Anfangs und des Endes beschränkt ist, sondern das ganze Leben in den Blick nimmt – und zwar alles, was lebt.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

9 Kommentare

  • Silvia
    19.08.2016, 10:36 Uhr.

    Mich widert dieses Geschachere um Posten, Rücksichtnahmen auf diverse Förderer und Gönner, Gesichtswahrung usw. immer mehr an, je mehr man darüber erfährt.

    Für weltliche Konzerne mag das ok sein, für die Kirche nicht.

    Ich habe auch keine Lust mehr, mich mit diesen trivialen Themen zu beschäftigen.

    Wozu um alles iin der Welt braucht man eigentlich diese vielen vatikanischen Behörden? Was hat das noch mit Jesus zu tun?

  • Hildegard
    20.08.2016, 12:17 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher,
    vor der Umstellung Ihres Blogs beteiligte ich mich sehr gern an den Diskussionen zu verschiedenen Themen. Diese Diskussionsmöglichkeit wurde leider eliminiert und nur noch die Kommentierung zugelassen.
    Welchen Grund hat dieser Eingriff in die „Medienkultur“??
    Wenn es Ihnen genehm ist, können Sie mir unter meiner E-Mail antworten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Hildegard H.

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      25.08.2016, 14:46 Uhr.

      Hallo, wir mussten das Blog auf die „moderierte Form“ umstellen, weil der Ton immer wieder zu rau geworden war und es zu viele Verstöße gegen die Netiquette gab. Allerdings ist auch mit dem geänderten Verfahren eine Diskussion möglich. Sie ist zwar zeitverzögert, aber nicht verhindert. Teilweise hatte manche Diskussion hier früher eher den Charakter eines Chats. Das ist aber nicht der Sinn einer Kommentarfunktion im Blog. Diese „chathafte Nutzung“ ist durch die moderierte Form nicht mehr möglich, die Diskussion hingegen durchaus.

  • neuhamsterdam
    23.08.2016, 23:08 Uhr.

    „dass Papst Franziskus am 20. September nach Assisi“
    Ein päpstlicher Terminplaner hat es auch nicht leicht. Jeder Tag des Jahres mit teilweise mehrfacher religiöser Bedeutung und auch Schaltjahre, wie 2016 eines ist, erhöhen die Auswahl nur marginal. Dazu kommen noch weltliche Jahres- und Gedenktage und in einer modernen Medien- und Kommunikationswelt kann jeder Betroffene oder „betroffen“ Fühlende sich unmittelbar und lautstark darüber äußern, wenn er oder seine jeweils favorisierte Gruppe sich zu wenig wahrgenommen oder gar schmählicherweise hinterhältig und absichtlich un-wahrgenommen fühlen. (Und weil das viele praktizieren, entsteht ein vielstimmiges Gemisch, das gemeinerweise wieder ausgleichend wirkt und jegliche Äußerung auf ein Minimum reduziert.)
    Vor diesem Hintergrund ist der 20. September auch ein Datum – aber eben nicht nur: Am 20. September des „Unfehlbarkeitsjahres“ 1870 verlor der Papst (das Papsttum) unfreiwillig im Zuge der italienischen Einigung weitestgehend seinen Territorialbesitz außerhalb der Grenzen der heutigen Vatikanstadt. Wobei diese von den Päpsten abgelehnten De-facto-Grenzen erst 69 Jahre später mit dem Duce vertraglich geregelt wurden.
    Vom Papst der Zeichen möglicherweise als Zeichen einer franziskanischen Entweltlichung angedacht und damit wärrie assisi-like. Und auch vom Papst der Entweltlichung in dessen Sinne die Ausführung und Festlegung seiner Meinung. Am 11. Februar 1929 wurden diese Grenzen des aktuellen Kirchenstaates vereinbart.
    Und morgen weiß das Kalenderblatt gewiß wieder einen interessanten Zusammenhang.

    • neuhamsterdam
      23.08.2016, 23:22 Uhr.

      Nachtrag: Von 1870 bis 1929 sind es de-facto 59 Jahre und wenn es hochkommt 69; das kommt darauf an, wie man sich diplomatisch einig wird.

      • Silberdistel
        24.08.2016, 17:23 Uhr.

        Klar, es lässt sich auch alles verkomplizieren.

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