Papst Franziskus in Lateinamerika – Tag 6
Nach dem Tag der Worte gestern, war heute der der Zeichen. Papst Franziskus besuchte zum Abschluss seines Besuchs in Bolivien die Gefangenensiedlung Palmasola in Santa Cruz, wo rund 5000 Gefangene leben. Er kritisierte dabei die Überbelegung, „Langsamkeit der Justiz“ und Gewalt. Den Insassen bot er die Möglichkeit, vor der Weltpresse ihre Situation zu schildern. Am Nachmittag startete der Pontifex dann seine dritte Etappe bei der 9. Auslandsreise in Paraguay. Beim Treffen mit Politikern und dem diplomatischen Korps forderte er ein entschiedenes Vorgehen gegen Korruption sowie eine wirtschaftliche Entwicklung, die die Schwächsten nicht ausschließt.
Kritik an Justiz
Das dürfte Präsident Morales nicht gepasst haben, dass Papst Franziskus den letzten öffentlichen Termin in Bolivien im größten Gefängnis des Landes absolvierte. Doch für den Pontifex war es ein wichtiger Termin. Er bot ihm die Gelegenheit, noch einmal die Finger in eine Wunde zu legen, die es nicht nur in Bolivien, sondern auch in anderen Ländern des Kontinents gibt. Mehr als 80 Prozent der in Palmasola Inhaftierten warten noch immer auf ihren Prozess. Franziskus kritisierte die Langsamkeit der Justiz, den Mangel an Arbeitstherapien und an Rehabilitationsprogrammen.
Das Personal mahnte er, „emporzuheben und nicht zu erniedrigen; Würde zu verleihen und nicht zu demütigen; zu ermuntern und nicht zu betrüben“. Die Inhaftierten schließlich forderte er zum Verzicht der Gewalt auf. Vor zwei Jahren kamen 36 Menschen bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Banden in Palmasola ums Leben, Wärter haben kaum Kontrolle über die Lage, der Drogenhandel floriert.
Kritik an Korruption
Zum Auftakt seines Besuchs in Paraguay fand Franziskus dann ebenfalls deutliche Worte. Vor Vertretern aus Politik und dem diplomatischem Korps forderte er eine Aufarbeitung der Geschichte des Landes. Paraguay war von 1954 bis 1989 eine Militärdiktatur. „Ein Volk, das seine Vergangenheit vergisst, seine Geschichte, seine Wurzeln, hat keine Zukunft.“ Der Pontifex nahm auch Bezug auf die Kriege in Lateinamerika in den letzten zwei Jahrhunderten und forderte „Nie wieder Krieg unter Brüdern.“ Er erinnerte an das Leid der Paraguayer in diesen Kriegen und würdigte ausdrücklich die Rolle der Frauen des Landes beim Wiederaufbau.
Wie schon in Ecuador und Bolivien rief Franziskus dazu auf, dass alle Bevölkerungsgruppen am gesellschaftlichen und politischen Diskurs beteiligt werden müssen. Wahlen allein machten eine Demokratie noch nicht aus, so der Pontifex. Mit einem freundlichen, aber bestimmten Blick in Richtung Präsident Horacio Cartes rief Franziskus zur Bekämpfung der Korruption auf. Es war eine der zahlreichen Stellen, an denen Franziskus für seine Worte Applaus erntete. Das galt auch für seine Aufforderung, dass Anstrengungen unternommen werden müssten , dass es „keine Kinder mehr ohne Bildung, keine Familien ohne Häuser, keine Arbeiter ohne eine würdige Arbeit, keine Einwohner ohne Land zum Bebauen und keine Personen mehr gebe, zu zur Auswanderung in eine ungewisse Zukunft gezwungen werden; bis dahin, dass es keine Opfer von Gewalt, Korruption und Drogenhandel mehr gibt“.
Papst als besonderer Kritiker
Wer, wenn nicht der Papst, kann einem Staatsoberhaupt oder gar einer ganzen Nation so ins Gewissen reden? Das ist schon eine besondere Situation, wenn ein Papst auf Reisen geht. Ich erinnere mich an Benedikt XVI., der in Angola im Angesicht des Präsidenten dos Santos zu mehr Demokratie und Kampf gegen Korruption aufrief und bei einem Treffen mit Frauenorganisationen für mehr Rechte der Frauen eintrat. Von jedem anderen Staatsoberhaupt würde man sich solche Worte wohl verbitten. Ob die Worte etwas bewirken, steht auf einem anderen Blatt. Aber der Papst schafft eine gewisse Öffentlichkeit, mit seinen eigenen Worten, oder indem er denen, denen sonst niemand zuhört, eine Bühne bietet, wie heute den drei Gefangenen in Bolivien. Übrigens hat Franziskus auch in Paraguay auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt mit dem offenen Papamobil kurz an einem Gefängnis Halt gemacht. Ein Gefangenenchor sang ein Lied für den Pontifex.
Musik gab es auch am Abend im Garten des Präsidentenpalasts. Das Nationalorchester samt Nationalchor führte einige Stücke aus der Zeit der Jesuitenreduktionen im 17. und 18. Jahrhundert. Von Land zu Land steigert sich die Euphorie in diesen Tagen – und auch die Zahl derer, die am Straßenrand das Papamobil bejubeln nimmt zu. Heute in Asunción dominierten entlang der Strecke die Farben Gelb und Weiß. An Privat- und Geschäftshäusern hingen Luftballons, Fahnen und meterlange Tücher sowie Wimpel in den Farben des Vatikans. Für Sonntag werden mehrere Zehntausend Argentinier zum Gottesdienst in Asunción erwartet.