Papst trifft Putin

Schon seit Tagen war darüber spekuliert worden. Jetzt ist es offiziell: Papst Franziskus wird am kommenden Mittwoch Wladimir Putin im Vatikan in Audienz empfangen. Der russische Präsident besucht während seines Italienaufenthalts in der kommenden Woche die Weltausstellung Expo in Mailand und führt zidem Gespräche mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella und Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Angesichts des Ukrainekonflikts und des am Wochenende stattfindenden G7-Gipfels hat die bevorstehende Audienz viele Beobachter überrascht. Doch Franziskus möchte auch in Zeiten, in denen Politiker kaum mehr eine Sprachebene finden, Zeichen des Dialogs setzen.

Zweite Begegnung

Es ist die zweite Begegnung von Franziskus und Putin. Beim ersten Treffen am 25. November 2013 hatte Putin den Papst 45 Minuten warten lassen. Offizielle Begründung war damals die verspätete Ankunft Putins am römischen Flughafen Fiumicino. Hauptthema des Treffens damals war offiziellen Angaben zufolge die Syrienkrise. Dieses Mal dürfte es vor allem um den Ukrainekonflikt gehen. Papst Franziskus hatte wiederholt eine politische Lösung des Konflikts sowie die Einhaltung des Völkerrechts und ein Ende jeglicher Gewalt gefordert.

Allerdings gibt es seit langer Zeit Kritik aus der Ukraine, gerade auch aus katholischen Kirchenkreisen, der Vatikan sei im Ukrainekonflikt zu wenig aktiv. Bisweilen wurden sogar Stimmen laut, die eine prorussische Haltung des Vatikans auszumachen glaubten und diese kritisierten. Als Franziskus in einem seiner zahlreichen Apelle zum Ende der Gewalt Anfang Februar vom „Brudermord“ sprach, wurde ihm vorgeworfen, die Sprache der russischen Propaganda zu übernehmen. Der griechisch-katholische Großerzbischof von Kiew, Swatoslaw Schewtschuk, bat Franziskus, den Begriff „Brudermord“ künftig nicht mehr zu verwenden. Dass der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. Anfang Februar die vatikanische Position im Ukrainekonflikt lobte, ließ manche Beobachter aufhorchen, ist doch bekannt, dass die russisch-orthodoxe Kirche Rom sonst äußerst kritisch sieht.

Forderung nach mehr Engagement des Vatikans

Mehrfach forderten Vertreter aus der Ukraine, sowohl der katholischen Kirche als auch der Politik, dass der Vatikan sich stärker um eine Vermittlung im Konflikt bemühen müsse. Zuletzt hatte der ukrainische Außenminister, Pawlo Klimkin, nach einer Begegnung mit Papst Franziskus am Rande der Generalaudienz vergangene Woche im Vatikan gegenüber Medien ein stärkeres Engagement des Vatikans gefordert. Klimkin sprach erneut von der Idee eines Papstbesuchs in der Ukraine. Ein solcher Besuch hätte eine „riesige moralische Wirkung“, so der Politiker.

Der Vatikan agiert im Falle der Ukraine in der Tat sehr zurückhaltend. Man ist sehr darauf bedacht, das ohnehin nicht einfache Verhältnis zu Russland nicht zu gefährden. Gründe für diese Haltung gibt es viele. Zum einen sieht der Vatikan, dass Russland im Nahen Osten eine wichtige Rolle spielt. Im Interesse der Christen in der Region dort sind einigermaßen gute Beziehungen zu Moskau wichtig. Daneben ist das enge Verhältnis von Putin zur russisch-orthodoxen Kirche bekannt. Zu der wiederum hat Heilige Stuhl ein chronisch schwieriges Verhältnis. Das möchte man nicht unüberlegt zusätzlich belasten. Zumal das orthodoxe Moskau die guten Beziehungen zwischen Papst Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, mit Argusaugen beobachtet und kritisch sieht.

Das Agieren des Heiligen Stuhls kann damit auch immer Auswirkungen auf die innerorthodoxen Verhältnisse haben. Und die Orthodoxie steht vor einem historischen Ereignis. Zum orthodoxen Pfingstfest Mitte Juni 2016 soll erstmals seit Jahrhunderten wieder ein panorthodoxes Konzil stattfinden. Doch gerade angesichts der Spannungen zwischen Istanbul und Moskau sind die Vorbereitungen für dieses Treffen äußerst schwierig.

Distanz und Nähe zu Russland

Was das Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und Russland anbetrifft, ist man sich im Vatikan durchaus bewusst, dass Moskau – Politik und Kirche – versucht, Rom für eine „moralische Allianz“ zu gewinnen, um vermeintlich gemeinsame Werte gegen den säkularisierten Westen zu verteidigen. Auch wenn manche Vertreter im Vatikan mit einer vermeintlichen Koalition etwa bei Fragen der Familie liebäugeln, die offiziellen diplomatischen Stellen und der Papst lassen sich nicht vor den Karren Putins spannen, um etwa die Diskriminierung und Hetze gegen Homosexuelle zu unterstützen.

Es ist eine Gratwanderung, die Papst Franziskus und seine Diplomaten gehen. Angesichts der geopolitischen Lage, in denen Russland und der Westen auf eine immer stärkere Konfrontation zugehen, bleibt der Heilige Stuhl mit seiner zurückhaltenden Position ein Gesprächspartner für beide Seiten.  Auf lange Sicht könnte sich dies als eine Position erweisen, von der aus Vermittlungen möglich sind. Dass Putin in unmittelbarer Nähe zum G7-Treffen am Wochenende im bayerischen Elmau im Vatikan vorstellig wird, dürfte kein Zufall sein.

P.S. Der Vatikan hat heute bekannt gegeben, dass die Ökologieenzyklika von Papst Franziskus am 18. Juni veröffentlicht wird.

P.P.S. Das Bild oben ist vom letzten Treffen Putins mit dem Papst im November 2013. Die Audienz nächste Woche ist übrigens die fünfte für Putin im Vatikan. Johannes Paul II. hat er zweimal getroffen (2000 und 2003). Benedikt XVI. ist er 2007 im Vatikan begegnet.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.