Papst Franziskus auf den Philippinen – Tag 3
Papst Franziskus hat dem Tropensturm Amang getrotzt und musste sich ihm am Ende dann doch unterwerfen. Trotz heftigen Regens und starkem Wind feierte er in Tacloban heute einen Gottesdienst und traf Opfer des bisher schwersten Taifuns seit Aufzeichnung der Wetterdaten, der im November 2013 über die Philippinen fegte. Doch am Ende musste er die Programmpunkte im Eiltempo absolvieren, weil der aufziehende Tropensturm den Rückflug nach Manila gefährdete. Seine Botschaft an die Betroffenen: Ihr seid nicht allein! Seine Botschaft an die politisch Verantwortlichen: Schluss mit Korruption und Geschäftemacherei! Der örtliche Bischof begrüßte Franziskus mit den Worten: „Wir sind hier am ‚Ground Zero“ des Taifuns Haiyan.“
Vorzeitige Rückreise nach Manila
Es war der eigentliche Anlass der Reise und fiel am Ende beinahe buchstäblich ins Wasser: der Besuch von Papst Franziskus im Katastrophengebiet vom November 2013 in Tacloban. Vier Stunden früher als geplant musste Franziskus nach Manila zurückkehren. Beinahe fluchtartig verlies die Vatikandelegation mit den mitreisenden Journalisten am Samstagmittag kurz nach 13 Uhr die Insel Leyte, vier Stunden früher als geplant. Die Begegnung mit Ordensleuten und Überlebenden in der Kathedrale von Palo kürzte der Papst radikal ab. Er sprach ein kurzes Ave Maria, entschuldigte sich mit Verweis auf den immer heftiger werdenden Tropensturm Amang und fuhr im Eiltempo zurück zum Flughafen nach Tacloban.
Wie weise die Entscheidung war, das Programm im Eiltempo durchzuziehen, zeigte sich wenige Minuten, nachdem der Flieger der Philippine-Airlines mit der Vatikandelegation den Flughafen verlassen hatte. Kurze Zeit später wurde bei der Fahrt zur Startbahn eine Maschine der philippinischen Regierung von einer Windboe erfasst und von der Bahn gedrückt. Verletzte gab es nicht. Tragisch ist allerdings, dass eine junge Helferin ums Leben kam, als nach dem Gottesdienst Teile eines Lautsprechergerüsts herunterstürzten. Papst Franziskus wurde über den Vorfall informiert. Er beriet am Samstagnachmittag mit seinen Mitarbeitern, auf welche Weise er auf den Tod reagieren und der Familie sein Mitgefühl zum Ausdruck bringen kann.
Papst predigt frei
Beim Gottesdienst verlas Franziskus nicht seine vorbereitete Predigt, sondern sprach frei auf Spanisch; ein Dolmetscher übersetzte ins Englisch. Der Vatikan teilte später mit, dass allerdings auch der vorab verteilte schriftliche Text Gültigkeit habe, genauso wie die Ansprache, die für das Treffen in der Kathedrale von Palo vorgesehen war. Das ist deshalb wichtig, weil beide Texte auch politische Komponenten haben, die sonst unter den Tisch gefallen wären. In seiner frei gehaltenen Ansprache wurde Franziskus sehr persönlich und brachte seine Ohnmacht angesichts des Schicksals der Menschen zum Ausdruck. „Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll. Aber der Herr weiß, was er euch sagen will. So viele von euch haben Teile eurer Familien verloren. Alles, was ich tun kann, ist still zu sein und mit euch allen zu gehen mit meinem stillen Herzen.“
Für die Menschen in Tacloban waren diese Worte wichtig; wichtiger war für viele aber, dass der Papst überhaupt gekommen ist. Dessen war man sich offenbar auch im Vatikan bewusst und entschied sich daher, die Reise auf die Insel Leyte nicht abzusagen, sondern sie in einer verkürzten Form durchzuziehen. Denn schon am Morgen war klar, dass man es eilig hatte. Nicht, wie ursprünglich geplant um kurz nach 8 Uhr, sondern bereits eine halbe Stunde früher startete der Flieger in Manila. Entsprechend begann auch der Gottesdienst nach der früheren Ankunft vor der geplanten Zeit. Die Menschen waren teilweise schon gestern Abend auf das Feld neben dem Flughafen von Tacloban gekommen und hatten im Regen übernachtet. Der Jubel war groß, als Franziskus mit dem offenen Papamobil durch die Reihen fuhr.
Papst vorab über Wetter informiert
Auch für den Transfer ins 12 Kilometer entfernte Erzbischöfliche Palais in Palo nutzte er den offenen Wagen. Er lehnte es ab, die Fahrt mit dem geschlossenen Wagen zu machen. Entlang der Strecke standen Zehntausende. Unterwegs machte Franziskus einen kurzen Stopp bei der Familie eins Fischers. Der Besuch fiel aufgrund der Programmänderungen allerdings auch kürzer aus als geplant. Papst Franziskus war bereits gestern Abend über die schwierige Wetterlage informiert worden. Eine Absage des Besuchs in Tacloban lehnte er ab mit der Begründung, dass diese der Hauptgrund gewesen sei, auf die Philippinen zu kommen. Er stimmte einem verkürzten Besuch zu. Der Pilot, so Vatikansprecher Federico Lombardi, habe ein Zeitfenster bis spätestens 13 Uhr gegeben, danach wäre ein Rückflug schwierig geworden.
Auf dem Weg nach Tacloban wurde dem Papst angesichts des Regens und Sturms vorgeschlagen, den Gottesdienst in die Kathedrale von Palo zu verlegen. Dies lehnte er ebenfalls ab. Nachdem die Menschen auf dem Feld waren, sei für den Papst klar gewesen, dass er die Messe auch dort feiert, so Lombardi beim Briefing am Abend. Laut Kardinal Louis Antonio Tagle, Erzbischof von Manila, habe der Papst gesagt: „Darum bin ich hier, um Solidarität zu zeigen. Wenn die Leute im Regen sind, warum soll der Hirte dann nicht auch dort sein.“ Beeindruckt zeigte sich Tagle von der Begegnung des Papstes mit den Überlebenden. „Ich werde nie den Gesichtsausdruck des Papstes vergessen, als er die Zeugnisse hörte und etwa eine Frau berichtete, dass sie ihren Mann, einen Sohn und eine Tochter bei dem Taifun verloren habe.“ Er, Tagle, habe am Ende der kurzen Begegnung den Papst gefragt, ob er etwas sagen wolle. Dieser habe tief bewegt geantwortet: „Was soll ich sagen angesichts des Leids dieser Menschen.“ Auf dem Rückflug habe der Papst ihm gesagt: „Dieser Besuch war wichtig für mich. Ich lerne.“
Betroffene berichten
Er war aber auch wichtig für viele Menschen, wie für Dennis Arias, der mit seinen beiden Kindern und seiner Frau in Palo lebt und den ich in der Kathedrale in Palo getroffen habe. Der 35-Jährige erzählt, dass die Heftigkeit des Taifuns Haiyan viele überrascht habe. Aber als klar gewesen sei, welche Ausmaße er hat, habe er Todesängste um seine Familie ausgestanden. „Wir dachten, es ist alles aus.“ Alle Fenster waren zertrümmert in ihrem Haus, das Dach weggefegt. Er habe alle Fotos seines zerstörten Hauses gelöscht, weil er vergessen wolle. Doch es gelinge nicht. Besonders die Schreie seiner Kinder hätten ihn bis ins Mark getroffen, berichtet er mit Tränen in den Augen. Sie hätten nur überlebt, weil ihr Haus nicht sehr hoch mit Wasser vollgelaufen sei. Als er nach der Katastrophe gehört habe, wie viele Menschen ums Leben gekommen sind, sei er dankbar gewesen, dass alle in seiner Familie überlebt haben.
Das gilt auch für Federico Mariano. Der 58-Jährige war mit seiner Frau, zwei Kindern und zwei Enkeln im Haus, als plötzlich um sieben Uhr am Morgen der Taifun sein Haus mit voller Wucht traf. Überall sei plötzlich Wasser gewesen. Sie flüchteten sich ins Badezimmer im Obergeschoss. Nach fünf Stunden seien sie gerettet worden. Noch heute leide er unter den Ereignissen. Wenn schlechtes Wetter aufziehe, wie heute, bekomme er Angst, viel mehr Angst als früher. Wie bei Dennis Arias sei es auch bei Federico Mariano der Glaube gewesen, der ihm Hoffnung gegeben habe. Vom Papst erhoffen sich beide schlicht den Segen und ein Gebet. Sie sind dankbar für die Hilfe der Regierung, internationaler Organisationen und der Kirche beim Wiederaufbau ihrer Häuser.
Jubel und Trauer
Am Ende war der Tag heute trotz des Jubels der Hunderttausende in Tacloban und auch hier in Manila am Rand der Straßen, durch die der Papst fuhr, ein bedrückter Tag – nicht nur wegen des Todesfalls. Der aufziehende Tropensturm hat in kleinen Anfängen erspüren lassen, welcher Ohnmacht die Menschen angesichts der Naturphänomene ausgesetzt sind. Es war ein Tag, an dem der wortgewandte Papst still wurde, an dem die Worte fehlten und eher das Dasein zählte.
P.S. Auch heute gibt es einen Artikel bei heute.de.