Synode: Lehre gilt, aber…
Auf 12 Seiten und in 58 Abschnitten hat der Generalrelator, Kardinal Peter Erdö, die Debatte der ersten Synodenwoche zusammengefasst. Dabei unterstreicht er einerseits an vielen Stellen die traditionelle katholische Lehre, zeigt aber gleichzeitig eine Offenheit für den Umgang mit konkreten Situationen, die nicht der reinen Lehre entsprechen. Das gilt etwa für Paare ohne Trauschein, wiederverheiratete Geschiedene oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Mit dem Papier schlägt die katholische Kirche einen neuen Ton an. Hören, Offenheit, Barmherzigkeit sind Haltungen, die die Diskussionen der vergangenen Woche geprägt haben und die jetzt den Text durchziehen. Das Papier schließt keine Türen, sondern ermöglicht eine breite Diskussion. Die ersten Reaktionen in der Synodenaula zeigen, dass die Debatten in den Sprachzirkeln diese Woche kontrovers sein werden.
Klare Analyse, offene Sprache
Mit Spannung wurde heute der Zwischenbericht des Generalrelators, Kardinal Peter Erdö, erwartet. Er fasst die Ergebnisse der ersten Synodenwoche zusammen und ist Grundlage sowohl für die Diskussionen der zweite Woche in den Sprachzirkeln und des Abschlussdokuments der aktuellen Synode. Dieses wiederum ist Grundlage für die Diskussion im kommenden Jahr in den Bistümern weltweit. Daher ist das Papier durchaus wichtig und richtungsweisend. Es beginnt mit einer kurzen Analyse des Kontextes und der Herausforderungen der Familien heute. Angesichts der kulturellen und anthropologischen Veränderungen, die alle Aspekte des Lebens heute beeinflussten, gehe es, so Kardinal Erdö, um einen analytischen und breit angelegten Ansatz, um die positiven Elemente der individuellen Freiheit zu erfassen.
Der Kardinal spricht von Phänomenen wie Individualisierung und Einsamkeit, die große Zahl von Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben und die steigende Zahl der Scheidungen. Es geht um die Herausforderungen von religiös gemischten Ehen vor allem in Ländern, in denen das Christentum in der Minderheit ist, und die Anfragen durch kulturelle Traditionen wie die Polygamie in Afrika. Die Frage wird gestellt, ob und wie Menschen heute noch Beziehungen eingehen können und wollen. Der Abschnitt ist kurz, zeigt aber, dass die Synodenteilnehmer nicht im luftleeren Raum diskutieren, sondern den Kontext klar vor Augen haben, in den hinein sie ihre Ideen von Ehe und Familie verkünden (müssen) .
Im zweiten Teil geht es um das „Evangelium der Familie“. Hier ist der wohl interessanteste Aspekt, dass der Text eine Analogie zwischen Ehe und Familie sowie den Aussagen des II. Vatikanischen Konzils über die unterschiedlichen „Grade der Gemeinschaft“ formuliert. In der vergangenen Woche war ja schon mehrfach über die Gradualität gesprochen worden. Das Papier greift den Gedanken auf, dass auch außerhalb der sakramentalen Ehe Elemente sind, die Anerkennung verdienen.
Missionarische Konversion gefordert
Im dritten Teil spricht Erdö von einer notwendigen „missionarischen Konversion“ der Kirche, weg von einer rein theoretischen Verkündigung, die dazu noch losgelöst von den realen Problemen der Menschen ist. Es gehe also in erster Linie um eine neue Sprache. Ehevorbereitung und Ehebegleitung müssten ausgebaut werden. Und dann kommen einige neue, für die katholische Kirche ungewohnte Töne. Wenn es etwa heißt, dass man die „positive Realität“ ziviler Ehen und von Paaren ohne Trauschein wahrnehmen müsse. Ziel solle allerdings sein, diese Beziehungen in Richtung einer sakramentalen Ehe zu begleiten.
Das Papier lässt keine Zweifel daran, dass für die katholische Kirche das Ideal der lebenslangen, unauflöslichen Ehe zwischen Mann und Frau weiterhin gilt. Doch auch andere Formen werden fortan nicht mehr verteufelt. In der Synode habe es klare Stimmen gegeben, die von der Notwendigkeit „mutiger pastoraler Entscheidungen“ gesprochen hätten. Neue pastorale Wege sollen gegangen werden. „Es ist nicht klug, an eine einzige Lösung zu denken oder an Lösungen im Sinne von ‚alles oder nichts‘.“ Beim Thema wiederverheiratete Geschiedene verwies Erdö auf die verschiedenen Statements der Synodenväter zu den Ehenichtigkeitsprozessen und einer gewünschten Reform dieser. Was den Sakramentenempfang anbetrifft, führt er die verschiedenen Positionen auf, die in der vergangenen Woche angesprochen wurden: die Beibehaltung der aktuellen Lehre, sprich des Verbots, sowie die Überlegungen, unter bestimmten Bedingungen doch einen Kommunionempfang zuzulassen. Erdö erinnert an die Vorschläge, einen, wie auch immer konkret gestalteten, Bußweg in das Verfahren zur Zulassung zu integrieren.
Kritik an Aussagen zu Homosexualität
Interessant sind die drei Abschnitte zu Homosexuellen. Zunächst wird klar festgestellt, dass Homosexuelle „Gaben und Qualitäten“ in die christliche Gemeinschaft einzubringen hätten. Die Frage sei, ob die Kirche in der Lage sei, diese aufzunehmen und ihre sexuelle Orientierung anzuerkennen, „ohne die katholische Lehre zu Ehe und Familie zu beeinträchtigen“. Kardinal Erdö stellt fest, die Synodenväter seien sich einig, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht mit einer Ehe von Mann und Frau gleichgestellt werden könnten. Trotzdem gebe es Fälle, „in denen die gegenseitige Unterstützung bis zur Aufopferung eine wertvolle Stütze für das Leben der Partner darstellt“.
Gerade zum letztgenannten Punkt gab es wohl bei der anschließenden Aussprache der Synodenväter zum Teil heftige Kritik am Zwischenbericht – vor allem von Vertretern aus Afrika und Osteuropa. Auch beim Briefing der Journalisten stellten die Fragen zu den Aussagen über Homosexualität das sonst übliche Dauerthema „wiederverheiratete Geschiedene“ in den Schatten. Der Sondersekretär der Synode, Bischof Bruno Forte, erklärte, dass aus kirchlicher Sicht keine Ehe für Homosexuelle möglich sei. Dennoch hätten sie Rechte, die verteidigt und garantiert werden müssten. Daneben gab es in der Debatte der Synodenväter auch Stimmen, die eine Vertiefung des Gedankens der Gradualität in Analogie zum Verständnis von Kirche nach dem II. Vatikanischen Konzil wünschten. Einige zweifeln, dass dieser Vergleich legitim ist. Sie zweifeln damit auch an, dass man sagen kann, dass es außerhalb der sakramentalen Ehe „Elemente der Ehe“ gibt.
Beim Briefing wies Kardinal Erdö darauf hin, dass es sich hier um einen Zwischenbericht und nicht um das Abschlussdokument der Synode handelt. „Working in progress“, formuliert es Bischof Forte. In diesem Sinne hat das Dokument auch keinerlei verbindlichen Charakter. Es ist ein weiteres Diskussionspapier, das jetzt in den Sprachzirkeln besprochen wird. Das Schlussdokument wird sicherlich an einigen Stellen noch einmal ganz anders aussehen. Der Grundton des Hinhörens und der Sicht auf die jeweils einzelne konkrete Situation wird aber mit Sicherheit bleiben.
Epochenwechsel?
Wenn das Schlussdokument die Grundaussagen des Zwischenberichts enthält, bedeutet diese Synode ein Epochenwechsel in der katholischen Kirche. Nicht ohne Grund bemühen einige Teilnehmer, wie auch der Sondersekretär der Synode, Bischof Bruno Forte, den Vergleich zum II. Vatikanischen Konzil. Der Vergleich hinkt natürlich, denn das Konzil war doch noch einmal eine ganz andere Hausnummer; aber es deuten sich große Veränderungen an. Sollte sich die Vorstellung der Gradualität durchsetzen, hieße das, die katholische Kirche akzeptiere Sex außerhalb der sakramentalen Ehe. Viele Synodenteilnehmer und Beobachter sind überzeugt, dass der Zwischenbericht auf der Linie des Papstes liegt. Der hat sich nach wie vor nicht geäußert. Allerdings, das muss man immer wieder in Erinnerung rufen, der Prozess geht noch mindestens ein Jahr. Synodensekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri kündigte heute an, dass die nächste Ordentliche Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober 2015 stattfinden wird. Das Thema lautet: „Die Berufung und die Mission der Familie in der Kirche und der Welt von heute“.
P.S. Kardinal Raymond Burke kritisiert in einem Zeitungsinterview, das die Informationen über die Synode ‚manipuliert“ seien. So werde bei den Briefings nicht benannt, dass es eine beachtliche Zahl von Bischöfen gebe, die gegen die Ideen einer Öffnung seien. Doch nur wenige wüssten das. Er erwarte nun eine Erklärung des Papstes, „der immer nur in Kontinuität stehen könne mit der Lehre der Kirche in ihrer ganzen Geschichte“.