Papst in Südkorea: Hoffnung gegen alle Widerstände

Der zweite Tag von Papst Franziskus in Südkorea war geprägt von stimmungsvollen und begeisterten Feiern. Am Morgen eine Messe mit über 40.000 Gläubigen im WM-Stadion von Deajeon mit der Starsporanistin Sumi Jo. Am Nachmittag die Begegnung mit den 6.000 Teilnehmern des Asiatischen Weltjugendtags, bei dem der Papst nach Ende der vorbereiteten Rede lange improvisierte und die Jugendlichen trotz Sprachbarriere begeisterte. Am Rande des Gottesdienstes am Morgen gab es aber auch nachdenkliche Töne. Franziskus traf zehn Angehörige und Opfer des Sewol-Fährunglücks vom Frühjahr. Beim Mittagsgebet gedachte er der Toten. Wegen des Nebels konnte Franziskus am Morgen nicht den Hubschrauber von Seoul nach Deajeon nehmen, sondern nutzte kurzerhand mit sseiner Delegation einen normalen Linienzug.

Jugendfestival mit Papst Franziskus

Der Höhepunkt des Tages war sicherlich die Begegnung mit den Jugendlichen am Heiligtum des ersten Märtyrers und Priesters Koreas, Andrea Kim-Daejeon in Solmoe. Beeindruckend die Darstellung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn oder wie sie auch genannt wird, vom barmherzigen Vater aus dem Lukasevangelium (Lk 15). Sie gehört zu den Lieblingsstellen von Papst Franziskus. Oft spricht der Papst von ihr, wenn er seine Idee der barmherzigen Kirche verdeutlichen will. Ein modernes Bibliodrama für Jugendliche. Den Auftakt des Treffens mit dem Papst machte ein traditioneller indonesischer Tanz. Spätestens jetzt war Franziskus wirklich in Asien angekommen. Jugendliche, die fünf Kulturen Indonesiens vertraten, tanzten in traditionellen Gewändern, mit Federschmuck und spielten auf traditionellen Musikinstrumenten.

Beim Treffen mit den Jugendlichen kamen eine ganze Reihe der zentralen Probleme Asiens auf den Tisch. Die Jugendlichen nahmen kein Blatt vor den Mund und stellten dem Papst klare Fragen zu eher pastoralen Fragen, aber auch zur Situation der Kirche in China. Dazu stellte Giovani aus Hongkong fest, je mehr die Kirche sich in China entwickle, umso mehr werde sie kontrolliert und unterdrückt. Giovanni sprach auch das Problem an, dass Katholiken, die Fehler gemacht hätten, sich trotz Umkehr nicht mehr angenommen fühlten in der Kirche. Marina Park Giseon wollte vom Papst Tipps, wie sie in einer immer egoistischer werdenden Gesellschaft eines „starken Kapitalismus“, wie sie sich in Korea entwickle, behaupten bzw. verhalten solle. Sie sprach auch die Teilung Koreas an und fragte Franziskus ganz konkret, wie er Nordkorea sehe. Leap Lakaraksmey erzählte, dass viele der Katholiken, die dort eine Minderheit sind, von Nachbarn gefragt würden, warum sie einem europäischen Glauben anhingen und nicht einem einheimischen traditionellen. Das Christentum, vor allem auch der katholische Glaube, werde als zu europäisch wahrgenommen, zu wenig inkulturiert.

Papst scherzt mit Jugendlichen

Papst Franziskus machte sich aufmerksam Notizen bei Vorträgen der Jugendlichen, denn die vorbereitete Rede ging eigentlich auf diese Fragen nicht ein. Er trug erst seine vorbereitete Rede vor und antwortete dann spontan auf einige der Fragen der Jugendlichen. Franziskus rief die Jugendlichen auf, an einer Welt mitzuarbeiten, in der der Friede und Freundschaft herrschen sowie Barriere, Trennungen und Vorurteile überwunden werden. Er kritisierte, wie schon am Morgen in der Messe, Egoismus, Feindseligkeit und Ungerechtigkeit. “Wir sind beunruhigt durch die wachsende Kluft zwischen reich und arm in unseren Gesellschaften. Wir sehen Zeichen einer Vergötterung von Besitz, Macht und Vergnügen, was Menschen großen Schaden zufügt.“ Franziskus sieht trotz immensen Reichtums immer mehr Menschen, die unter geistlicher Armut, Einsamkeit und stiller Hoffnungslosigkeit litten. „Gott scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein. Es ist beinahe, als beginne eine geistige Wüste, sich über unsere ganze Welt auszubreiten.“ Dieser Entwicklung möchte Franziskus eine Botschaft der Hoffnung entgegensetzen. Diese finde sich in der Botschaft Christi. Jesus könne jede Situation verändern – auch jene, die hoffnungslos scheine. Dann fragte er die Jugendlichen, ob sie müde seien und er nach Hause gehen solle. Was diese verneinten. Dann wolle er noch einige Sätze zu den Fragen sagen, aber auf Italienisch, denn sein Englisch sei nicht so gut. Zudem spreche man zu jungen Leuten sowieso nicht mit Papier sondern spontan, so Franziskus.

Bei Vereinigung keine Sieger und keine Besiegte

Lange sprach er 0zur Frage der Teilung Koreas. Es gebe keine zwei Korea, sondern nur eine Familie, die geteilt sei. Die Brüder im Norden sprächen dieselbe Sprache. Wenn man dieselbe Sprache spreche, gebe es auch menschliche Hoffnung. Franziskus mahnte, es dürfe im Prozess einer Vereinigung keine Sieger und keine Besiegten geben. Spontan fordert er die Jugendlichen auf, still für die Vereinigung Koreas zu beten. Spontan sprach Franziskus lange über die Frage darüber, wie junge Menschen ihre Berufung – auch für geistliche Berufe – erkennen können. Er betonte dabei, dass es entscheidend sei, anderen zu helfen – sei es in einem geistlichen Beruf oder als Laie. Auf die Frage zu China ging er nicht ein. Auch nicht auf die Frage des Jugendlichen aus Hongkong, der einen Tipp wollte, wie es gelingen kann, seine Heimatstadt zum Austragungsort des katholischen Weltjugendtags zu machen. Was die Frage zu China anbetrifft, erklärte später Vatikansprecher Federico Lombardi, dass das Treffen mit den Jugendlichen pastoralen Charakter gehabt habe und der Papst daher sich nicht zu politischen Themen äußern wollte. Auch die Antwort zur Teilung Koreas sei sehr pastoral gewesen.

Papst: Hoffnungslosigkeit wuchert wie Krebs

Beim Gottesdienst am Vormittag war – zumindest im Vorprogramm – vom Jesus-Rap bis zum Ave Maria alles geboten. Beim Gottesdienst sang die bekannte Sopranistin Sumi Jo das Pane angelicum. In seiner Predigt kritisierte Papst Franziskus den „Geist der Hoffnungslosigkeit, der wie ein Krebs zu wuchern scheint in Gesellschaften, die äußerlich wohlhabend sind, aber oft innere Traurigkeit und Leere erfahren“. Südkorea hat eine der höchsten Selbstmordraten weltweit. Zugleich warnte der Papst vor Materialismus, „der echte geistige und kulturelle Werte erstickt“, sowie dem „Geist des uneingeschränkten Wettbewerbs, der Egoismus und Unfrieden erzeugt“. Er rief die Katholiken auf, sich gegen „unmenschliche Wirtschaftsmodelle, die neue Formen von Armut schaffen und Arbeiter an den Rand drängen, sowie die Kultur des Todes“ einzusetzen.

Der heutige Tag hat gezeigt, dass es Papst Franziskus gelingt, auch in Ländern mit den Menschen zu kommunizieren, in denen er nicht aufgrund seiner Sprachen Italienisch und Spanisch „zu Hause“ ist. Der Funke sprang über mit dem einfachen päpstlichen Englisch und einer guten Übersetzung seines spontanen italienischen Vortrags.

P.S. Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte am Abend, dass die Zugfahrt für Papst Franziskus eine neue Erfahrung gewesen sei. Er sei vorher noch nie mit einem Hochgeschwindigkeitszug gefahren. Die lokalen Organisierer seien besten vorbereitet gewesen, so Lombardi, für den Fall, dass ein Hubschrauber aufgrund des Wetters nicht fliegen kann.

P.P.S. Beim Treffen mit den Angehörigen und Opfern des Fährunglücks nahe der Sakristei im Stadion heute Morgen, bat Lee Ho Jin den Papst um die Taufe, dessen Sohn ums Leben gekommen war. Der Vater war von seiner Geburtsstadt zum Hafen von Sewol zu Fuß gepilgert und wieder zurück in seine Heimat – rund 900 km. Als Begründung erklärte der Mann, das Leiden und die Aufarbeitung des Verlusts seines Sohnes hätten ihn dem christlichen Glauben nahe gebracht. Daher bitte er um die Taufe. Der Papst entschied spontan, den Mann morgen früh in der Nuntiatur zu taufen.

P.P.P.S. Das Mittagessen hat Papst Franziskus heute mit rund 20 Jugendlichen aus verschiedenen Ländern Asiens eingenommen. Es wurden Lieder gesungen. Und es wurden die mittlerweile schon fast obligatorischen Selfies mit Papst Franziskus gemacht.

P.P.P.P.S. Beim Senden des Telegramm an Chinas Staatschefs am Freitagmorgen 0.53 Uhr MESZ gab es wohl technische Probleme. Die chinesische Botschaft bat den Vatikan, das Telegramm noch einmal zu schicken, da es offensichtlich nicht angekommen war. Vatikansprecher Lombardi begründete das mit möglichen technischen Problemen beim Senden des Telegramms vom Flugzeug aus.

 

 

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.