Deutliche Worte des Vatikan zum Irak
Mit einer ungewöhnlich scharfen Erklärung hat sich heute der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog zur Situation im Irak zu Wort gemeldet. Die gegenwärtige Barbarei sei durch nichts zu rechtfertigen, heißt es, erst recht nicht durch religiöse Motive. Alle Religionsführer, „vor allem die Muslime“, müssten die „unsäglichen Verbrechen“ der radikalen Terrorgruppe „Islamischer Staat“ klar und mutig verurteilen, so der Vatikan. Papst Franziskus hatte am Sonntag beim Mittagsgebet erklärt: “Man führt nicht Krieg im Namen Gottes.“ Die Gewalt und der Hass, der sich im Irak gegenüber den religiösen Minderheiten zeige, beleidige Gott. Franziskus benannte Kardinal Fernando Filoni zu seinem Sondergesandten. Der ist heute zu einer Solidaritätsreise in den Irak aufgebrochen.
Vatikan: Stopp für Unterstützung von Terroristen
In der Erklärung führt der Vatikan eine Liste von elf „unsäglich kriminellen Handlungen“ der IS-Terroristen auf, darunter „die scheußliche Praxis der Enthauptung, Kreuzigung und des Aufhängens der Leichname auf öffentlichen Plätzen“ sowie die Tötung von Menschen allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Mit der Aufzählung und der Schärfe wirkt die Erklärung wie eine Anklageschrift. Dabei bezieht sich der Vatikan nicht nur auf die Opfer unter den Christen, sondern ausdrücklich auch unter den Jessiden. Er erinnert in seiner Erklärung an das friedliche Zusammenleben der Christen und Muslime in der betroffenen Region, bei dem über Jahrhunderte eine Kultur der Gemeinschaft entwickelt worden sei. Die Religionen müssten ihren Einfluss auf die politisch Verantwortlichen geltend machen, damit die Verbrechen beendet und die Schuldigen bestraft werden sowie eine Rückkehr der Menschen in ihre Heimat möglich ist. „Alle müssen ohne jede Zweideutigkeit in der Verurteilung dieser Verbrechen einig sein und die Anrufung der Religion zu deren Rechtfertigung verurteilen.“ Sonst verlören die Religionen und ihre Vertreter die Glaubwürdigkeit. In der Erklärung zählt der Vatikan noch einmal die Gräueltaten der IS-Terroristen auf, und er kritisiert erneut die Finanzierung und Unterstützung der Terroristen. „Die religiösen Führer werden nicht verabsäumen zu unterstreichen, dass die Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung des Terrorismus moralisch verwerflich sind.“ In den vergangenen Tagen hatten Kirchenführer wiederholt gefordert, die Unterstützung der Terroristen einzustellen bzw. die Hintermänner zu benennen und anzuprangern.
Unterschiedliche Positionen gibt es von kirchlichen Vertretern bezüglich der Notwendigkeit militärischer Gewalt. Während Papst Franziskus am Sonntag zu einer diplomatischen Lösung aufrief und im einem Tweet betonte, „Gewalt besiegt man nicht mit Gewalt“, zeigte sich der Vatikanvertreter bei den UN-Organisationen in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, offen für ein militärisches Eingreifen. Dies sei derzeit „vielleicht notwendig“. Auch der Vatikanbotschafter in Bagdad, Erzbischof Giorgio Lingua, signalisierte Zustimmung. Zwar habe man die Situation, die es jetzt „zu reparieren gebe“ von Anfang an vermeiden können, so Lingua gegenüber Radio Vatikan, „aber es ist gut, wenn es wenigstens gelingt, jenen Leuten, die keine Skrupel haben, die Waffen aus den Händen zu nehmen“. Lingua bezeichnete es als ein „Bankrott der Geheimdienste“, dass die IS-Terroristen mit modernsten Waffen kämpften.
Kardinal: IS-Vormarsch ist Folge des Irakkriegs 2003
Sein Vorgänger als Vatikanbotschafter im Irak war Kardinal Filoni, den der Papst jetzt als Sondergesandten in die Krisenregion geschickt hat. Filoni war 2003 als einziger ausländischer Botschafter beim ersten Irakkrieg in Bagdad geblieben. Er bezeichnete jetzt in einem Interview den Vormarsch der IS-Terrorgruppe als Spätfolge des Irakkriegs der USA damals. Dieser Krieg, den Johannes Paul II. damals habe verhindern wollen, sei „ein Fehler“ gewesen. Seitdem habe sich die Situation im Irak nicht mehr verbessert, sondern sich in vieler Hinsicht sogar verschlechtert. „Deshalb leiden wir heute unter diesen Konsequenzen.“
Filoni wird nach seiner Ankunft im Irak zunächst in Bagdad politische Gespräche führen und dann in die Autonome Region Kurdistan weiterreisen. Dorthin sind viele Christen auf der Flucht vor den IS-Terroristen geflohen. Filoni will auch mit den örtlichen Bischöfen über mögliche Hilfen sprechen. Zu finanzieller Unterstützung der Menschen im Irak haben die deutschen Hilfswerke aufgerufen. Entsprechende Spendenkonten finden sich etwa auf den Internetseiten von Caritas International und anderen Hilfswerken.k