Der Papst und die Deutschen – ein schwieriges Verhältnis
Pssst – geflüstert wird viel in den letzten Monaten rund um den Papst und den Vatikan. In Zeiten von Vatileaks gibt es fast täglich neue Spekulationen und Gerüchte. Heute ist die ganze Geschichte in Berlin in eine neue Runde gegangen. Ein deutscher Vatileaks-Skandal? Mit Spannung warteten die Journalisten…
Ein deutscher Vatileaks-Skandal?
Mit Spannungen haben Journalisten und Bischöfe auf die Vorstellung der deutschen Ausgabe des Enthüllungsbuches von Gianluigi Nuzzi gewartet. Doch die neuen Dokumente taugen nicht zum großen Skandal. Sie belegen aber einmal mehr, wie schwierig das Verhältnis zwischen dem Papst aus Deutschland und seinem Heimatland ist. Unzufrieden sind Benedikt XVI. und römische Kurie bisweilen mit den deutschen Bischöfen: Im Weltbildskandal, dem Verkauf von erotischen Titeln durch einen Verlag in katholischer Trägerschaft, handeln sie zu zögerlich; im Skandal um den Holocaustleugner Williamson kritisieren sie den Papst und seine Mitarbeiter. Die Dokumente belegen, was gemeinhin seit Langem bekannt ist.
Daher konzentriert sich das Interesse bei der Vorstellung des Buches auch weniger auf die Inhalte als vielmehr auf die Hintergründe: Wer sind die Informanten? Was ihre Motivation. Bei der Frage nach den Quellen verstrickt sich der Autor am Montag in Widersprüche. Einmal spricht er von einer Quelle, dann wieder von mehreren Informanten, die unabhängig voneinander handelten. Im Buch selbst schreibt Nuzzi von einer „kleinen Gruppe“ die entstanden sei, „deren Mitglieder zwar ganz unterschiedliche Funktionen und Ämter in der Kirche innehaben, aber durch denselben Entschluss vereint sind: zu dokumentieren, zu verstehen und Zeugnis abzulegen“. Der ehemalige Butler des Papstes, Paolo Gabriele, der aus vatikanischer Sicht bisher als Hauptverdächtiger gilt und im Herbst vor Gericht kommt, behauptet, die einzige Quelle Nuzzis zu sein und als Einzeltäter gehandelt zu haben. Also doch keine Verschwörung gegen den Papst? Nuzzi sagt nein. An dieser Stelle nimmt der Skandal allerdings bisweilen skurrile Züge an. Etwa wenn in den Medien über mögliche Hintermänner Gabrieles spekuliert wird. Eine deutsche Tageszeitung sah gar einen Machtkampf und Eifersüchteleien unter Deutschen im Vatikan als mögliche Ursache.
Hat Gabriele also wirklich als Einzeltäter gehandelt?
Nuzzis Buch lässt keinen roten Faden erkennen. Das könnte den Schluss nahelegen, hier habe jemand ohne konkretes – inhaltliches – Ziel Dokumente kopiert und in die Öffentlichkeit gebracht? Das würde die These stützen, es gibt keine große Verschwörung im Vatikan. Oder liegt es an Nuzzi, dem es nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung geht, sondern schlicht um den Scoup. Mit seiner scheibchenweisen Veröffentlichung der Dokumente sorgt der italienische Journalist dafür, dass das Thema präsent bleibt. In der Frankfurter Rundschau kündigte er die Veröffentlichung eines Interviews mit Paolo Gabriele an. Anfang des Jahres war Gabriele anonym in einer TV-Sendung Nuzzis aufgetreten. Bisher wurden nur Teile des Interviews ausgestrahlt. Nuzzi kennt die Spielregeln der Mediengesellschaft. Man spricht über ihn, sein Buch, Vatileaks und weniger über die Inhalte des Pontifikats Benedikts XVI. Sollte es im Herbst zum Prozess gegen Paolo Gabriele kommen, dürfte das Medieninteresse wieder groß sein; die parallel dazu stattfindende Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung, dürfte dagegen einmal mehr den Kürzeren ziehen.
Unabhängig von der Diskussion über Hintermänner hat der Vatileaksskandal einige heikle Fragen aufgeworfen, auf die der Vatikan Antworten finden muss – etwa nach der Transparenz bei Entscheidungen, die Arbeitsorganisation im engsten Umfeld des Papstes und ganz zentral: die Kluft zwischen moralischem Anspruch und tatsächlichem Handeln der Kirche und ihrer Mitarbeiter, die nach Nuzzi Motivation für seine Informanten war, an die Öffentlichkeit zu gehen. Dazu in Kürze mehr an dieser Stelle – aber bitte nicht weitersagen!