Gegen den „Schiffbruch der Zivilisation“

Der zweite Tag von Papst Franziskus auf Malta stand ganz im Zeichen der Migration. Am späten Nachmittag besuchte der Pontifex ein kirchliches Aufnahmezentrum. Dabei würdigte er einerseits den Einsatz der Malteser für die Migranten. Zugleich machte er einmal mehr deutlich, dass aus seiner Sicht beim Thema Migration, die Zivilisation auf dem Spiel stehe. Migration sei ein Zeichen der Zeit. „Und für uns Christen steht auch unsere Treue zum Evangelium Jesu auf dem Spiel“, erklärte Franziskus. Von den Migranten forderte der Pontifex, ebenfalls zu „Zeugen und Förderern der Aufnahme und der Geschwisterlichkeit“ zu werden.

Papst Franziskus beim Besuch eines Aufnahmezentrums für Geflüchtete auf Malta. (Quelle epa/VaticanMedia)

Kritik am „frevelhaften Krieg“ in der Ukraine

Es war einer der Gründe, warum Franziskus die kleine Mittelmeerinsel besuchte. Er wollte auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam machen. Entsprechend erinnerte er am Sonntag auch an seinen Besuch vor wenigen Monaten auf der griechischen Insel Lesbos. Bei der Begegnung am Sonntagnachmittag rief er aber auch das Schicksal der Menschen in Erinnerung, die in Asien, Afrika und Amerika gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Er gedachte eigens des Schicksals der Rohingya in Myanmar sowie der Ukrainerinnen und Ukrainer. Beim Angelus am Mittag hatte er bereits an die „humanitäre Tragödie in der Ukraine“ erinnert, „die immer noch schwer unter den Bomben dieses frevelhaften Krieges“ leide.

Der Tag hatte mit einem Besuch der Paulusgrotte begonnen. Das ist der Ort, an dem der Apostel Paulus nach einem Schiffbruch im Jahr 60 einige Wochen gelebt haben soll. In einem Gebet gedachte der Papst der Geflüchteten: „Hilf uns, schon von weitem die Bedürfnisse derer zu erkennen, die in den Wellen des Meeres ums Überleben kämpfen, zerschellt an den Felsen eines unbekannten Ufers. Lass nicht zu, dass unser Mitgefühl sich in leeren Worten erschöpft, sondern entzünde das Feuer der Gastfreundschaft.“

Kirche muss barmherzig sein

Beim anschließenden Gottesdienst rief er die Malteser auf, nicht zu selbstsicher in ihrem Glauben zu sein. Ausgangspunkt war das Tagesevangelium, in dem Schriftgelehrte eine Ehebrecherin verurteilen wollten. Franziskus warnte: „In Wirklichkeit haben diejenigen, die glauben, den Glauben zu verteidigen, indem sie mit dem Finger auf andere zeigen, vielleicht eine religiöse Vision, aber sie vertreten nicht den Geist des Evangeliums, denn sie vergessen die Barmherzigkeit, die das Herzstück Gottes ist.“ Der Papst riet den Maltesern, „wenn wir ihn [Jesus] nachahmen, werden wir uns nicht auf das Anprangern von Sünden konzentrieren, sondern in Liebe nach den Sündern suchen. Wir werden nicht die Anwesenden zählen, sondern die Abwesenden aufsuchen.“

Die 36. Auslandsreise von Papst Franziskus war von zwei Kernthemen seines Pontifikats geprägt. Zum einen die Barmherzigkeit, die Ausdruck in allen Vollzügen der Kirchen finden muss. Zum anderen das Phänomen der Migration, das Franziskus als eines der zentralen Aufgaben der Gegenwart sieht. Der „reiche Norden“ wird sich durch Abschottung nicht retten können, ist er überzeugt. Einerseits müssen die Ursachen bekämpft werden. Dazu gehören Krieg genauso wie die Folgen des Klimawandels sowie die soziale Ungerechtigkeit. Andererseits muss den Menschen geholfen werden, die auf der Flucht sind. Für Franziskus steht mit der Migration die Zivilisation auf dem Spiel. Deshalb wird er nicht müde, den Finger hier in die Wunde zu legen, auch wenn es ihm sichtlich schwerfällt, die Strapazen einer Reise auf sich zu nehmen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

12 Kommentare

  • Novalis
    04.04.2022, 2:48 Uhr.

    Schon bemerkenswert, dass die christlichen (ob sie es tatsächlich sind, weiß ja nur Gott) Ukrainer in Polen willkommen, aber die muslimischen Flüchtlinge aber abgelehnt werden. Doof nur, dass Jesus selber kein Christ war.

    Zu Heilbründl:
    „Welche katholischen Kirchen meinen Sie hier? Danke!“ Ich verstehe die Frage nicht recht. Ich meine die katholischen Kirchen. Es gibt davon mehr als 20. Nur eine, die römisch-katholische Kirche kennt den Zwangszölibat für Priester.

    • Wanda
      05.04.2022, 1:32 Uhr.

      @Novalis 04.04. 2:48
      – Sie haben Ihre Ansicht, ich die meine. Grundsätzlich: die Freiheit der persönlichen Entscheidung ob jemand in meinen vier Wänden willkommen ist oder nicht, lasse ich mir nicht nehmen. Und wer sich bei mir als Gast daneben benimmt, fliegt gnadenlos raus und kommt nie wieder rein. Gleichzeitig lasse ich mir von niemandem meine Ansicht streitig machen, welche Flüchtlinge (wenn es denn überhaupt welche sind) unser Staat aufnehmen soll und welche nicht. Da wird groteskerweise überhaupt nicht abgewägt und man stellt auch keine Bedingungen. Demnächst wollen mir die politisch Korrekten vielleicht auch noch vorschreiben, wer mir sympathisch sein muss und wer nicht ?

      • Novalis
        05.04.2022, 17:44 Uhr.

        Ein weltanschaulich neutraler Staat nimmt Flüchtlinge ohne Ansehen der Person, deren Geschlecht oder Religionszugehörigkeit auf. Das ist schlicht eine Errungenschaft der Aufklärung. Sonst ist der Staat nicht weltanschaulich neutral. Wer das Gegenteil will, ist nicht besser als die Saudis.

        • ZufälligerGastleser
          06.04.2022, 10:52 Uhr.

          Es gibt keine „weltanschaulich neutralen“ Staaten. Jeder Staat ist ja bereits durch seine Existenz und Selbstbehauptung eine „Weltanschauung“. Auch die europäische „Aufklärung“, wenn sie die Einzahl bevorzugen, ist eine regionale „Weltanschauung“. Und selbstverständlich sind die sog. „westlichen Werte“, der „Fortschritt“, Demokratie, Liberalismus und Kapitalismus auch Bestandteile einer Weltanschauung.

  • Silvia
    04.04.2022, 13:58 Uhr.

    @ Heilbründl,

    ich will versuchen, Ihre Frage nach katholischen Kirchen ohne Pflichtzölibat zu beantworten, so weit es meinem – allerdings bescheidenem – Wissensstand entspricht.

    Es gibt orientalische Kirchen, die mit Rom uniert sind, aber verheiratete Priester haben.

    Z.B. die griechisch – katholische Kirche, die in Wien Niederlassungen hat. Die Priester dieser Kirche können bis vor der Priesterweihe, eventuell auch nur bis vor der Diakonenweihe, das weiß ich nicht genau, heiraten (so wie unsere ständigen Diakone), nach der Priesterweihe aber nicht mehr.

    Die griechisch – katholische Kirche gehört dem byzantinischen Ritus an, wie der aussieht, weiß ich nicht. Unseren Ritus nennt man nach wie vor den lateinischen.

    Bischof kann aber in den orientalischen Kirchen nur ein unverheirateter Priester werden.

    Genauso verhält es sich mit der katholischen Kirche im Irak, der der Patriarch Sakko vorsteht. Dessen Rang entspricht dem Kardinalsrang, dh., wenn er nicht vorher die Altersgrenze überschreitet, wird er am nächsten Konklave teilnehmen und könnte auch zum Papst gewählt werden.

    Mit „liberal“ hat das allerdings nichts zu tun, sondern mit einer anderen Tradition, die sich in den orientalischen katholischen Kirchen entwickelt hat.

    Nichtsdestotrotz sind sie mit Rom uniert und unterstehen dem römischen Papst.

  • Silvia
    05.04.2022, 22:29 Uhr.

    Novalis
    04.04.2022, 2:48 Uhr.

    Ich denke, dass bei der Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen die Religion höchstens eine untergeordnete Rolle spielen dürfte.

    Es sind andere Unterschiede.

    2015 und danach kamen fast nur allein reisende junge Männer aus einem Kulturkreis, dem unsere Lebensart und unsere Werte vollkommen fremd sind. Trotzdem war die Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung zunächst sehr groß.

    Zu einem ersten großen Zusammenprall der Kulturen kam es dann in der Silvesternacht 2015 in Köln.

    Aus der Ukraine hingegen kommen fast ausschließlich Frauen und Kinder. Diese Frauen sind Europäerinnen, oftmals beruflich gut qualifiziert, sie stammen also aus einem uns verwandten Kulturkreis mit in etwa derselben Lebensweise, denselben Wertvorstellungen. Mit diesen Frauen und Kindern sind keine größeren Konflikte zu erwarten.

    Die Ukrainerinnen wollen nach dem Krieg meistens in ihre Heimat zurückkehren. Ob und wann das möglich sein wird, bleibt natürlich abzuwarten.

    • Novalis
      06.04.2022, 13:08 Uhr.

      Ein weltanschaulich neutraler Staat nimmt Flüchtlinge auch ohne Unterschied des Geschlechts auf. Unterschiede wegen des Geschlechts zu machen, nennt man Sexismus. Wer dafür ist, hier Unterschiede zu machen, ist ein Sexist.

  • Wanda
    07.04.2022, 17:55 Uhr.

    Hier wird mal wieder ganz deutlich, dass die gebetsmühlenhafte Beteuerung, die Religionen würden immer nur von der Politik missbraucht, eine glatte Lüge ist: Patriarch Kyrill hat mit seinen „absurden“ Äusserungen das knallharte Gegenteil bewiesen. Dass die röm.-kath. Kirche ebenfalls kräftig als weltliche Macht (oder mit ihr uniert) ihre Interessen z.T. sogar mit eigenem Militär und Söldnern sehr unchristlich durchsetzte, ist zwar Historie aber eben auch Realität. Und wer im Glashaus sitzt sollte sich zurückhalten. Betroffenheit wird da sehr schnell unglaubwürdig zumal man diesen Kyrill als Gesprächspartner in Erwägung zieht. Welch ein Signal…

    • Wanda
      12.04.2022, 17:01 Uhr.

      Nur als Ergänzung: für Patriarch Kyrill ist das kein Krieg sondern nur die bewaffnete Abwehr durch den ex-Genossen Putin, die Tendenzen des degenerierten, sündhaften Westens mit seiner Homosexualität nicht auf Mütterchen Russland übergreifen zu lassen. Und (man lasse es sich auf der Zunge zergehen) der Tod eines natürlich russischen Soldaten sei ein „Akt der Nächstenliebe“. Frage mich ernsthaft, wo Franziskus eine Schnittmenge für ein angestrebtes Gespräch mit diesem […]* Kriegstreiber Kyrill sieht…

      *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

  • Heilbründl
    09.04.2022, 2:10 Uhr.

    zu Novalis und Silvia
    Ich bin verblüfft, dass es 20 katholische Kirchen gibt. Dass die Priester der orthodoxen Kirchen vor der Priesterweihe heiraten dürfen, Bischöfe aber normalerweise Mönche sind, war mir bekannt.
    Nur dachte ich, dass die griechischen Priester griechisch-orthodoxe sind.
    Vor diesem Hintergrund der 20 katholischen Kirchen ist es noch weniger zu verstehen, dass die römische Kirche so auf dem Zölibat besteht.
    Mir kommt es schon so vor, dass die Kardinäle beschließen, ich musste mein Leben lang auf die Familie verzichten und gönne es den Jungen auch nicht.
    Doch die Welt ändert sich, meine Oma hatte als Kind noch Petroleumlampen und ich musste bis 1975, als ich in den Ferien meint Tante besuchte auf dem Bauernhof aufs Plumpsklo neben dem Misthaufen.

    • Novalis
      12.04.2022, 0:19 Uhr.

      Über 20 katholische Kirchen. Und selbst in der römisch-katholischen Kirche sind evangelische und anglikanische Pastoren so willkommen, dass sie nach der Konversion verheiratet bleiben und dann die Sakramente der Firmung und der Weihe empfangen dürfen.
      Schauen Sie sich doch einfach mal die Anzahl der schwulen katholischen Weltgeistlichen bei Partnerfindhomepages wie romeo an. Da gibt es sogar eigene Clubs, in denen diese Leute sich organisieren, um einen oder mehrere Sexualpartner zu finden. Der Zölibat ist m.E. kein Instrument zum Zweck, dass Priester spirituell reicher – also frömmer – leben, sondern eine Quelle der Heuchelei. Wer ehelos leben will, soll ins Kloster – und ich wünsche mir viele lebendige Kloster.

  • Heilbründl
    09.04.2022, 2:21 Uhr.

    An Novalis:
    Ich arbeitete bis Ende 2020 im Kindergarten Unsere Einrichtung besuchten einige syrische Kinder u. a.
    Ein Junge musste miterleben, wie das Haus zerbombt wurde. Die Familie hatte sich zuvor schon oft im Bad verbarrikiert.
    Das war in Aleppo.
    Sind diese Menschen weniger wert als die Menschen in der Ukraine?
    Übrigens, die Flüchtlinge aus dieser Stadt haben sich durchaus gut eingelebt und die meisten leben jetzt ohne staatliche Hilfe. Die Kommune hatte extra einen Mitarbeiter eingestellt, der die Menschen umfassend betreute. Gut angelegtes Steuergeld! Leider wurde damals ein Afghane, der bei uns
    in der Küche mithalf, abgeschoben.

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