Papst Franziskus auf Zypern: Wider die Mauern

Mauern einreißen statt aufbauen – dieser Gedanke zog sich durch den ersten Tag der 35. Auslandsreise von Papst Franziskus. Der Pontifex startete heute seinen dreitägigen Besuch auf Zypern. Am Samstag reist er weiter nach Griechenland, der zweiten Etappe seines sechstägigen Trips. Zum Auftakt traf er am Nachmittag mit Bischöfen, Priestern und Ordensleuten zusammen. Er mahnte dazu, Vielfalt in der Kirche als Bereicherung zu sehen. „In der katholischen Kirche gibt es keine Mauern und soll es keine Mauern geben: Sie ist ein gemeinsames Haus, sie ist ein Ort der Beziehung, sie ist ein Zusammenleben der Vielfalt.“ Beim anschließenden Treffen mit Vertretern aus Politik, Diplomatischem Korps und Zivilgesellschaft sprach er von den “Mauern der Angst“ und den „Vetos, die von nationalistischen Interessen diktiert werden“, die Versöhnung und Einigkeit in Europa nicht voranbrächten. Der Kontinent brauche vielmehr Versöhnung und Einigkeit. Ein großes Thema bei der Reise ist sowohl auf Zypern als auch in Griechenland die Migration.

Erstmals ist Papst Franziskus mit der neuen italienischen Fluglinie ITA unterwegs. (Quelle: VaticanMedia/ansa/dpa)

Veränderung braucht Geduld

Zypern, eine Insel, die unter der Teilung leidet. Papst Franziskus zeigte sich heute überzeugt, dass der „schreckliche Riss“ nur durch Dialog überwunden werden könne. Es gebe keine Alternative, um Versöhnung zu erreichen. Ohne Dialog nähmen Misstrauen und Ressentiments zu. „Lasst uns die Hoffnung mit der Kraft von Gesten nähren, anstatt auf Gesten der Stärke zu bauen“, rief er den Zyprioten zu. Der Friede komme oft nicht von großen Persönlichkeiten, sondern durch die tägliche Entschlossenheit der Kleinen. Hier zeigt sich einmal mehr eine Grundüberzeugung von Papst Franziskus, dass die großen Veränderungen eher von unten kommen, vom Volk ausgehen, weniger von den Mächtigen.

Geduld ist nach Ansicht von Franziskus nicht nur mit Blick auf die politische Situation gefordert, sondern auch in der Kirche. Beim Treffen mit Bischöfen, Priestern und Ordensleute mahnte Franziskus eine „geduldige Kirche“ an, „eine Kirche, die sich von Veränderungen nicht erschüttern und stören lässt, sondern das Neue gelassen aufnimmt und die Gegebenheiten im Licht des Evangeliums erwägt.“ Die Kirche wolle nicht vereinheitlichen, sondern geduldig integrieren. Mit Verweis auf Barnabas und Paulus zeigte er auf, dass es auch unter Brüdern Diskussionen und Streit geben dürfe. Das gehört aus seiner Sicht zu einer geschwisterlichen Kirche dazu. „Über unterschiedliche Sichtweisen, Wahrnehmungen und Ideen kann man diskutieren. Und in manchen Fällen hilft es, sich die Dinge offen ins Gesicht zu sagen, es ist eine Chance für Wachstum und Veränderung“, erklärte Franziskus. Allerdings gab er zu bedenken: „Man diskutiert nicht, um sich zu bekriegen, nicht, um sich durchzusetzen, sondern um die Lebendigkeit des Geistes, der Liebe und Gemeinschaft ist, zum Ausdruck zu bringen und zu erfahren.“

Papst nimmt Geflüchtete mit

Auf dem Flug von Rom nach Larnaca sprach Franziskus von einer „schönen Reise, bei der wir aber auch Wunden berühren werden“. Neben der Teilung Zyperns wird das die Situation der Geflüchteten sein. Das Thema Migration zieht sich wie ein roter Faden durch die aktuelle Reise ins östliche Mittelmeer. Am Freitag steht unter anderem ein ökumenisches Gebet mit Geflüchteten auf dem Programm. Nach Medienberichten wird Franziskus 50 Geflüchtete von Zypern mit nach Rom bringen. Am Sonntag wird er dann die griechische Insel Lesbos besuchen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • bernardo
    03.12.2021, 13:57 Uhr.

    „Nach Medienberichten wird Franziskus 50 Geflüchtete von Zypern mit nach Rom bringen.“ Bringt er sie in den Vatikan, oder soll sich Italien um die Migranten, pauschal auch „Geflüchtete“ genannt, kümmern? Wenn er sie in den Vatikan mitnimmt, Chapeau. Wenn sich ein anderes Land um diese Leute kümmern muss, dann ist es das typische Verhalten von Pharisäern. Matthäus 23:4

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      03.12.2021, 20:54 Uhr.

      Wie immer in solchen Fällen organisiert die römische Gemeinschaft Sant’Egidio die Betreuung der Geflüchteten.

  • Novalis
    04.12.2021, 13:54 Uhr.

    Echte christliche Sozialethik, das macht der Papst gut!

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